Das ist schlecht. Wohin ist sie gefahren?«
»Das kann ich Ihnen nicht sagen. Sie wollte lediglich zu ihrem Bruder.«
»Hm, okay. Hat Frau Winter mehrere Brüder?«
»Nein, nur einen. Was ist denn so dringend? Hat sie etwas verbrochen?«, fragte die Frau.
»Nein. Sagen Sie ihr einfach, dass sie sich melden soll, wenn sie wieder zurück ist. Die Nummer wird ja sicher auf dem Display stehen.«
»Gut, ich sage ihr Bescheid. Es kann aber schon zwei Wochen dauern.«
»Das macht nichts. Danke. Wiederhören!« Ottfried legte auf und betrachtete nachdenklich die Tischplatte. Dann schaute er auf. »Sie ist auf dem Weg nach Trier.«
»Das ist ja noch leichter.« Hermann klatschte begeistert in die Hände.
»Pass auf, Herman! Das macht die Sache nicht unbedingt einfacher. Wir können sie nicht erreichen, und Hinweise darauf, wo sie einquartiert sein wird, haben wir auch nicht«, nahm Ottfried seinem Kollegen alle Begeisterung.
»Und was, wenn wir die Hotels abtelefonieren?«, schlug Sabrina vor, der nicht entgangen war, wie enttäuscht Hermann auf einmal wirkte.
»Das wäre zwar eine Möglichkeit, aber du musst bedenken, dass Trier nicht gerade wenige Hotels hat. Wir werden abwarten müssen. Außerdem müssen wir jetzt erst einmal nachforschen, wie genau Tobias Winter zu Tode gekommen ist.« Ottfried schaute Sabrina scharf in die Augen. Bevor er dann jedoch etwas anderes machen konnte, klingelte das Telefon. Blitzschnell nahm er den Hörer in die Hand: »Kommissar Ottfried Braun, Kripo Trier, guten Tag!«
»Die Gerichtsmedizin Homburg, Harald Burg am Apparat«, grüßte der Rechtsmediziner.
»Oh, hallo. Was gibt’s? Erste Erkenntnisse?«
»Ja, nun ja, wir haben heute die äußere Leichenschau vorgenommen. Keine Anzeichen einer äußeren Gewalteinwirkung. Der junge Herr ist gegen 23 Uhr verstorben, so viel steht fest. Die Totenstarre hat sich noch nicht gelöst, auch ließen sich die Totenflecken noch wegdrücken. Ich habe ihn dahingehend gründlich untersucht.«
»Interessant. Aber sonst wisst ihr noch nichts?«
»Nein, die innere Autopsie erfolgt morgen. Ich werde mich direkt danach bei Ihnen melden.« Harald lächelte am Ende der Leitung, was Ottfried natürlich nicht sehen konnte.
»Alles klar, dann wissen wir hier soweit Bescheid. Danke für den Anruf!«
»Gerne.«
»Wiederhören.« Ottfried legte auf und schaute vielsagend in die Runde. »Gestorben gegen 23 Uhr. Keine äußere Gewalteinwirkung. Innere Autopsie erfolgt morgen. Dann wissen wir mehr.«
»Schön, immer noch so schlau wie vor ein paar Minuten«, seufzte Sabrina.
»Aber auch eine Information mehr. Wir wissen, wann er gestorben ist. Also muss er kurz vorher über den Spielesplatz gelaufen sein. Es hat ihn aber niemand beobachtet. Der Anwohner, der zwischen 21 und 22 Uhr kurz vor die Tür getreten war, hat den jungen Mann zu dieser Uhrzeit noch nicht gesehen. Jetzt müssen wir herausfinden, wo er zu dieser späten Stunde herkam, bevor er plötzlich und überraschend verstarb«, gab Ottfried zurück.
»Stimmt. Da ist was dran!« Hermann nickte bestätigend. Dann tippte er auf der Tastatur herum. Er wollte per Internet nachforschen, wo sich Tobias Winter aufgehalten hatte, bevor er über den Spielesplatz gelaufen war. So einfach war die Sache allerdings nicht. Er hatte immerhin keine Ahnung, was er in die Suchleiste eingeben sollte. So tippte er einfach Tobias‘ Namen und betätigte die Enter-Taste. Vielleicht stieß er so auf Neuigkeiten. Hermann suchte und suchte, doch auch diese Spur schien ins Leere zu führen. »Das gibt’s doch nicht«, lachte er dann. »Man findet nichts heraus.«
»Hm. Wonach wolltest du suchen?« Sabrina schaute ihren Kollegen fragend an.
»Na ja, ich hatte gedacht, man könnte über das Internet rauskriegen, wo Tobias Winter kurz vor seinem Tod noch gewesen war. Dann hätte man da noch einige Leute befragen können. Aber … es will ihn ja wirklich niemand gesehen haben. Nur dieses Pärchen da, das zufällig über den Spielesplatz kam. Aber da war der junge Mann ja schon tot.« Hermann dachte angestrengt nach. Es wollte ihm einfach nichts einfallen. Seine Kollegen konnten ihm auch nicht weiterhelfen. Sie waren genauso ratlos wie er. Doch auch sie dachten nach. Dann war es Sabrina wieder, die das Schweigen brach. »Man sollte erst einmal die Obduktionsergebnisse abwarten. Vielleicht bringt uns das ja eher weiter.«
»Ja, du wirst recht haben. Wie immer!« Hermann zwinkerte ihr zu. Dann schaute er hinüber zu Ottfried. Dieser zuckte lediglich die Schultern. Er wusste nicht, was er sagen sollte. Genauso schaute er Sabrina und Hermann auch an. Die beiden verstanden. Sie ahnten, dass sie den Rest des Tages mit Rätselraten verbringen würden.
Isabel und Stefan blieben nicht länger im Wohnzimmer. Sie mussten noch einmal raus, und diesmal nutzten sie das Auto. Die beiden wollten nach Trier in die Stadt fahren, um bei einem kurzen Bummel und einem Kaffee wieder auf andere Gedanken zu kommen. Auf dem Weg in die Innenstadt gerieten sie in einen kurzen Stau. Die Ampelanlage an der Hochbrücke Ehrang war fast immer für so etwas zu haben. Zu dieser Zeit allerdings wunderlich. Es war doch noch keine Zeit für den Feierabendverkehr. Außerdem war Sonntag. Stefan stöhnte, als er auf die Bremse trat. »Kann auch nicht sein«, jammerte er.
»Hm, vielleicht wollen die alle zur Pfalzeler Kirmes. Kann doch sein«, gab Isabel schulterzuckend zurück.
»Na, ich weiß nicht. Wollen die meisten nicht abends dahin?« Stefan schüttelte den Kopf. Er musste aber zugeben, dass das Verkehrsaufkommen gerade ziemlich hoch war. Etwa zehn Minuten ging es recht schleppend voran. Dann rollte es wieder. Den Rest des Weges kamen Isabel und Stefan schnell durch bis Trier. An der Ausfahrt Pfalzel bestätigte sich Isabels Vermutung. Viele Autofahrer bogen dort ab. »Ich glaube, ich weiß, was Sache ist«, behauptete sie. »Heute gibt’s Programm von Kindergarten und Schule. Das wollen immer viele sehen.«
»Na, du kennst dich ja aus.« Stefan musste schmunzeln. Isabel hatte ja recht. Bevor sich die beiden vor einigen Jahren kennengelernt hatten, hatte Isabel zwei bis drei Jahre in Pfalzel gewohnt, und hatte immer mitbekommen, wie viel am Wochenende auf der jährlichen Pfalzeler Kirmes los war, seit es sie gab. Dieses Jahr war es das fünfte Mal.
»Wir kennen uns ja noch nicht so lange, oder?«, fragte Stefan plötzlich. Mittlerweile hatten sie die Kaiser-Wilhelm-Brücke erreicht.
»Warum fragst du?«
»Na ja, wenn es dieses Jahr das fünfte Oktoberfest in Pfalzel ist … Du hast doch die ersten Jahre dort miterlebt, als du noch in Pfalzel gewohnt hast.«
»Stimmt, jetzt verstehe ich es. Wir hatten uns sogar genau da kennengelernt. Erinnerst du dich?« Isabel begann allmählich in Erinnerungen zu schwelgen.
»Echt? War das nicht mal im Urlaub?«
»Weiß nicht. Kann sein, dass wir uns da wieder getroffen hatten. Da hat‘s dann gefunkt. Als es wäre es gestern gewesen. Die Zeit vergeht so schnell.«
»Du hast recht, Isa.« Stefan lächelte. Gerade lenkte er das Auto ins Parkhaus am Kaufhof. Das war hin und wieder das einzige zentrale Parkhaus, in dem man am Wochenende noch Plätze fand.
»Was wollen eigentlich die Menschen sonntags in Trier? Es hat doch gar kein Geschäft geöffnet?«, wunderte sich Isabel, nachdem die beiden endlich aus dem Auto gestiegen waren. Im Parkhaus selbst war es nicht leicht gewesen, einen freien Parkplatz zu finden. Erst in einer der oberen Parkebenen waren sie fündig geworden.
»Ich nehme an, sie wollen ins Café, und ähnlich wie wir durch die Stadt schlendern. Das kann man ja auch, wenn die Geschäfte geschlossen sind«, sagte Stefan, während die beiden auf dem Weg zum Ausgang waren.
»Das kann sein. Oder … es findet zusätzlich noch eine Veranstaltung in der City statt. Da kann alles möglich sein.«
»Ja, vielleicht.«
Stefan und Isabel legten den Rest des