Richard A. Huthmacher

„… Gesetz und Freiheit ohne Gewalt“: „Die höchste Form der Ordnung“


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versammel[ten] sich die ´Weißen´-Regierungstruppen und -Freicorps – und beg[a]nnen, die Stadt einzukesseln. Bei Dachau schlägt die Bayerische Rote Armee die ´Weißen Truppen´, drängt sie vorläufig zurück und besetzt einige Tage später Freising und Rosenheim. Freicorps und von Reichswehrminister Gustav Noske (SPD) entsandte Reichstruppen drangen schließlich am 1. Mai mit Panzern in München ein und brachen äußerst brutal den Widerstand der kämpfenden ArbeiterInnen. Es begann der ´Weiße Terror´, der über 1000 Männer und Frauen das Leben kostete. Landauer wurde festgenommen und von einer Soldatenmeute ermordet“ (Revolution der Räte [Bayern], https://www.anarchismus.at/geschichte-des-anarchismus/deutschland/6924-revolution-der-raete, abgerufen am 08.10.2019).

       Ausführungen zu Fußnote 53:

      Das Rätesystem (der Münchner Räterepublik) kam (in den wenigen Tagen seiner Existenz) der Vorstellung von Anarchismus bereits recht nahe:

      „´Räte sind im eigentlichen Sinne nichts anderes als die Vereinigung Gleichberechtigter zur Beratung ihrer eigenen gemeinsamen Angelegenheiten.´ Dieser Satz Erich Mühsams von 1930 gibt die Richtung vor, in der ein emanzipatorisches, auf dem Rätegedanken gründendes Modell zu denken ist: Die Versammlung der ihr tägliches Leben ohne den Zwang von Institutionen organisierenden Einzelnen. In den Räten schließt sich die städtische und ländliche arbeitende Bevölkerung zur unmittelbaren Ausübung der Verwaltungsfunktionen zusammen; die Verwaltung des Gemeinwesens kann niemals eine staatliche sein. Zweck ist die Ersetzung der staatlich organisierten gesellschaftlichen Leitung durch Bündnis und Zusammenschluss der Arbeitenden zur eigenständigen Regelung von Arbeit, Verteilung und Verbrauch.

      Alles öffentliche Leben geht von den Gemeinden aus. Diese starke föderative Gewichtung ist entscheidend für Mühsams Konzeption eines Rätesystems, denn er sah den Grund für eine ausgebliebene erfolgreiche Überwindung des warenproduzierenden Systems im verbreiteten ´Glaube[n] an das Heil der Zentralgewalt, der seine Verkünder zwangsläufig zu der Auffassung führt, dass nur sie sie ausüben dürfen´, der wiederum zu Widerstand im Rest der Bewegung führt.

      Mühsam stand das schlechte Beispiel der Sowjetunion vor Augen, die auf die Losung ´Alle Macht den Räten´ hin einen autoritär-bürokratischen Staatsapparat errichtet hatte, dem die Räte als ergebene Organe angegliedert waren und der schließlich in den proletarischen Bonapartismus eines Josef Stalin mündete.

      Unter der Errichtung einer ´echten´ Räterepublik hingegen verstand Mühsam mit Bakunin ´die vollständige Liquidation des politischen, juristischen, finanziellen und verwaltenden Staates, den öffentlichen und privaten Bankrott, die Auflösung aller Macht, Dienste, Funktionen und Gewalten des Staates …, [die Aufstellung] einer absolut negativ gearteten Charta, die ... festsetzt, was für immer abgeschafft werden muss …, ferner die Organisation einer gemeinsamen Verteidigung gegen die Feinde der Revolution´.“ (Hesse, Patrick: Die Münchner Räterepubliken: Soziale Revolte oder politisches Emanzipationsprojekt? Https://www.anarchismus.at/geschichte-des-anarchismus/deutschland/6904-die-muenchner-raeterepubliken, abgerufen am 08.10.2019; eig. Hervorhbg.)

       Ausführungen zu Fußnote 55:

      Étienne de La Boëtie: Von der freiwilligen Knechtschaft des Menschen. Projekt Gutenberg, https://gutenberg.spiegel.de/buch/von-der-freiwilligen-knechtschaft-des-menschen-5225/1, abgerufen am 08.10.2019: Kapitel 1: Vorbemerkung des Übersetzers:

      „Étienne de La Boëtie hat von 1530 bis 1563 gelebt; die vorliegende Schrift ist vor dem Jahr 1550 von ihm verfaßt worden, vor mehr als 360 Jahren also. Sie kursierte schon bei Lebzeiten des jungen Verfassers, der in seiner Verborgenheit blieb, in Abschriften; eine solche Abschrift kam in die Hände Michel Montaignes, der darum seine Bekanntschaft suchte und sein Freund wurde. Den revolutionären Republikanern, die in den nächsten Jahrzehnten in England, den Niederlanden und Frankreich gegen den Absolutismus kämpften und die man die Monarchomachen nennt, muß die Schrift wohl bekannt gewesen sein. Aus dem Kreise dieser französischen Revolutionäre des 16. Jahrhunderts heraus ist sie auch zuerst gedruckt worden – gegen Montaignes Willen, dessen widerspruchsvolle Äußerungen auf seine behutsame Vorsicht zurückzuführen sind.

      Diese Herausgeber gaben der Schrift den treffenden Namen ´Le Contr´un´, der sich nicht ins Deutsche übersetzen läßt; den Sinn würde wiedergeben die Fremdwörterübersetzung: Der Anti-Monos, wobei unter Monos eben der Eine, der Monarch zu verstehen wäre, als dessen grundsätzlicher Gegner der Verfasser auftritt. Später ist die Abhandlung dann doch von den Herausgebern von Montaignes Essais anhangsweise dem Essai über die Freundschaft, der zu großem Teil Etienne de la Boëtie gewidmet ist, beigegeben, aber immer nur als eine Art literarisches Kuriosum betrachtet worden, bis in der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts Lameunais die politische Bedeutsamkeit der grundlegenden Schrift erkannte.

      Näheres über den Zusammenhang, in den diese einzige Erscheinung gehört, habe ich in meinem Buche ´Die Revolution´ gesagt.

      Gustav Landauer.“

       Ausführungen zu Fußnote 58:

      Laska, B. A.: John Henry Mackays Stirner-Archiv in Moskau. Der Einzige. Zeitschrift des Max-Stirner-Archivs, Nr. 7, August 1999, S. 3-9:

      „John Henry Mackay (1864-1933), der deutsche Dichter mit dem urschottischen Namen, zählte in den späten 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts zusammen mit seinem Freund Hermann Conradi zu den radikalsten unter den jungen, rebellischen Schriftstellern, die sich Realisten oder Naturalisten nannten.

      Diese waren die ersten, die nach der langen Periode der Restauration nach 1848 wieder an die jungdeutschen und linkshegelianischen Dichter und Denker der vormärzlichen Zeit anknüpften. Max Stirner (1806-1856) allerdings, dessen 1845 (1844) erschienenes Buch ´Der Einzige und sein Eigentum´ 1882 neu aufgelegt wurde, scheint auch diesen Radikalen zu ´radikal´ gewesen zu sein, denn keiner von ihnen nahm direkt auf ihn Bezug.

      Auch John Henry Mackay, der spätere Biograph Stirners, zeigt in seinem Gedichtband ´Sturm´ (1888), der ihn schlagartig als ´Sänger der Anarchie´ berühmt machte, noch keine deutlichen Spuren eines Einflusses von Stirner. Erst kurz danach, nach seinem Bruch mit jenen Dichterfreunden, wagte Mackay sein öffentliches Auftreten als Stirnerianer. Noch im Jahre 1888 beschloss er, Stirners Biograph zu werden, und als sein ´Sturm´ bereits 1890 in die 2. Auflage ging, stellte er an dessen Anfang ein neues, geradezu hymnisches Gedicht – ´An Max Stirner´.“

       Ausführungen zu Fußnote 59:

      Meine Frau schrieb mir in diesem Zusammenhang:

      Liebster!

      Ich habe zu Tucker und Mackay und zu deren Beziehung („Eine lebenslange Freundschaft verband Mackay mit Benjamin R. Tucker [1854-1939], dem er 1920 ´Der Freiheitsucher´ widmete“), ich habe zu Tucker und Mackay ein hoch interessantes kleines Buch gefunden (Hubert Kennedy: Anarchist der Liebe. John Henry Mackay als Sagitta. Edition AurorA, Berlin, 1988).

      Dort ist wie folgt zu lesen (S. 4 f.):

      „´Ich war SAGITTTA´

      Ich bin der Pfeil, der von der Sonne springt,

      Und durch die Nacht der Zeiten schwirrend singt –

      Muth hier, dort Trost, und Allen Heilung bringt:

      Heil, wenn ihm Heilung ohne Tod gelingt!

      SAGITTA bin ich! –

      Wisse: bin der Pfeil,

      der tötet oder heilt ...

      Steh! – oder – enteil’!

      Nach einer 19monatigen Gerichtsverhandlung machte am 6. Oktober 1909 der deutsche Staat die erste planmäßige, autonome Kampagne der Neuzeit zunichte, die um öffentliches Verständnis für die Liebe zwischen Männern und Knaben warb. Drei Werke, die unter dem Pseudonym Sagitta erschienen waren, wurden zu ´unzüchtigen Schriften´ erklärt, und man ordnete ihre Einstampfung an, obwohl einer der besten Anwälte Deutschlands als Verteidiger fungierte und Experten ersten Ranges ihre Ehrbarkeit und ihren künstlerischen Wert bezeugten.