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* Weitere Werte im Tabellenteil am Ende des Buches.
Übung 2-4
Bei sehr niedrigen Temperaturen ist die Wärmekapazität von Feststoffen proportional zu T3, also Cp = aT3 (a ist ein konstanter Faktor). Wie groß ist unter diesen Bedingungen die Enthalpieänderung eines Stoffs beim Erwärmen von 0 K auf die Temperatur T (mit T ≈ 0 K)?
Die meisten Substanzen dehnen sich aus, wenn sie bei konstantem Druck erwärmt werden. Dabei verrichten sie Arbeit an der Umgebung und geben einen Teil der als Wärme zugeführten Energie wieder nach außen ab. Ihre Temperatur nimmt auf diese Weise weniger zu, als wenn das Volumen des Systems während der Erwärmung konstant gehalten würde. Ein geringerer Temperaturanstieg bedeutet eine größere Wärmekapazität; wir können daraus also schließen, dass in den meisten Fällen die Wärmekapazität eines Stoffs bei konstantem Druck größer ist als die Wärmekapazität bei konstantem Volumen. Für ideale Gase gilt, wie wir in Abschnitt 2.3.2 herleiten werden, die einfache Beziehung
Daraus folgt, dass die molare Wärmekapazität eines idealen Gases bei konstantem Druck um etwa 8 J K–1 mol–1 größer ist als bei konstantem Volumen. Wenn wir bedenken, dass die molare Wärmekapazität eines einatomigen Gases bei konstantem Volumen etwa 12 J K–1 mol–1 beträgt, wird klar, dass diese Differenz keinesfalls vernachlässigt werden kann.
Anwendung 2-1 Dynamische Differenzialkalorimetrie
Mit einem dynamischen Differenzialkalorimeter (DSC) misst man, wie viel Energie in Form von Wärme ein System während einer physikalischen Zustandsänderung oder chemischen Reaktion mit seiner Umgebung austauscht. Der Vorsatz „Differenzial-“ bezieht sich darauf, dass der Zustand der Probe während der Analyse ständig mit dem Zustand eines Referenzmaterials verglichen wird, das sich weder chemisch noch physikalisch verändert. „Dynamisch“ ist das Verfahren, weil die Temperatur von Probe und Referenzmaterial dabei schrittweise erhöht wird.
Ein DSC-System besteht aus zwei kleinen Behältern, die mit konstanter Geschwindigkeit elektrisch aufgeheizt werden. Wird der gewünschte Temperaturbereich linear abgetastet, so ist der Zusammenhang zwischen Temperatur und Zeit durch T = T0 + αt gegeben, wobei T0 die Anfangstemperatur zur Zeit t = 0ist und α als Geschwindigkeit der Temperaturerhöhung (Kelvin pro Sekunde, Ks–1). Der Heizvorgang ist computergesteuert, um die Temperatur von Probe und Referenzmaterial während der Analyse kontinuierlich abgleichen zu können (Abb. 2-15).
Abb. 2.15 Dynamisches Differenzialkalorimeter. Probe und Referenz werden in voneinander getrennten, identischen Kammern erhitzt. Man misst den Unterschied der elektrischen Leistung, die benötigt wird, um beide Kammern während des Heizvorgangs auf gleicherTemperatur zu halten.
Findet bei der Temperatur T keine chemische oder physikalische Veränderung der Probe statt, so ist die auf die Probe übertragene Wärme qp = CpΔT. Hierist ΔT = T – T0 und Cp soll nicht von der Temperatur abhängen. Wegen T = T0 + αt ist ΔT = αt. Während des chemischen oder physikalischen Prozesses wird die Energie qp + qp,ex übertragen; q p,ex entspricht dabei der Energie, die zusätzlich aufgewendet werden muss, um die Temperaturen von Probe und Referenz anzugleichen. Wir interpretieren q p,ex als scheinbare Änderung der Wärmekapazität der Probe bei konstantem Druck, Cp, während der Abtastung des Temperaturbereichs,
wobei Pex = qp, ex/t die elektrische Leistung ist, die zusätzlich aufzuwenden ist, um Proben- und Referenztemperatur in Übereinstimmung zu bringen.
Die Ausgabe eines dynamischen Differenzialkalorimeters ist ein Thermogramm, eine Auftragung von Pex oder Cp,ex als Funktion von T (Abb. 2-16). Die Enthalpieänderung im Zuge des Prozesses erhalten wir aus Gl. (2-23a):
wobei T1 und T2 die Anfangs- bzw. Endtemperatur der Messung sind. Wie wir dieser Beziehung entnehmen können, entspricht die Enthalpieänderung der Fläche unter dem Kurve von Cp, ex als Funktion von T.
Abb. 2.16 Thermogramm für das Protein Ubiquitin bei pH = 2.45. Bis zu einer Temperatur von 45 °C behält das Protein seine ursprüngliche Struktur bei; an diesem Punkt erfolgt eine endotherme Konformationsänderung. (In geänderter Form übernommen aus B. Chowdhry und S. LeHarne,J. Chem. Educ. 74 (1997) 236.)
Mit einem DSC-System kann man auch Enthalpieänderungen sehr kleiner Proben (bis zu 0.5 mg) ermitteln. Dies ist ein deutlicher Vorteil gegenüber Bomben- und Verbrennungskalorimetern, die Probenmengen von mindestens einigen Gramm erfordern. In der chemischen Industrie wird diese Methode eingesetzt, um Polymere hinsichtlich ihrer Struktur, Stabilität oder ihrer molekularen Anordnung zu charakterisieren. Beispielsweise kann man damit untersuchen, wie sich Copolymere z. B. aus Ethylenoxid (EO) und Propylenoxid (PO) bei einer Temperaturerhöhung spontan zu Aggregaten zusammenlagern. Derartige Copolymere werden vielfach als oberflächenaktive Substanzen und Detergenzien eingesetzt, da die zentralen hydrophoben PO-Blöcke zusammen mit den endständigen hydrophileren EO-Blöcken einen amphiphilen (d. h. sowohl wasser- als auch kohlenwasserstofffreundlichen) Charakter des Copolymers bewirken. Bei einer Temperaturerhöhung lagern sich die Moleküle zu Mizellen zusammen, da die zentralen hydrophoben PO-Segmente bei höherer Temperatur noch schlechter wasserlöslicher werden, die terminalen EO-Segmente aber ihre gute Solvatisierbarkeit in Wasser behalten. Die so bewirkte verstärkte Amphiphilie sorgt dafür, dass die Moleküle kugelförmige Mizellen bilden. Dieser Prozess ist stark endotherm, weil die anfänglich vorhandenen Wasserstoffbrückenbindungen der EO-Segmente gebrochen werden müssen; er lässt sich deshalb leicht durch DSC nachweisen. Eine weitere Temperaturerhöhung verändert die Form der Mizellen von kugel- zu stabförmig. Auch dieser Prozess zeigt sich in Form eines zweiten, schwächeren DSC-Signals, das eine kleine Enthalpieänderung anzeigt. Die deutliche Abnahme der Wärmekapazität im Zuge des Kugel-Stab-Übergangs hängt vermutlich mit einer starken Abnahme der Hydratisierung des Polymers zusammen.
Auch die Stabilität von Proteinen, Nukleinsäuren und Membranen kann mithilfe der DSC untersucht werden. Dem in Abb. 2-16 gezeigten Thermogramm kann man entnehmen, dass das Protein Ubiquitin eine endotherme Konformationsänderung