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Szene der Schweiz, wo er schon seit über zehn Jahren lebt, ist die Reaktion oft: Paul-Olivier wer?

      Wer ist dieser unbekannte Mann, der die wichtigsten Enthüllungen über die Daten­konzerne einfädelte?

      Datenschutz für Anfänger

      Genf. Paul-Olivier Dehaye sitzt im Impact Hub, einem Arbeits- und Zufluchts­ort für Frei­berufler. Und er erzählt. Dabei fragt er ständig nach: «Ergibt das Sinn für Sie? Habe ich etwas nicht verständlich genug erklärt?» Er ist es gewohnt, technische Dinge anschaulich zu erklären. Unzählige Male hat er Politikerinnen und Journalisten Dinge erklärt. Es ist ihm wichtig, dass er verstanden wird.

      Das Thema Daten­missbrauch ist abstrakt, für viele zu abstrakt. Das weiss Dehaye. Es tut niemandem richtig weh. Deshalb gehen Millionen Menschen so sorglos mit ihren Daten um, als würden sie diese foto­kopieren und täglich eine Ladung aus dem Fenster schmeissen.

      Dehaye wählt einen anderen Ansatz, einen lokalen: «Wenn wir begreifen, dass alles, was die Technologie­konzerne tun, gegen amerikanische, französische oder britische Gesetze verstösst, wachen die Politiker eher auf.» Und so arbeitet er nächtelang mit Medien­schaffenden die nationalen Schlag­zeilen heraus.

      Es blieb vorerst bei diesem einen Text. Die Zeitung verfolgte die Spur zu Dehayes Verwunderung nicht weiter. Später erfuhr er, dass der Autor des Artikels nicht mehr dort arbeitete.

      Der «Guardian» verlor also das Interesse. Dehaye aber blieb am Thema dran. Und brachte die britischen Behörden auf die Spur. Im August 2016 schrieb er die unabhängige Datenschutz­behörde Gross­britanniens an, das Information Commissioner’s Office. Er fragte, ob sie die Firma Cambridge Analytica auf dem Schirm habe. Mit dieser Nachricht wird die Kommission zum ersten Mal auf das kontroverse Big-Data-Unternehmen aufmerksam. Das war drei Monate vor den Präsidentschafts­wahlen in den USA.

      Suche nach den «heissen Daten»

      Das war der Startschuss für Dehayes Netzwerk­arbeit. Während sich die Welt im Frühjahr 2017 ihre Meinung über Trumps angebliche «Bombe» machte, fing für Dehaye die Arbeit erst an. Zu viele Fragen waren für ihn noch ungeklärt. Was genau sammelt der Konzern Facebook über uns? Welche Daten­ströme werden wie miteinander verknüpft? Welche Firmen haben wieso Zugang darauf? Und: Ist das legal?

      «Reverse Engineering» – so heisst Dehayes Recherche­methode. Das Prinzip: Wenn die Plattformen keine Auskunft über ihre Funktions­weise geben wollen, dreht man den Spiess einfach um. Und setzt am anderen Ende der Verwertungs­kette an. Bei sich selber.

      Facebook-Nutzer Paul-Olivier Dehaye verlangt also vom Unternehmen seinen persönlichen digitalen Fuss­abdruck. Anhand dieses Daten­satzes rekonstruiert er die Mechanismen hinter der Plattform. Mit dem Ziel, deren Black­box zu knacken.

      Was zum Teufel sollte diese Werbung?

      Dehaye registrierte sich für den Newsletter von Leave.EU. Es vergingen einige Tage, bis die erste Ausgabe in seinem Postfach landete. Weit unten in der E-Mail sah er eine Werbe­anzeige von GoSkippy, einem Unternehmen der Eldon-Versicherungsgruppe. Dehaye wurde stutzig. Wieso zum Teufel zeigen die Brexit-Anhänger ihm – der in der Schweiz wohnhaft ist – Anzeigen für eine britische Auto­versicherung?

      Dehaye hatte einen Verdacht. Er wusste, dass die Eldon-Gruppe Arron Banks gehört. Und Banks ist kein Unbekannter. Er ist der Christoph Blocher von Gross­britannien. Ein schwer­reicher, konservativer Millionär und Mitgründer der Kampagne Leave.EU.

      Dehayes Vermutung war also: Das Brexit-Lager verwendet denselben Daten­satz wie die Versicherung. Mit anderen Worten: Die Brexit-Befürworter betreiben illegalen Daten­austausch.

      Um seine These zu unter­mauern, spannte Dehaye mit der renommierten Journalistin Carole Cadwalladr zusammen. Er unterstützte sie bei der korrekten Ausformulierung eines subject access request, eines umfassenden Auskunfts­begehrens. Sein Verdacht bestätigte sich: Die Brexit-Kampagne bediente sich der Daten von Eldon-Versicherten. Wer versichert war, erhielt Brexit-Werbung zu Gesicht. Auf allen Plattformen.

      Der Labour-Abgeordnete Ian Lucas, einer der leitenden Köpfe bei der Untersuchung zum Brexit, sagt: «Das Wissen und die Dienste von Paul-Olivier Dehaye sind für uns von unschätzbarem Wert.»

      Doch nicht nur Gross­britannien erhielt dank Dehayes Hartnäckigkeit Klarheit darüber, was da eigentlich während des Brexit-Referendums in der digitalen Sphäre passierte.