Chef veranlasste, dass man das Haus rund um die Uhr bewachte. Ermittlergruppen befragten noch einmal die Leute der Umgebung.
Adam Krawczyk setzte alles daran, jeder Spur nachzugehen. Die Kriminaltechniker untersuchten die gesamte Wohnung nach Spuren. Dabei fanden sie den Schlüssel für den Panzerschrank. Dieser steckte im Hohlraum einer Skulptur von Stalin, die auf dem Schreibtisch von Tadeusz Klimek stand und bei der ersten Durchsuchung übersehen wurde.
Der Einbrecher hatte alle Räume durchsucht. Offenbar ging es ihm nicht um Wertsachen, denn eine goldene Uhr, Schmuck und antiquarische Gegenstände hatte er nicht mitgenommen. Demgegenüber hatte er Schubfächer mit Unterlagen herausgerissen und den Inhalt auf dem Boden zerstreut. Selbst Bilder hatte er abgenommen. Die Situation ließ nur den Schluss zu, dass es ihm um Dokumente ging. Am Panzerschrank fanden sich Spuren von Einbruchswerkzeugen. Hier war er aber erfolglos geblieben.
Ein einziger fremder Fingerabdruck wurde gesichert. Er stammte von einem Bilderrahmen aus dem Zimmer der Jadwiga Klimek. Das Bild war aus dem Rahmen entfernt worden. Die Verriegelung auf der Rückseite war so gestaltet, dass der Täter gezwungen war, die Federn mit bloßen Fingern zur Seite zu schieben. Und trotz intensiver Suche fand sich kein Bild, das in den Rahmen passte. Also hatte er es mitgenommen.
Krawczyk nahm sich vor, Alina Klimek nach dem Bild zu fragen. Der Chef machte Druck und wollte Ergebnisse sehen. Doch sie hatten nur zwei Fingerspuren und ein fehlendes Bild. Es gab keine Zeugen.
Ein wenig Hoffnung verband er mit dem Inhalt des Panzerschranks. Doch der Inhalt war enttäuschend: Orden, Urkunden und persönliche Sachen von Tadeusz Klimek. Es gab noch einige Briefe. Diese betrafen aber Alina Klimek. Krawczyk legte alles wieder sorgfältig in den Schrank, verschloss ihn und steckte den Schlüssel ein. Er wollte nicht, dass die junge Frau, die sich so rührend um seinen Kollegen kümmerte, in die Untersuchungen hineingezogen wurde.
Mazur ging es nach einer Woche merklich besser. Er trug zwar einen Verband um den Kopf, der an einen Turban erinnerte, doch die Kopfschmerzen waren fast weg. Die Besuche seiner Mutter und von Alina taten ihm gut. Als er einmal mit seiner Mutter allein im Zimmer war, hatte sie ihn gefragt, warum er nichts von ihr erzählt hatte. Er war wie ein kleiner Junge rot geworden und hatte nur herumgestottert. Sie hatte dann gelacht und auf eine Antwort verzichtet.
Wenn Alina kam, war es ihm immer etwas peinlich, im Bett zu liegen. Er wusste nicht, wie er mit ihr über seine Gefühle sprechen sollte. Doch er war sich sicher, dass es nicht nur Mitgefühl war. Seine Mutter verhielt sich völlig anders. Sie sprach mit ihr, als ob sie sich schon ein Leben lang kannten.
„Du musst ihr sagen, dass du in sie verliebt bist“
Sie hatte gut reden. Er nahm sich vor, am Freitag mit Alina zu sprechen, wenn er aus dem Krankenhaus entlassen wurde.
Adam Krawczyk hatte ihn mehrfach besucht, aber stets herumgedruckst, wenn Mazur nach dem Stand der Ermittlungen gefragt hatte. Schließlich räumte er ein, dass sie keinen Schritt weitergekommen waren. Als Alina bei einem Besuch anwesend war, hatte er nach dem leeren Bilderrahmen aus Jadwigas Zimmer gefragt. Sie sagte, dass es ein Kinderbild von ihr mit Jadwiga gewesen sei.
Krawczyk hatte ihr den Schlüssel von dem Panzerschrank gegeben. Sie war ganz in sich gekehrt. Als Adam gegangen war, meinte Alina nur, dass sie nicht allein in die Wohnung gehen würde.
Bei der Abschlussvisite sagte ihm der behandelnde Arzt, dass er zunächst für einen Monat krankgeschrieben sei, um sich zu erholen. Er solle es ernst nehmen. Mazur hörte nicht zu, denn er wollte so schnell wie möglich raus. Am Eingang stand Alina mit Krawczyk. Er hatte den „Wolga“ vom Chef bekommen, um ihn nach Hause zu fahren. Dort würde seine Mutter mit dem Essen warten. Als er vorne einsteigen wollte, bestand Adam darauf, dass beide hinten sitzen. Etwas linkisch setzte sich Andrzej mit Alina auf die breite Rückbank. Der Wagen fuhr los.
Sie rutschte zu ihm heran und legte den Arm um seine Schulter.
„Ich halte dich lieber fest.“
Er drehte sich zu ihr, nahm seinen ganzen Mut zusammen, öffnete den Mund und hörte sich sagen: „Ich liebe dich.“
Sie lachte: „Ich weiß.“
Er strich zärtlich über ihr Gesicht und schob eine Strähne zur Seite. Sie schlossen ihre Augen und küssten sich. Adam sah in den Rückspiegel und grinste.
„Alles klar da hinten?“
Die beiden fühlten sich ertappt. Mazur gab Krawczyk einen Klaps auf die Glatze. „Schau nach vorn, sonst bringst du uns noch um!“
Seine Mutter hatte sich alle Mühe gegeben. Es gab Bigos und Vanillepudding mit Sauerkirschen zum Nachtisch. Mazur war glücklich.
Die Stimmung trübte sich erst, als das Gespräch auf die anstehenden Beisetzungen kam. Nach der Freigabe der Leichen hatte sich Sofia um die Formalitäten gekümmert. Sie kannte sich aus, da sie beim Tod ihres Mannes auch alles allein erledigt hatte. Andrzej war froh, dass seine Mutter sich so engagierte. Sie hatte die junge Frau gern und zeigte es auch. Seit Jahren hatte er sie nicht so erlebt.
Es war eher ein Zufall, dass Mazur seine Lederjacke anzog. Mutter hatte ihm strikt verboten, mit dem Motorrad zu fahren. Er wollte aber Alina nur bis zur Bushaltestelle begleiten. Als er in die Tasche griff, hatte er mit einem Mal einen Zettel in der Hand. Er holte ihn heraus.
„Hanka Wrobel, Zakopane“, las er vor und versuchte, sich zu erinnern.
Alina sah ihn an: „Hanka kenne ich. Sie hat auf mich aufgepasst, als ich noch klein war. Was ist mit ihr?“
„Oh. Das hatte ich ganz vergessen. Wir hatten nach Zeugen gesucht, die mit Jadwiga schon vor dem Krieg gearbeitet hatten. Ein Kollege hatte mir den Zettel gegeben und ich wollte ihn dir geben, als ich …“
Er stockte, fing an zu zittern. Sie nahm ihn in den Arm. Plötzlich kam in ihm alles wieder hoch.
„Soll ich dich wieder nach oben bringen? … Ich kann auch später fahren.“
Andrzej fürchtete, zusammenzubrechen. Alles um ihn herum wurde schwarz. Sie nahm ihn in den Arm und schob ihn die Treppen zur Wohnung hinauf. Gemeinsam mit seiner Mutter brachten sie ihn ins Bett. Der Arzt hatte gesagt, dass er sich schonen sollte. Alina blieb noch eine Weile. Bevor sie sich schließlich auf den Weg machte, sah sie nach Andrzej. Er schlief tief und fest, daher schloss sie leise die Tür, versprach aber, am Nachmittag wieder vorbeizusehen.
Alina hatte für ihr Projekt einen Abschlussbericht vorzubereiten, doch ihr Kopf war wie leergefegt. Sie gab auf und schrieb Hanka Wrobel einen langen Brief.
3. Kapitel
In der Lobby eines Hotels sah ein dicker Mann die lokalen und überregionalen Zeitungen durch. Seine Unterkunft war ihm zu primitiv, daher hatte er sich hierher verzogen, um zu frühstücken. Wohlwollend stellte er fest, dass die Presse es nicht für nötig gehalten hat, sein Bild zu drucken. In einem der Blätter fand er eine Todesanzeige: „Unvergessen: Jadwiga Klimek und Tadeusz Klimek“. Es folgten die Lebensdaten. Als Hinterbliebene war lediglich „Alina Klimek“ aufgeführt. Beisetzungstermin war der kommende Dienstag.
Er brauchte Klarheit. Wenn er nicht für die nächsten Jahre in Angst und Schrecken leben wollte, musste er die Chance nutzen. Der Einbruch in die Wohnung von Jadwiga hatte kaum etwas gebracht. Ein altes Foto, das Jadwiga mit einem Mädchen zeigte, war alles. Es war dumm, sich diesem Risiko auszusetzen. Wäre der Polizist nicht allein gewesen, säße er jetzt im Gefängnis. Der Besuch der Beisetzung erschien ihm ungefährlich. Es war unwahrscheinlich, dass ihn jemand kannte.
Wenn Eva noch leben würde, hätte man sie in der Anzeige genannt. Die Frau, die er als Eva wahrgenommen hatte, könnte deren Tochter sein. Sie hatte eine verblüffende Ähnlichkeit mit ihr. Doch was wusste sie? Die letzte Sicherheit fehlte ihm.
Er hoffte, dass bei der Totenfeier über Eva gesprochen wurde, da sie ja immerhin die Tochter von Klimek war. Danach würde er sich beruhigt in den Zug setzen oder weitere Schritte überlegen.
Er öffnete die Aktentasche. Seine Aufgabe in Krakau hatte er vollständig erfüllt. Die Liste war