1.6 Grundlegende Beziehungen
Verschiebungen (lineare Stabtheorie)
Wie bei Stäben allgemein üblich sind y und z die Hauptachsen des Querschnitts und ω ist die normierte Wölbordinate, [12]. Die Längsverschiebung uS bezieht sich auf den Schwerpunkt S und die Verschiebungen vM sowie wM beschreiben die Verschiebung des Schubmittelpunktes M. Für die Stablängsverschiebung u eines beliebigen Querschnittspunktes gilt folgende Beziehung:
Der erste Anteil ist die Verschiebung infolge einer Normalkraftbeanspruchung, der zweite und dritte resultiert aus den Biegemomenten und stellt die Verschiebung aufgrund von Querschnittsverdrehungen φy und φz dar. Dabei können mit Gl. (1.1) nur Verschiebungen erfasst werden, bei denen der Querschnitt eben bleibt. Der vierte Anteil erfasst die Stablängsverschiebung aus Torsionsbeanspruchungen in Abhängigkeit von der Verdrillung ψ. Bild 1.12 veranschaulicht die mit Gl. (1.1) verbundenen Verformungen u des Querschnitts für positive Größen φy, φz und ψ.
Bild 1.12 Längsverschiebung u eines Punktes P infolge zweiachsiger Biegung und Torsion
Die Verformungen v und w in der Querschnittsebene ergeben sich aus der Verschiebung des Schubmittelpunktes M sowie aus zusätzlichen Verschiebungsanteilen, die aus der Verdrehung ϑ resultieren, s. Bild 1.13:
(1.2)
Bild 1.13 Verschiebungen v und w eines Punktes P
Verzerrungen (lineare Stabtheorie)
Die Verzerrungen werden durch geometrische Beziehungen mit den Verschiebungsgrößen verknüpft. Nach [12] gelten für die lineare Stabtheorie die nachstehenden Beziehungen, wobei für die Verschiebungen die Gln. (1.1) bis (1.3) berücksichtigt werden. Außerdem gilt wegen der Vernachlässigung sekundärer Schubverformungen
(1.4b)
(1.4c)
(1.4d)
(1.4e)
(1.4f)
Werkstoffgesetz und Spannungen
Mit dem Werkstoffgesetz wird der Zusammenhang zwischen Spannungen und Verzerrungen beschrieben. Unter Vernachlässigung der Querdehnungen ergeben sich mit dem Hookeschen Gesetz, also dem Materialgesetz für isotropes, linearelastisches Werkstoffverhalten, und den Verzerrungen der Gln. (1.4) folgende Spannungen:
(1.5)
(1.6)
(1.7)
Schnittgrößen
Die Spannungen können zu resultierenden Schnittgrößen zusammengefasst werden. Dabei ist zu beachten, dass die Normalkraft und die Biegemomente im Schwerpunkt angreifen, während die Querkräfte, die Torsionsmomente und das Wölbbimoment im Schubmittelpunkt wirken, vgl. Bild 1.8.
Tabelle 1.4 Schnittgrößen als Resultierende der Spannungen
Aufteilung der linearen Theorie schubstarrer Stäbe in vier Teilprobleme
In Tabelle 1.5 sind vier Teilprobleme ‒ zweiachsige Biegung mit Normalkraft und Wölbkrafttorsion ‒ der linearen Theorie schubstarrer Stäbe zusammengestellt. Die Tabelle enthält eine Zuordnung der Lastgrößen, Verformungen und Schnittgrößen sowie Angaben zum Gleichgewicht am Stabelement und zur Normalspannung σx.
Tabelle 1.5 Aufteilung der linearen Stabtheorie nach [12]
1.7 Linearisierung
Wie im Abschnitt 1.4 erläutert, wird das Gleichgewicht bei geometrisch nichtlinearen Berechnungen am verformten System formuliert. Dabei entstehen für die Beschreibung von Verformungen und den damit zusammenhängenden Verzerrungen nichtlineare Beziehungen in Form von trigonometrischen Funktionen. Allgemein lassen sich diese nach [4] durch folgende Reihen entwickeln, was beispielhaft an einer Verdrehung φ veranschaulicht wird:
(1.8)
Bei der Theorie II. Ordnung werden die auftretenden geometrischen (trigonometrischen) Beziehungen zur Beschreibung der Verformungen linearisiert, so dass die Theorie damit ein Gleichgewicht am „schwach“ verformten System widerspiegelt, s. Tabelle