A. F. Morland

Mörder-Paket Juli 2020: 10 Krimis für den Strand: Sammelband 9015


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      „Genau die – unser Stamm-Italiener.‟

      „Prächtig – ich freue mich.‟

      Wir nahmen ihren Wagen. Einen alten Mercedes 180 SL, Baujahr 1969. Der Oldtimer schluckte eine Unmenge an Sprit. Aber Sharon konnte sich nicht von ihm trennen.

      Sharon setzte sich hinter das Steuer. Über den Broadway fuhren wir hinunter nach Downtown.

      „Unsere Leute in London haben übrigens den Scheich verhaftet, der die verdammte Fatwa über euch verhängt hat.‟

      „Ist das wirklich wahr?!‟ Sharon machte große Augen. „Und das erzählst du jetzt erst?‟

      „Eigentlich dürfte ich′s gar nicht erzählen. Washington hat eine Nachrichtensperre über den Fall verhängt.‟

      „Wird ihm der Prozess gemacht?‟

      Ich zuckte mit den Schultern. „Schwer zu sagen. Kommt ganz auf das Belastungsmaterial an, das wir gegen ihn zusammentragen können. Und natürlich auf seinen Anwalt. Diese Leute können sich die besten Anwälte leisten. Der des Scheichs hat schon signalisiert, dass es seiner Meinung nach kein Verbrechen ist, eine Fatwa zu verhängen.‟

      „Wie bitte ...?‟ Eine Zornesfalte erschien zwischen Sharons Brauen. „Kein Verbrechen ...?!‟

      „Es sei nur eine religiöse Handlung gewesen, eine Art Fluch, behauptet er. Eine Fatwa habe nach islamischem Recht keinen exekutiven Charakter, niemand sei gezwungen, sie auszuführen, und so weiter, und so weiter ...‟

      „Dieser Wahnsinnige!‟, schnaubte Sharon. „Dieser Mörder! Was sie Eve angetan haben ... das ist seine Schuld. Er muss hinter Gittern!‟

      „Seh′ ich genau wie du.‟ Wir schwiegen ein Zeitlang. Die Bilder von Eve O′Sullivans Leiche gingen mir durch den Kopf. Ich versuchte, sie abzuschütteln. Dann dachte ich an Sharons Partner. „Hast du eigentlich mal was mit Valezki gehabt?‟

      Sie grinste. „Du magst ihn nicht, was?‟

      „Nicht ausweichen, Lady.‟ Ich löste meinen Gurt und rutschte ein Stück zu ihr hinüber. Sie duftete nach nach einer Mischung aus Rosenwasser und Sandelholz.

      „Ganz am Anfang, ja‟, sagte sie. „Wir waren etwa ein Jahr lang ein Paar. Wir wollten sogar heiraten.‟ Sie lachte. „Aber ich konnte ihn nicht ertragen. Mike ist wahnsinnig stur, weißt du? Und auch ein bisschen langweilig.‟

      „Wem sagst du das?‟

      „Bist du eifersüchtig?‟, kicherte sie.

      „Das habt ihr gern, ihr Frauen, stimmt′s?‟

      „Du bist eifersüchtig, gib′s zu.‟

      „Ich bekenne ...‟ Ich legte meinen Arm um sie und küsste ihren Hals. „Ich bin auf alles und jeden eifersüchtig ...‟

      39

      Raphael drückte sich an den Stamm einer alten Buche. Unter ihrem dichten Laubdach war er wenigstens halbwegs vor dem Regen sicher.

      Der Baum stand hinter einer dichten Hecke am Rand des Chelsea Parks. Durch die Lücken der Buschwerks der Hecke konnte er den Hauseingang beobachten. Und den Streifenwagen. Durch den Regen brach die Abenddämmerung heute früher an, als die Tage zuvor. Aber noch war es nicht dunkel.

      Die Haustür öffnete sich, und ein großer Mann trat auf die Vortreppe. Raphael hatte nie ein Bild von ihm gesehen und kannte nur seinen Nachnamen. Doch sie hatten den Mann in der zurückliegenden Woche beschattet. Sie wussten, dass er morgens in diese merkwürdige Religionsschule zu gehen pflegte, manchmal sogar am späten Abend noch.

      Und sie wussten, dass er abends zwischen halb sieben und zehn seine Arbeit unterbrach und das Haus verließ. Auch seine Stammkneipe kannten sie.

      Raphael schob sich hinter den Baumstamm und holte sein Handy aus der Innentasche seines neuen Blousons. Aus den Augenwinkeln beobachtete er, wie der Verurteilte sein langes Haar aus dem Gesicht strich und dann die Treppe hinunter stieg.

      Raphael wählte die Nummer von Ismaels Handy. Sein Bruder meldete sich sofort. „Er verlässt das Haus.‟ Raphaels Stimme vibrierte vor Aufregung. „Jetzt ist er auf dem Bürgersteig. Er geht die Straße hinunter, Richtung Neunte Avenue ...‟

      Er sah, wie Valezki plötzlich stehenblieb und sich nach dem Streifenwagen umwandte. „Moment‟, sagte er. „Jetzt bleibt er stehen ... er spricht mit den Polizisten ...‟

      40

      „Hey, Mister Valezki!‟ Sergeant Roger Castle senkte sein Seitenfenster ab. „Sie mögen doch keinen Regen – kommen Sie, steigen Sie ein. Wir würden gern noch einen Ihrer weisen Sprüche hören!‟

      „Soll er doch laufen, das Arschloch‟, knurrte Miler.

      Valezki blieb stehen, blickte in den grauen Himmel und streckte die flache Hand aus, als wollte er die Intensität des Regens prüfen. „Also gut‟, sagte er schließlich. Er zog die hintere Tür des Streifenwagens auf und ließ sich auf die Rückbank fallen. „Zu meiner Stammkneipe bitte.‟

      Miler sog scharf die Luft durch die Nase ein. „Und alles auf Kosten des Steuerzahlers‟, brummte er.

      Castle steuerte den Wagen vom Straßenrand weg und fuhr Richtung 9th Avenue. Im Rückspiegel tauchte ein Linienbus auf. „Also los, Valezki‟, forderte er den Langhaarigen auf. „Einen Spruch will ich hören!‟

      „Was fürn Spruch.‟ Valezki schien schon wieder in seine skurrilen Gedanken versunken zu sein.

      „Irgendwas Nettes von einem Ihrer Zeltmeister.‟

      „Zenmeister‟, korrigierte Valezki.

      „Von mir aus‟, grinste Castle, „lassen Sie hören.‟ Die Rushhour war noch in vollem Gange. Selbst hier auf der unbedeutenden 28. ging es nur im Schneckentempo voran.

      „Wähle weise‟, dozierte Valezki, „denn es könnte leicht geschehen, dass dir gewährt wird, was du wählst.‟

      Miler wollte sich schon an die Stirn tippen. Doch er zog seine Hand zurück und lachte meckernd. „Wähle weise‟, kicherte er. „Das ist gut!‟ Mit dem Zeigefinger stach er nach seinem Sergeant. „Das hättest du hören müssen, bevor du dich freiwillig für diesen beschissenen Einsatz gemeldet hast ...‟