Joachim Ringelnatz

Gesammelte Erzählungen und Gedichte


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      Zum Keulenschwingen

      Die Merowinger sind weit verzweigt.

       Es lebte ein Merowinger,

       Den die Geschichte uns leider verschweigt,

       Ein wackerer Keulenschwinger.

      Mit beiden Händen und Leidenschaft

       Schwang er die Keulen, die schönen.

       Er schwang sie mit barbarischer Kraft

       Unter leisem teutonischen Stöhnen.

      Er teilte die Lüfte und teilte vorbei

       Mit seiner gewuchtigen Keule.

       Er schlug seiner Mutter die Backe entzwei,

       Erschlug seine Kinder und Gäule.

      Erschlug mit übernatürlicher Kraft

       Des Königs wieherndes Vollblut.

       Da wurde er aber fortgeschafft

       In eine Zelle für Tollwut.

      Man nahm ihm die Keule, er konnte nicht mehr

       Sie schwingen in sausenden Kurven.

       Die Zelle ward still und nahezu leer,

       Man hörte nur Schritte schlurfen.

      Doch eines Tages dröhnte es dumpf.

       Der Wächter tät sich beeilen.

       Da sah er einen niedrigen Rumpf

       Mit seinen leibeigenen Keulen

       Die Wände der Zelle verbeulen.

       Da fing der Mann an zu heulen.

      Das Turngedicht am Pferd

      (Schon den Römern bekannt)

      Es lebte an der Mündung der Dobrudscha

       Ein Roll- und Bier- und Leichenwagenkutscher.

       Der riß lebendigem Getier – o Graus! –

       Mit kaltem Blut die Pferdeschwänze aus.

       Hopla!

      Jedoch verscherzte er mit solchen Streichen

       Sich den Verkehr mit Roll und Bier und Leichen

       Und frönte nun dem Trunk, auch nebenbei

       Der Kunst, speziell der Pferdeschlächterei.

       Hopla!

      Man traf ihn manchmal unter Viadukten

       Mit Pferdeköpfen, die noch lebhaft zuckten,

       Und fragte man dann nach dem Preis pro Pfund,

       Dann brüllte er und hatte Schaum vorm Mund:

       „Hopla!“

      Doch abermals aus dem Beruf gestoßen,

       Ergab er sich dem Schicksal aller Großen

       Und wurde – solches traf sich eben gut –

       Pedell an einem Turninstitut.

       Hopla!

      Schon im Begriff, sein Leben umzuwandeln,

       Besoff er sich und stürzte über Hanteln.

       Er wußte selber nicht, wie weit, wie tief;

       Jedoch er fragte gar nicht, sondern schlief.

       . . . la . . .

      Punkt Mitternacht bemerkte der Betäubte,

       Daß sich sein Haar mit leisem Knirschen sträubte.

       Er wachte auf und sah im bleichen Glanz

       Ein Pferd, ein Pferd, ganz ohne Haupt und Schwanz.

       . . . pla!

      Nun reckte sich das abenteuerliche

       Gespenst und wuchs ins Ungeheuerliche.

       Drei Meter mochte es gewachsen sein,

       Da hielt es inne, schnappte plötzlich ein.

       Hopla!

      Und nun, wohl in Ermangelung von Äpfeln,

       Begann es Sägemehl aus sich zu tröpfeln.

       „Mensch,“ rief es, „der du Tiere quälen kannst,

       Auf! Springe über meinen Lederwanst.

       Hopla!“

      Er sprang bereits, wie ihn die Formel bannte,

       Er sprang und fiel, erhob sich wieder, rannte

       Und sprang und rannte, sprang und sprang und sprang,

       Wohl stunden-, tage-, wochen-, jahrelang.

       Hopla! Hopla! Hopla! Hopla!

      Bis plötzlich unter ihm das Pferd zerkrachte.

       Da brach er auch zusammen, und erwachte.

       Indem er schwur, nie wieder nachts zu picheln,

       Bemerkte er, gereizt durch fremdes Sticheln,

       Daß ihn, der doch sich täglich glatt rasierte,

       Ein langer Zwickelbart aus Roßhaar zierte.

       Ho!

      Laufschritt-Couplet

      Wenn doch die Pferdebahn noch wär’!

       Da wurde bald der Kondukteur

       Und bald der Gaul verdroschen,

       Und manchmal lief man nebenher

       Und sparte sich den Groschen.

      Die Feuersbrunst ergriff mich sehr.

       Das Schulgebäude steht nicht mehr.

       Schon spielen Kinder fromm umher

       Mit den verkohlten Stücken.

       Dann räumt man auf, der Platz wird leer

       Und nun beginnt die Feuerwehr

       Allmählich anzurücken.

      Der Laufschritt freut beim Militär

       Uns über alle Maßen.

       Zwar drückt der Affe reichlich schwer,

       Ganz abgesehn von dem Gewehr,

       Der Blase und den Blasen,

       Doch außerdem: man fühlt sich sehr,

       Singt: „Wenn ich doch ein Vöglein wär’“

       Und kann sich so von ungefähr

       Das Mittagbrot vergasen.

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      Joachim Ringelnatz

      Kinder-Verwirr-Buch

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      ISBN: 978-3-95855-232-6

      fabula Verlag Hamburg, 2015

      Covergestaltung: Marta Monika Czerwinski

      Der fabula Verlag Hamburg ist ein Imprint der Bedey Media GmbH.

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      © fabula Verlag Hamburg, 2015

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