Jürgen Herres

Friedrich Engels


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werden musste.

      Der in der Praxis zunehmend reformistische Charakter der österreichischen Sozialdemokratie vor dem Weltkrieg äußerte sich vor allem in der wachsenden organisatorischen Stärke der Gewerkschaftsbewegung, die für große Gruppen von Arbeitnehmern fühlbare Verbesserungen ihres Lebensstandards und ihrer sozialen Lage durchsetzen konnte. In der Sphäre der Politik machte sich die Sozialdemokratische Partei die Erhaltung der Habsburgermonarchie durch demokratische Reformen, zu denen dieser traditionalistisch geprägte Staatsverband allerdings nicht mehr fähig war, zu einem ihrer zentralen Anliegen. Sie trat der von den Repräsentanten nationalistischer Parteigruppierungen betriebenen „Obstruktionspolitik“ im Reichsrat entgegen, der seit 1911 das Parlament lahmlegte, freilich ohne Erfolg.

      In der extrem schwierigen Übergangsphase vom Großstaat der Habsburgermonarchie zum „Reststaat“ der Republik (Deutsch-)Österreich fand sich die Sozialdemokratie plötzlich im Besitz der politischen Macht, allerdings geteilt mit den bürgerlichen Parteien. Mit einer reformistisch-anti-revolutionären Politik erzielte die Partei in dieser Zeit ihre größten Erfolge durch eine breite Welle sozialpolitischer Reformen. Reformistisch konzipiert war auch das Sozialisierungsprogramm der Partei, das nicht nur am Widerstand der bürgerlichen Parteien scheiterte.

      Die Regierungsbeteiligung der Sozialdemokratie in Österreich war nach zwei Jahren – die von Otto Bauer als eine Periode des „Gleichgewichts der Klassenkräfte“ bezeichnet wurde – wieder zu Ende. Danach verfolgte die Partei eine politische Strategie des „revolutionären Reformismus“, von Bauer intendiert als Fortsetzung des Klassenkampfes mit demokratischen Mitteln zur Erreichung des revolutionären Endziels.

      Eine zeitweilige Renaissance erlebte die Theorie der finalen Krise des Kapitalismus durch die Große Depression der 30er Jahre. Tatsächlich war es aber nicht die sozialistische Alternative, welche durch die Wirtschaftsdepression politischen Auftrieb erhielt, sondern der Faschismus, der auch in Österreich den sozialdemokratischen Hoffnungen ein gewaltsames Ende bereitete.

      Im Unterschied zu Bauer hatte Karl Renner schon während des Ersten Weltkriegs ein Lassal leanisches Modell des Staatssozialismus konzipiert, das auf den langfristigen Ausbau eines „demokratischen Wirtschaftsstaates“ ausgerichtet war.87 Das Wort „Klassenkampf“ behielt Renner zwar bei, gab ihm aber eine andere, nicht-revolutionäre Bedeutung im Sinne eines permanenten Interessenkonflikts zwischen Arbeit und Kapital, der im rechtlichen Rahmen mit rechtlichen Mitteln durch Verhandlungen ausgetragen wird. Ob diese Konzeption angesichts der tiefgehenden Feindschaft maßgeblicher Teile des Bürgertums in der ersten österreichischen Republik eine Chance gehabt hätte, erscheint höchst zweifelhaft. 1945 wurde Renner zum Neugründer der „2. Republik“, seine Konzeption zu deren inoffizieller Staatsphilosophie.

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      Guiseppe Pellizza da Volpedo, Der Vierte Stand, 1901.

      In einem Punkt seiner politischen Strategie sollte Engels für Österreich Recht behalten. Er warnte die Sozialdemokraten entschieden davor, mit dem Gedanken einer bewaffneten Rebellion zu spielen, die beim fortgeschrittenen Stand der Kriegstechnik mit einer Niederlage der Aufständischen enden und die Bewegung um Jahrzehnte zurückwerfen würde. Die deutschen Sozialdemokraten warnte er, sich von der Reaktion zur Rebellion oder auch nur zu einer Rhetorik der Gewaltbereitschaft provozieren zu lassen. Es war eine provokative Aktion der faschistischen Heimwehr, welche im Februar 1934 einen bewaffneten Aufstand des Republikanischen Schutzbundes auslöste, die mit einer katastrophalen Niederlage endete und der christlich-sozialen Regierung den seit längerem schon gesuchten Anlass bot, Österreich in einen autoritären Ständestaat umzuwandeln.

      VON JAMES WATT BIS NIKOLAUS OTTO

      Von der Dampfmaschine zum Verbrennungsmotor

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      James Watt (1736–1819), um 1775, Erfinder der ersten anwendungsreifen Dampfmaschine. Seine praktischen Verbesserungen wie der Balancier, die Kraftübetragung mittels Pleuel auf ein Schwungrad, der separate Dampfkessel und das Parallelogramm zur Senkrechthaltung der Kolbenstange ersetzten die ältere Konstruktion von Thomas Newcomen. Hinzu kamen 1782 die push and pull Technik der Zylinderbefüllung, 1788 der Fliehkraftregler und 1790 das Überdruckventil. Mit seinen Verbesserungen sorgte er dafür, dass die Energieeffizienz einer Dampfmaschine (ca. 4,5 %) in so weit gesteigert werden konnte, dass ihr Einsatz für den Antrieb von Maschinen – zumeist subsidiär zur Wasserkraft – rentabel wurde.

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      Konstruktionszeichnung (Schnitt) einer Dampfmaschine nach James Watt zum Betrieb einer Pumpe, um 1790.

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      Matthew Boulton (1728–1809), ca. 1795. Der englische Unternehmer war Geschäftspartner von James Watt. Die Firma Boulton & Watt war 1775 mit dem Ziel gegründet worden, verbesserte Versionen von Dampfmaschinen zu bauen und auf den Markt zu bringen. Zur Fabrik in Smethwick bei Birmingham (England) gehörte die Soho Foundry, um die nötigen Eisenqualitäten selbst herstellen zu können.

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      Doppelt wirkende Dampfmaschine mit Fliehkraftregler und Parallelogramm, gebaut von Boulton & Watt 1787–1800.

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      Compound Dampfmaschine von Arthur Woolf mit einer erhöhten Energieeffizienz von 7,5 %. Die Firma Woolf & Edwards baute ab 1815 in Chaillot für den kontinentaleuropäischen Markt.

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      Liegende Dampfmaschine nach Taylor, um 1828. Bereits Henry Maudslay hatte sich mit der Konstruktion liegender Zylinder befasst, um Dampfmaschinen für den Einbau in Lokomotiven tauglich zu machen und den Wirkungsgrad durch Gewichtsreduktion der beweglichen Teile zu erhöhen. Erst mit der Lösung des Dichtungsproblems zwischen Kolbenring und Zylinderbohrung war der Weg frei für diesen universell einsetzbaren und zuver lässigen Maschinentyp, der bis zum Ende des 19. Jahrhunderts ein weit verbrei teter Klassiker in der indus triellen Anwendung war.

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      Maudslay’s Tischdampfmaschine von Maudslay Sons & Field, 1838. Bereits 1807 hatte Henry Maudslay eine Dampfmaschine mit oszillierendem Zylinder konstruiert, der den schweren Balancier ersetzte. Ab 1820 wurden kleinere Antriebsmaschinen gebaut, die gut in bestehenden Werkstätten unterzubringen waren. Allerdings waren sie aufgrund ihrer hohen Umdrehungszahl anfällig für Defekte und wurden um 1850 wieder abgelöst.

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      Tischdampfmaschine von Henry Maudslay (Patent 1807). Über dem senkrechten Zylinder befinden sich die Gleitbahnen, die das Querhaupt der Kolbenstange führen. Über zwei Schubstangen wird die Kraft auf die am Fuß des Tisches liegende Kurbelwelle übertragen. Sie treibt auch die Luftpumpe für den Kondensator und die Wasserpumpe an. Der Gewichts-Drosselregler hat eine dreifach gestufte Riemenscheibe mit einer Gegenscheibe auf der Kurbelwelle. Mit Hilfe einer Riemenausrückung können drei Drehgeschwindigkeiten eingestellt werden. Die Konstruktion verzichtet auf den Balancier und ist daher platzsparend. Zudem sind die bewegten Massen geringer als bei der Watt’schen Dampf maschine; dies ermöglicht höhere Drehzahlen bei geringerem Verschleiß.

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      Tischdampfmaschine des Schweizer Ingenieurs