Joachim Ringelnatz

Gesammelte Erzählungen und Gedichte


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keine Braut,

      Noch Kunst noch Konstabler.

      Wer mir jetzt eins in die Fresse haut,

      Oder ein Kinnladenschuß

      Wären immerhin diskutabler.

      Sterben jetzt, wäre Genuß.

      Siehst du den gelben Schaum?

      Das Fleisch ist ganz weich.

      Selbst wenn ich schliefe,

      Blähen versäumte Präservative

      Sich Luftschiffen gleich

      In meinen Traum.

      Stochern muß ich; gib eine Gabel!

Was sagst du? Halt deine – Schnabel!!

      Aus dem Tagebuch eines Bettlers

      Ich klingelte. Ich bettelte um Brot.

      Um alte Sachen.

      Ich beschrieb anschaulich die Not.

      Ich kann so eine jämmerliche Miene machen.

      Meine Familie sei teils hungrig, teils tot.

      Nur ein kleines, hartes, verschimmeltes Restchen Brot,

      Womit ich eigentlich Geld meinte.

      Der Herr verneinte.

      Ich versuchte diverse Gebärden.

      Ich kann so urplötzlich ganz mager werden.

      Ich taumelte krank.

      Ich – stank.

      Da wurde ich gepackt.

      Fünf Minuten später war ich nackt.

      In einer Wanne im Bad

      Bei dreißig Grad.

      Ich weinte. – Ich wußte:

      Hier half kein Beteuern.

      Man fing an, meine Kruste

      Herunterzuscheuern.

      Dieser Herr war ein Schelm.

      Ich wurde auf die Straße gestoßen.

      Ich fand mich in schwarzen Hosen,

      Lackschuhen, Frack und Tropenhelm.

      Ich fand kein Geld. – Mir wurde bang,

      Ich fand nur ein Trambahn-Abonnement.

      Und ich ging auf die Reise,

      Fuhr mit der Sechzehn stundenlang

      Immer im Kreise.

      Was halfen die noblen Sachen?

      Ich bettelte. Probeweise.

      Ich kann so eine kummervolle Miene machen.

      Aber die Leute begannen zu lachen

      Und die Haltestelle zu verpassen.

      Ich sann auf einen Schlager.

      Ich wurde urplötzlich ganz mager.

      Ich wurde gewaltsam aus der Trambahn heruntergelassen.

      Da waren die Anlagen und Gassen

      Auf einmal ganz traurig und fremd.

      Als ich aus dem Pfandhause kam,

      Trug ich nur noch Hose, Barfuß und Hemd.

      Ich mußte mir einen Anzug leih’n.

      Ich ging mit der Gräfin Mabelle,

      Die eigentlich eine Büfettmamsell

      Ist und gesucht wird, in ein Hotel.

      Wir speisten: Hirschbraten mit Knickebein.

      Wir sangen zu zwei’n:

      »Wer hat uns getraut –…«

      Und zuletzt, ganz laut:

»Wohlauf noch getrunken den funkelnden Wein …«

      Von einem, dem alles danebenging

      Ich war aus dem Kriege entlassen,

      Da ging ich einst weinend bei Nacht,

      Weinend durch die Gassen.

      Denn ich hatte in die Hosen gemacht.

      Und ich habe nur die eine

      Und niemanden, wo sie reine

      Macht oder mich verlacht.

      Und ich war mit meiner Wirtin der Quer.

      Und ich irrte die ganze Nacht umher,

      Innerlich alles voll Sorgen.

      Und sie hätten vielleicht mich am Morgen

      Als Leiche herausgefischt.

      Aber weil doch der Morgen

Alles Leid trocknet und alle Tränen verwischt – –

      An einem Teiche

      An einem Teiche

      Schlich eine Schleiche,

      Eine Blindschleiche sogar.

      Da trieb ein Etwas ans Ufer im Wind.

      Die Schleiche sah nicht was es war,

      Denn sie war blind.

      Das dunkle Etwas aber war die Kindsleiche

      Einer Blindschleiche.

      Aus meiner Kinderzeit

      Vaterglückchen, Mutterschößchen,

      Kinderstübchen, trautes Heim,

      Knusperhexlein, Tante Rös’chen

      Kuchen schmeckt wie Fliegenleim.

      Wenn ich in die Stube speie

      Lacht mein Bruder wie ein Schwein

      Wenn er lacht, haut meine Schwester,

      Wenn sie haut, weint Mütterlein.

      Wenn die weint, muß Vater fluchen.

      Wenn er flucht, trinkt Tante Wein

      Trinkt sie Wein, schenkt sie mir Kuchen:

Wenn ich Kuchen kriege, muß ich spein.

      Der Bücherfreund

      Ob ich Biblio- was bin?

      Phile? „Freund von Büchern” meinen Sie?

      Na,