Joachim Ringelnatz

Gesammelte Erzählungen und Gedichte


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Und nickst ein heiteres Allheil!

       Und lachst und fühlst dich doch derweil

       Teils Burschenschaft, teils Flegel.

      Kein Mädchen, nicht einmal die Braut,

       Sieht gerne Hände ohne Haut.

      *****

      Kniehang

      Ich wollte, ich wär’ eine Fledermaus,

       Eine ganz verluschte, verlauste,

       Dann hing ich mich früh in ein Warenhaus

       Und flederte nachts und mauste,

       Daß es Herrn Silberstein grauste.

       Denn Meterflaus, Fliedermus, Fledermaus –

       (Es geht nicht mehr; mein Verstand läuft aus.)

      *****

      Box-Kampf

      Bums! – Kock, Canada: – Bums!

       Käsow aus Moskau: Puff! puff!

       Kock der Canadier: – Plumps!

       Richtet sich abermals uff.

       Ob dann der Käsow den Kock haut,

       Oder ob er das vollzieht,

       Ob es im Bauchstoß, im Knock-out [1]

       Oder von seitwärts geschieht –

       Kurz: Es verlaufen die heit’ren

       Stunden wie Kinderpipi.

       Sparen wir daher die weit’ren

       Termini technici.

       Und es endet zuletzt

       Reizvoll, wie es beginnt:

       Kock wird tödlich verletzt.

       Käsow aber gewinnt.

       Leiche von Kock wird bedeckt.

       Saal wird langsam geräumt.

       Käsow bespült sich mit Sekt.

       Leiche aus Canada träumt:

       Boxkampf –

       Boxer –

       Boxen –

       Boxel –

       Boxkalf –

       Boxtrott –

       Boxtail –.

       Boxbeutel.

      Turnermarsch

      (Melodie: Leise flehen meine Lieder)

      Schlagt die Pauken und Trompeten,

       Turner in die Bahn!

       Turnersprache laßt uns reden.

       Vivat Vater Felix Dahn!

       Laßt uns im Gleichschritt aufmarschieren,

       Ein stolzes Regiment.

       Laß die Fanfaren tremulieren!

       Faltet die Fahnen ent!

      Die harte Brust dem Wetter darzubieten,

       Reißt die germanische Lodenjoppe auf!

       Kommet zu Hauf!

       Wir wollen uns im friedlichen Wettkampf üben.

      Braust drei Hepp-hepps und drei Hurras

       Um die deutschen Eichenbäume!

       Trinkt auf das Wohl der deutschen Frauen ein Glas,

       Daß es das ganze Vaterland durchschäume.

       Heil! Umschlingt euch mit Herz und Hand,

       Ihr Brüder aus Nord-, Süd- und Mitteldeutschland!

       Daß einst um eure Urne

       Eine gleiche Generation turne.

      *****

      Kniebeuge

      Kniee – beugt!

       Wir Menschen sind Narren.

       Sterbliche Eltern haben uns einst gezeugt.

       Sterbliche Wesen werden uns später verscharren.

       Schäbige Götter, wer seid ihr? und wo?

       Warum lasset ihr uns nicht länger so

       Menschlich verharren?

       Was ist denn Leben?

       Ein ewiges Zusichnehmen und Vonsichgeben. –

      Schmach euch, ihr Götter, daß ihr so schlecht uns versorgt,

       Daß ihr uns Geist und Würde und schöne Gestalt nur borgt.

      Eure Schöpfung ist Plunder,

       Das Werk sodomitischer Nachtung.

       Ich blicke mit tiefster Verachtung

       Auf euch hinunter.

       Und redet mir nicht länger von Gnade und Milde!

       Hier sitze ich; forme Menschen nach meinem Bilde.

       Wehe euch, Göttern, wenn ihr uns drüben erweckt!

       Beine streckt!

      *****

      Zum Bockspringen

      (Nach einer Fabel Ae-sops)

      Wie war die Geschichte mit Bobs Wauwau?

       Ich erinnere mich nicht ganz genau,

       Ob dieser Hund Bobs

       – Eins, zwei, drei – hops! –

      Ob dieser Hund ein Rebhuhn gebar?

       Auf welcher Seite er schwanger war,

       Und inwiefern und ob’s

       – Eins, zwei, drei – hops! –

      Ein Dackel war, der das Rebhuhn erzeugte,

       Und ob er das arme Geflügel dann säugte. –

       Ich glaube, der Dackel war ein Mops. –

       – Eins, zwei, drei – hops! –

      Jedenfalls fraß er zu jedermanns Ärger

       Nur Wickelgamaschen und Königsberger,

       Auch Danziger Klops.

       – Eins, zwei, drei – hops! –

      Ein seltsamer Mops war Bobs Wauwau.

       – Eins, zwei, drei – hops! – au! au!

      *****

      Felgeaufschwung

      Die wir im Felgeaufschwung uns befinden,

       Schwer wie das Eisen, das der Ristgriff faßt,

       Und wurde uns der eigne Leib zur Last.

       Und langsam sehen wir den Tag entschwinden.

      Ein abgerissenes Sichvorwärtsschwingen –

       Ein seelenloses Steigen über nichts. –

       Von Leiden spricht das Zucken des Gesichts.

       Nur in der Ferne tönt ein Vesperklingen.

      Nun sinkt das Haupt herab, und wie zum Schwören

       Hebt sich der Füße zages Doppelspiel.

       Und abermals erlahmt die Kraft am Ziel,

       Um wieder sich von neuem zu betören.

      Und werden doch den toten • überwinden,

       Der Geist ist willig, doch das Fleisch ist weich,

       Sitzwellend einst, dem Wellensittich gleich,

       So werden wir uns droben wiederfinden.