A. F. Morland

Mörder-Paket Juli 2020: 10 Krimis für den Strand: Sammelband 9015


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wie James diese Frau hasste. Warum ließ er sich von diesem Weib so knechten? Warum ließ er sich das alles von ihr bieten?

      „Wenn ich das Bad genommen habe, komme ich hinunter und überzeuge mich davon, dass Sie das Fahrzeug in einen tadellosen Zustand gebracht haben, James. Ist das klar?“

      „Ja, Madam!“

      „Ich warne Sie, James. Wenn Sie denken, nicht tun zu müssen, was ich von Ihnen verlange, dann können Sie etwas erleben.“ Sie wandte sich abrupt um. Er starrte auf ihren kerzengeraden schmalen Rücken. Er durchbohrte ihre Schulterblätter, die sich deutlich durch das altmodische Kleid abzeichneten, mit funkelnden Augen.

      „Wenn Sie schon mal da sind, James, nehmen Sie mir die Perlenkette ab!“, sagte Mary Scott schroff.

      Der Chauffeur näherte sich mit unsicherem Schritt seiner Dienstgeberin.

      Voller Hass starrte er auf ihren dürren Hals. Sein Herz begann seltsamerweise in einem besseren Rhythmus zu schlagen, je näher er an die Alte herankam. Sein Herz schlug zwar sehr schnell, doch nicht mehr so unregelmäßig wie vorhin. Er fühlte sich eine Spur besser.

      Die Versuchung war groß, nach diesem dürren Hals zu fassen und so lange zuzudrücken, bis die Alte keinen Atemzug mehr machte. Damit wäre alles aus der Welt geschafft gewesen. Der Ärger. Der Hass. Die Alte!

      Mary Scott blickte in den Wandspiegel und fauchte giftig: „Warum starren Sie mich so an, James? Machen Sie schon! Nehmen Sie mir die Kette ab! Und dann verschwinden Sie! Sehen Sie zu, dass Sie in die Garage kommen!“

      James hob zitternd die Arme.

      Fass zu!, schrie es in ihm. Fass zu, und drück zu! Drück zu, du Feigling! Lass dir das nicht länger bieten. Mach sie kalt! Erwürge sie!

      Es kribbelte in seinen zittrigen Fingern. Er berührte den Verschluss der Perlenkette und öffnete ihn. Sie nahm ihm die Kette aus der Hand. Er wandte sich mit gesenktem Blick ab, als befürchtete er, sie könnte seine geheimsten Gedanken, seine Mordabsicht, erraten. Er ging schnell und schloss die Tür rasch hinter sich. Draußen lehnte er sich erschöpft an die Wand und stieß einen schweren Seufzer aus.

      „Diese Bestie!“, flüsterte er mit bleichen Lippen. Ein Schmerz zerschnitt seine Brust. Er fletschte die Zähne und griff sich ans Herz. Dann wankte er den Korridor entlang und nach unten.

      Er trat in das helle Sonnenlicht hinaus und kniff die Augen zusammen. Die Wärme tat ihm gut.

      Er lief zur offen stehenden Garagentür, riss den Wagenschlag auf, rutschte zum Handschuhfach hinüber und öffnete es. Er entnahm dem Fach ein kleines braunes Fläschchen. In letzter Zeit führte er die Herztropfen, die ihm der Arzt kurz nach seinem letzten Anfall verschrieben hatte, im Wagen mit, um sie bei der Hand zu haben, wenn ...

      Er nahm ein Stück Zucker aus dem kleinen Nylonsäckchen und zählte fünfzehn Tropfen ab. Die braune Flüssigkeit sickerte langsam in den Zucker ein. Während er den Zucker zwischen die Zähne schob, schweiften seine Gedanken ab. Er musste immerzu an die Alte denken. Sie hatte ihn so böse angesehen, so gefühlskalt, so mitleidlos, obwohl sie erkannt hatte, wie es um ihn stand.

      Sie war eine Hexe. Früher mal wäre sie verbrannt worden. Es schien ihr Spaß zu machen, ihn leiden zu sehen. Sie brauchte jemand, den sie ihre Bitterkeit spüren lassen konnte.

      James begann langsam den Kopf zu schütteln. Ein Entschluss reifte in ihm. Er wollte sich das nicht mehr länger bieten lassen. Zwanzig Jahre stand er nun im Dienst dieser alten Fuchtel. Seit zwanzig Jahren trieb sie es auf diese Weise mit ihm. Seit zwanzig Jahren schwor er sich immer wieder, sich diese erniedrigende Behandlung nicht mehr gefallen zu lassen.

      Einmal war das Maß voll. Heute war dieses Maß voll.

      James richtete sich energisch auf. Er fühlte sich bereits ein wenig besser. Die Beschwerden ließen nach, die graue Farbe wich aus seinem Gesicht, seine Finger zitterten nun nicht mehr.

      Das Seltsame an diesen Anfällen war, dass sie nie sehr lange anhielten, obwohl er jedes Mal das Gefühl hatte, ihn nicht zu überleben. Nun, einer der Anfälle würde dann wohl der letzte sein ...

      Doch bevor es dazu kam, wollte er Mary Scott für ihr Mitleid, für ihr Verständnis und für ihr Entgegenkommen danken.

      Er öffnete den Kofferraum des Wagens und nahm den schweren Wagenheber heraus. Wenn er damit zuschlug ...

      Sein Blick wanderte zum Fenster des Badezimmers hinauf. Sie würde sich wundern, wenn er einfach eintrat. Vielleicht würde sie nicht einmal schreien, weil sie so perplex war.

      James wunderte sich selbst über seinen Mut. Er war noch nie so entschlossen gewesen wie jetzt.

      „Ich bringe sie um!“, murmelte er vor sich hin. „Ich bringe sie um! Ich lasse mir das nicht länger bieten!“ Er schüttelte den Kopf. Dann nickte er. „Ich muss es tun. Sonst gehe ich vor die Hunde!“

      Mechanisch begann er zu gehen ...

      8

      Ich gondelte mit dem Lift abwärts und verließ wenige Augenblicke später unseren Wolkenkratzer. Mein roter Mustang stand brav und treu in der Sonne und wartete darauf, dass ich ihn bestieg und ihn ein wenig mit den Sporen kitzelte.

      Ich holte die Wagenschlüssel aus der Tasche und wollte die Tür aufschließen, da fiel der Schatten von zwei Kleiderschränken auf mein Gesicht. Ich richtete mich auf und blickte in die Visagen von Satans liebsten Kindern. Sie grinsten. Trotzdem brachte ich ihnen ungefähr dasselbe Vertrauen entgegen wie Susans Werwolf.

      „Zweimal Al Capone Verschnitt!“ Ich stellte es sachlich fest.

      Sie grinsten weiter. Ich befand mich in ihrer kuscheligen Mitte.

      „Jetzt weiß ich, was mir so lange Zeit gefehlt hat“, führte ich weiter den großen Spruch. „Die Nestwärme.“

      „Heute darfst du mal Benzin sparen, Calder“, sagte der Jüngling rechts neben mir. Er trug ein kariertes Hemd und eine getupfte Krawatte. Das passte zwar nicht zusammen, aber es kleidete ihn.

      „Wir bringen dich, wohin du willst!“, grinste der andere. Er trug ein getupftes Hemd und eine karierte Krawatte.

      Mir machte der Vorstadtschick der beiden jedoch nichts aus. Jeder soll nach seiner Fasson glücklich werden.

      „Mein Wagen braucht nicht viel“, sagte ich mit geschürzter Lippe. „Mir kommt’s auf die paar Liter nicht an.“

      „Man muss im Kleinen sparen“, sagte der rechte Schächer. Etwas später sollte ich erfahren, dass er Eddie Harvey hieß. Sein Kumpel hörte auf Ernie Walker.

      „Wenn du jetzt hübsch brav mitkommst, sparst du nicht nur Benzin, Calder“, sagte Ernie mit einem einladenden Lächeln. „Du ersparst dir auch eine Menge Ärger.“

      „Und wir sparen uns zumindest eine Kugel, die wir dir in den Wanst jagen würden, wenn wir uns nicht einigen könnten“, fügte Eddie leutselig hinzu.

      „Das gibt ja den reinsten Weltspartag“, grinste ich die beiden schweren Brocken an.

      „Ich sehe, wir verstehen uns“, sagte Eddie. „Unser Wagen steht gleich um die Ecke. Wenn du dich bemühen willst, Schnüffler.“

      Ich