»Vielleicht ist dieser Fall ja doch einfacher als gedacht.«
»Das wissen wir aber auch erst dann, wenn wir die Obduktionsergebnisse vorliegen haben. Hat jemand schon etwas gehört?«, gab Sabrina zurück.
»Nö!« Hermann schüttelte den Kopf, der Kriminalhauptkommissar ebenfalls. Sabrina senkte den Blick. »Schon gut«, sagte sie. »Ich hätte ja auch dort anrufen können.«
»Ach, was. Das machen die schon, wenn die Obduktion gelaufen ist.« Ottfried lächelte und zwinkerte Sabrina zu.
»Ja, aber man hätte trotzdem nachfragen können, für wann die Autopsie angesetzt ist. Oder?«
»Sabrina, es ist alles gut. Wir erfahren die Ergebnisse früh genug. Und so viel hat es auch gar nicht mit der Obduktion zu tun, ob der Fall nun schwierig oder einfacher wird. Da spielen ganz andere Faktoren eine Rolle«, versuchte Hermann nun, seine Kollegin zu beruhigen.
»Ja? Welche Faktoren denn?«
»Zeugen, die wir noch nicht haben, zum Beispiel. Ich will jetzt nicht alles nennen. Du wirst es selbst herausfinden. Die Obduktionsergebnisse spielen nur ganz am Rande eine Rolle.«
»Na ja, so überzeugt bin ich jetzt nicht, Hermann. Aber du wirst wohl recht haben, wie ich dich kenne.«
»Eben, du kennst mich. So, wie gehen wir weiter vor?« Hermann schaute in die Runde.
»Ich muss nachdenken. Wir müssen noch einmal über den aktuellen Fall diskutieren. Wir haben noch keine Zeugen. Aber im Moment wäre es wohl wichtiger, die Identität der Leiche zu klären. Wer ist dieser Mann? Wer kennt ihn? Gibt es Vermisstenanzeigen? Das wäre jetzt zu überprüfen«, erklärte Ottfried.
»Gerne.« Hermann nickte, dann schaute er kurz hinüber zu Sabrina, die ihre Aufmerksamkeit wieder voll und ganz dem Papierstapel gewidmet hatte. »Was machst du da? Ist das so spannend?«
»Akten eben«, sagte sie kühl, ohne auch nur einmal den Kopf zu heben.
Hermann und Ottfried setzten sich an ihre Plätze. Beide schienen zu überlegen. Hermann war schließlich derjenige, der das Internet links machte, um irgendetwas über den Toten herauszufinden. Er fand einen Presseartikel über den Fall. »Leute, die Zeitung hat schon berichtet. Soll ich vorlesen?«
»Über den Fall?« Ottfried stutzte. »Die sind ja schneller als die Polizei erlaubt. Ich frage mich gerade, wie die Journalisten an die Informationen kamen. Von mir haben sie es nicht! Na ja, lies schon vor, Hermann.«
Hermann nickte. »Toter auf Pfalzeler Spielesplatz. Pärchen findet Leiche vor dem Vereinslokal in Pfalzel – wer kennt den Toten? Kriminalhauptkommissar Ottfried Braun und seine Kollegen Fass und Zinn stehen vor einem neuen Fall: ein Toter auf dem Spielesplatz. Und wieder ist es Pfalzel. Ein Fluch?
Trier-Pfalzel. In der Nacht zum Sonntag wurde auf dem Spielesplatz vor dem Vereinslokal die Leiche eines jungen Mannes gefunden, dessen Tod ein Rätsel ist. Ein Pärchen hat den Toten gefunden und sich an den Wirt im Vereinslokal gewandt. Dieser alarmierte umgehend die Polizei und einen Rettungswagen. Da die Beamten der Schutzpolizei einen Mord nicht ausschließen konnten, übergaben sie den Fall an die Kriminalpolizei Trier. Das Trio, bestehend aus Kriminalhauptkommissar Ottfried Braun und seinen Kollegen Sabrina Fass und Hermann Zinn, arbeitet jetzt auf Hochtouren, um den neuen Fall aufzuklären. Noch weiß niemand, wie der junge Mann auf den Spielesplatz kommen konnte. Man geht davon aus, dass er unbeobachtet war, als er über den Platz lief und schließlich vor dem Vereinslokal zusammenbrach. Noch in der Nacht wurde der Leichnam in die Gerichtsmedizin Homburg gebracht, wo er alsbald obduziert wird. Weitere Informationen liegen nicht vor.«
»Was schreiben die wieder für einen Blödsinn? So einen Scheiß habe ich lange nicht gehört«, regte Ottfried sich auf.
»Stimmt was nicht?«, fragte Sabrina.
»Nein. Jedenfalls nicht ganz. Von wegen, man geht von dem und dem aus. Noch gehen wir von gar nichts aus. Wir wissen ja praktisch noch nichts.« Ottfried schüttelte den Kopf. »Außerdem sollte die Berichterstattung in Absprache mit der Polizei geschehen. Das haben sie auch nicht beachtet.«
»Ach, so.« Sabrina nickte leicht und widmete sich sofort wieder dem Papierstapel.
»Für mich hört es sich fast so an, als wären uns die Reporter über den Spielesplatz gefolgt, während ich mit dem Kommissar die Anwohner befragt habe. Aber dann wäre der Artikel jetzt noch nicht erschienen«, ergriff Hermann das Wort. Er überflog den Artikel noch ein paar Mal. Wirklich weitergebracht hatte er die drei Polizisten auch wieder nicht.
»Hast du noch etwas gefunden?«, wollte Ottfried nach ein paar Minuten wissen.
»Nein, bisher nicht. Die Identität bleibt ungeklärt. Es scheint auch niemanden zu geben, der den Toten vermisst. Sehr merkwürdig!«
»Das ist echt komisch«, sagte Sabrina. Dabei wirkte sie recht abwesend.
»Was machst du denn da? Hör doch mal mit diesen Akten auf und widme dich bitte unserem vorliegenden Fall: Der Tote auf dem Spielesplatz.« Hermann schüttelte verärgert den Kopf. Er verstand nicht, warum Sabrina die ganze Zeit nur die Akten im Blick hatte. Gab es für sie denn nichts anderes?
»Ich lege sie ja schon weg«, seufzte sie, packte den Blätterstapel und legte ihn ins Regal hinter ihrem Schreibtisch. Dann schaute sie ihre Kollegen der Reihe nach an. »Sagt was!«
Doch Ottfried und Hermann schwiegen.
Kapitel 3
Die Obduktion des jungen Mannes, den Isabel und Stefan auf dem Spielesplatz gefunden hatten, war für denselben Tag angesetzt worden. Daran arbeiteten die Rechtsmediziner nun. Zunächst die äußere Leichenschau, dann folgte später die Innere. Unter Aufsicht eines Polizisten beäugten die Mediziner den Toten gründlich. Sie mussten zunächst die Beweglichkeit der Gelenke und die Totenflecken prüfen. Daran konnten sich erste Zeitfenster, in denen der Mann verstorben war, feststellen lassen. Dies geschah doch recht zügig. Die Männer wussten, dass die Totenstarre im Laufe der weiteren Stunden wieder nachlassen und die Totenflecken irgendwann ganz verschwinden konnten. Noch ließen sich die Gelenke des Mannes kaum bewegen. Die Mediziner schlossen aus den ersten Untersuchungen, dass junge Mann, der da vor ihnen lag, nicht länger als dreizehn bis vierzehn Stunden tot sein konnte.
»Er hat vor 24 Stunden definitiv noch gelebt. Aber wie er zu Tode kam, ist noch ein Rätsel. Keine äußeren Anzeichen«, bemerkte der Assistent des leitenden Mediziners Harald Burg nach weiterer eingehender Untersuchung.
»Das ist klar. Weiteres können wir nur durch die innere Autopsie feststellen. Wir halten jetzt schon einmal fest, dass er durch keinerlei Gewalteinwirkungen ums Leben kam. Es kann entweder nur an den inneren Organen liegen, oder er erlag irgendwelchen inneren Verletzungen, die von außen nicht sichtbar sind. Den Bericht zur äußeren Leichenschau können wir soweit anfertigen«, sagte der Mediziner. Er war ein großgewachsener Mann, etwas kräftig, hatte weißes, volles Haar, keinen Bart und war Brillenträger. Durch die Brille schauten zwei braune Augen auf die Leiche, dann auf den Assistenten.
Der Assistent, Friedrich, nickte langsam. »Jawohl, das mache ich umgehend. Wann wird die innere Obduktion stattfinden?«
»Ich denke, so schnell wie möglich.« Harald schaute den Toten noch einmal an, weil ihm die genaue Bestimmung des Todeszeitpunkts sehr wichtig war. Schließlich sagte er: »Der Herr verstarb gegen 23 Uhr. Nicht früher, und auch nicht später.«
»Dann wissen wir das.« Friedrich nickte.
»Sicher. Wir werden ihn nun zurück ins Kühlfach legen. Die innere Leichenschau wird wahrscheinlich morgen sein.«
»In Ordnung. Ist der Plan denn noch nicht fertig?«
»In Arbeit! Ich sage dir früh genug Bescheid.« Harald lächelte seinen Assistenten an. Dann brachten sie die Leiche zurück ins Kühlfach.
Während der Fall um den toten, noch unbekannten Mann weiterhin rätselhaft schien, waren Isabel und Stefan wieder nach Hause zurückgekehrt.