A. F. Morland

Mörder-Paket Juli 2020: 10 Krimis für den Strand: Sammelband 9015


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Es brannte wie Feuer, war überall aufgeschwollen. Blut troff aus mehreren tiefen Schnittwunden.

      Rackin sah Calva durch einen blutroten Schleier. Er hasste diesen erbarmungslosen, hartherzigen Verbrecher. Er hasste die Ohnmacht, die er diesem Mann gegenüber empfand. Es war zum Heulen, dass man einem Mann wie Pino Calva rettungslos ausgeliefert war.

      Rackin hatte schwer gegen eine Bewusstlosigkeit anzukämpfen. Er versuchte, sich zusammenzureißen. Das Blut klebte süßlich auf seiner Zunge. Die Lippen waren dick wie Hefeklöße. Immer wieder begann sich alles um ihn wild zu drehen. Dann konnte er sich kaum auf dem Stuhl halten. Doch er wollte den Kerlen die Freude nicht machen, ihn umkippen zu sehen. Er schlug die Zähne verbissen aufeinander. Er wollte nicht schlappmachen. Diesen Triumph gönnte er diesen Gangstern nicht.

      Pino Calva fischte sich einen Stuhl, schob ihn vor Rackin hin und setzte sich rittlings darauf.

      „Rindvieh!“, sagte er gefühlskalt.

      Rackin hechelte. Speichel sickerte aus seinem Mund und vermengte sich mit seinem Blut. Rosafarben tropfte dieses Gemisch dann auf sein zerschlissenes weißes Hemd.

      „Jetzt siehst du hoffentlich ein, dass es sich nicht lohnt, starrsinnig zu sein, Rackin“, knurrte Calva frostig.

      Rackin blickte ihn aus seinen fast vollkommen zugeschwollenen Augen mitleidserregend an. Doch selbst in diesem Zustand vermochte er Pino Calva nicht im Mindesten zu rühren.

      „Das nächste Mal wirst du Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um das Geld rechtzeitig aufzutreiben, hab’ ich recht?“, lachte Calva frostig.

      Rackin spürte, wie ihm schwarz vor den Augen wurde. Er hatte das Gefühl, als sitze er auf einem Kreisel. Plötzlich fiel er.

      „He!“, rief ihn Eddie Harvey ärgerlich an. Er verspürte einen schmerzenden Stoß in die Seite und riss verstört die Augen auf. „Kannst du nicht auf deinem Hintern sitzen bleiben, verdammt noch mal?“

      Rackin bat um ein Glas Wasser. Er konnte mit den dicken Lippen kaum sprechen.

      Der Wunsch nach Wasser wurde abgelehnt. Sie waren grausam. Der Durst quälte ihn schrecklich. Wenn sie ihm ein Glas Wasser gegeben hätten, hätte er besser durchgehalten.

      Warum gaben sie ihm nicht mal einen Schluck?

      Calva grinste Rackin breit an.

      „Selbstverständlich muss ich die vereinbarte Versicherungsprämie nun erhöhen, Rackin, das siehst du doch ein. Wir haben in letzter Zeit ohnedies schon mit Verlust gearbeitet.“

      Du elender Blutsauger!, dachte Rackin verzweifelt. Wenn Calva seine Forderungen noch höher schraubte, wusste er nicht, wie er das Geld in Zukunft aufbringen sollte. Calva richtete ihn zugrunde.

      Warum machte er das? Was hatte er davon? Man schlachtet doch nicht die Kuh, die man melkt.

      Pino Calva machte seinen Männern ein Zeichen mit dem Kopf. Ernie und Eddie nickten grinsend. Sie verstanden und gingen nach draußen.

      Rackin sah den beiden besorgt nach. Sie gingen doch nicht etwa schon? Nein, sie waren bestimmt noch nicht fertig. Was kam nun? Warum gingen sie hinaus? Holten sie etwas?

      Rackin zerquälte sich den siedend heißen Kopf.

      Dann kamen die beiden Gorillas zurück. Sie schlossen die Eingangstür der Bar. Ernie hatte eine schwere Axt in seinen Pranken. Eddie trug eine Tommy Gun.

      „Nein!“, brüllte Daniel Rackin entsetzt auf. „Tut das nicht!“

      „Schnauze, Rackin!“, bellte Calva und nickte seinen Freunden zu.

      Eddie und Ernie begannen mit ihrem Werkzeug zu arbeiten. Eddie schwang die Axt hoch über den Kopf und ließ sie dann mächtig auf den ihm am nächsten stehenden Tisch niedersausen. Es krachte laut. Die Tischplatte zersprang, als wäre sie aus sprödem Plastik. Eddie ging von Tisch zu Tisch. Er zertrümmerte mit viel Eifer sämtliche Stühle und jeden Tisch, der ihm in die Quere kam.

      Ernie hatte sich in einiger Entfernung vom Tresen aufgestellt. Er begann heiser zu kichern. Was jetzt kam, gefiel ihm besonders gut. Er war kein kluger Junge. Er war nicht sehr hell auf der Platte, deshalb vergnügten ihn solche Sachen mehr als ein schwer verständliches Theaterstück. Er stemmte sich die Tommy Gun fest in die Seite. Aus den Augenwinkeln schielte er zu Calva und zu dem zerschlagenen Rackin, dem nun Tränen über die zerkratzten Wangen rollten. Dann zog er den Stecher durch. Ein höllisches Stakkato jagte los und hämmerte fast ohrenbetäubend durch den Raum. Grelle Feuerblumen zuckten aus der Mündung der Maschinenpistole. Heiße Blitze sausten heraus. Die Kugeln zertrümmerten das Spiegelregal. Sie zerschlugen sämtliche Glasplatten, zerschmetterten eine Unzahl von Schnapsflaschen. Unter dem zerklirrenden Spiegelregal bildete sich eine Lache, die rasch größer wurde. Überall, wo man hinsah, sah man Scherben. Spiegelscherben, Glasscherben, Flaschenscherben.

      Doch Ernie hörte noch nicht zu ballern auf. Die Detonationen seiner Waffe rüttelten ihn kräftig durch. Er streute wild um sich, lachte brüllend vor Begeisterung, hatte mächtigen Spaß an seinem gründlichen Vernichtungswerk.

      Plötzlich kehrten irgendwelche Lebensgeister in Rackins Körper zurück. Er konnte nicht länger tatenlos zusehen. Es machte ihn wahnsinnig, sehen zu müssen, was diese Verbrecher aus seiner Bar machten. Einen Trümmerhaufen. Einen fürchterlichen Trümmerhaufen.

      Mit einem lauten Verzweiflungsschrei schnellte Daniel Rackin hoch. Er stürzte sich auf Pino Calva, der seine Leute mit einem zufriedenen Grinsen bei der Arbeit beobachtete.

      Calva hörte Rackin nicht schreien. Die Schüsse kamen in so knapper Reihenfolge aus Ernies Tommy Gun, dass der Schrei in dem Gehämmer einfach unterging. Rackin warf sich in zornglühendem Hass auf den Mann, der für dieses Chaos verantwortlich zeichnete. Noch ehe Calva reagieren konnte, drosch ihm Rackin zweimal die Faust kräftig ins Gesicht.

      Rackin traf die Nase des Gangsterbosses. Calva zuckte erschrocken zurück. Ernie und Eddie ließen ihre Geräte fallen und kamen herangejagt. Sie packten grob zu und schleuderten den Barbesitzer auf den Stuhl zurück. Sie hielten ihn fest wie Eisenklammern. Pino Calva wischte sich mit einem zornigen Funkeln das aus der Nase sickernde Blut fort. Dann versetzte er dem wehrlosen Rackin mehrere schallende Ohrfeigen, die dem Barbesitzer beinahe den Kopf von den Schultern rissen. Keuchend hielt Calva schließlich inne. Er tupfte mit dem Taschentuch eine Weile schweigend an der Nase herum.

      Dann sagte er: „Das kostet dich einen Tausender mehr, Rackin!“ Er schob das Taschentuch in die Hosentasche. „Wie konntest du nur so unvernünftig sein und dich so gehenlassen?“

      Rackin zuckte zwischen den ihn festhaltenden Pranken der Gorillas.

      „Ich bring’ dich um!“, brüllte er in grenzenlosem Hass. „Ich erschlag dich!“

      Calva hatte seine Ruhe wiedererlangt. Er lachte Rackin kalt ins Gesicht.

      „Du kannst niemand umbringen, Freund“, höhnte er. „Du hast einen Schlag wie ein fünfjähriger Junge. Hinter deinem Punch steckt kein Dampf, Rackin. Ich werde dir zeigen, wie man hart zuschlägt. Pass auf!“

      Calva schlug einmal zu. Rackin spürte kaum noch, wie hart er auf den Fußboden krachte.

      Eddie und Ernie brüllten ihn an. Es ärgerte sie, dass Rackin schlappgemacht hatte. Es machte keinen Spass, auf einen Bewusstlosen einzudreschen.

      Eddie drückte Rackin auf den Stuhl nieder. Ernie lief um Wasser. Er brachte einen zerbeulten Sekteimer und übergoss den Bewusstlosen mit eiskaltem Wasser. Rackin zuckte.

      Dann schlug er benommen die Augen auf. Verwirrt blickte er die Gangster an. War denn das möglich? Er lebte noch? Er lebte immer noch?

      Die Schmerzen meldeten sich wieder. Rackin sehnte sich nach der Ohnmacht. Sein Hemd, der Anzug, alles war schrecklich nass. Ihm war kalt. Er fror. Seine Zähne schlugen klappernd aufeinander.

      Pino Calva trat zu ihm, fasste nach seinem blutverschmierten Kinn und hob seinen Kopf an.

      Rackin