dem Kopf, als wollte sie sich für einen Feiertag aufputzen. Ihr Gesicht glühte, sie zog eine Miene wie ein Wolf, Magdalene meinte sogar ein Knurren zu hören. Sie sprach die Magd erst an, als sie auf dem Pferd saß, eine rein taktische Maßnahme, weil Else ihre Herrin sonst um ein paar Fingerbreit überragte.
»Denk daran, die Pflaumen auf der Dörre zu wenden, und sag meinem Mann, ich wäre zwei, drei Stunden unterwegs.«
»In welcher Art Geschäft?«
Das war keine Frage, die einer Magd zustand. Magdalene ließ Else ohne Antwort stehen. Ihre beste Freundin zu besuchen, lockte sie als Licht am dunklen Himmel ihrer Sorgen.
Sie störte Isabeau bei einer Flickarbeit. Das Flicken war ein mühseliges Geschäft, und Isabeaus morsche Seidenkleider rissen sowieso wieder ein. Magdalene nahm Marthe auf den Arm und zog Isabeau hinter sich her, die tat, als ob sie protestierte, aber sie lächelte dabei.
Magdalene genoss das Reiten. Isabeau setzte sich vor sie, die Beine schicklich zu einer Seite gelegt, und hielt sich an der Mähne des Pferdes fest. Marthe hockte sicher zwischen den beiden, juchzte und lachte. Der gute Braune trottete mühelos mit seiner Last durch das Tor, vor die Stadt, in die schmeichelnde Herbstluft hinein.
Sie folgten dem Flussufer nach Norden und bewegten sich gemächlich über die Wiesen, die im Sonnenlicht ausgebreitet lagen. Die Hufe des Braunen klapperten über das Pflaster an der Dorfkirche von Trotha, eine milde Sonne beschien die Frauen auf dem Weg in die Franzigmark. Isabeau sah die roten Felsen, die das Ufer nördlich der Dörfer am Stadtrand säumen, zum ersten Mal. Die Erhebungen waren mit Strandhafer und wilden Nelken bewachsen, Grillen zirpten aus dem Gras. Über das Blau schossen in schnellem Flug ein paar Schwalben. »Es ist schön hier«, flüsterte sie auf Deutsch, »beinahe so schön wie zu Hause.«
Marthe quengelte. Die Frauen stiegen ab und gingen ein Stück neben dem Pferd her. Auf einem flachen Platz oberhalb des Pfades machten sie es sich im Gras bequem. Isabeau summte. Die Freundinnen schauten über den träge dahinziehenden Fluss und rafften die Röcke bis zu den Knien. Am anderen Ufer standen Kühe in den sattfeuchten Wiesen und betrachteten die Menschen mit mahlendem Kiefer. Marthe legte sich ins Gras neben ihre Mutter und schlief ein.
»Vielleicht«, meinte Isabeau, »gewöhne ich mich daran, in der Fremde zu leben. Ich muss oft an zu Hause denken, an meine Heimatstadt.«
Magdalene legte ihr tröstend die Hand auf die Schulter. »Es muss schön dort sein, wenn deine Stadt so einen großartigen Namen hat: La Roque-d’Anthéron. Es ist eine wunderschöne Stadt, nicht wahr?«
Isabeau winkte ab. »Eine Stadt voller Katholiken.« Sie fuhr mit der Hand über ihre Augen.
Magdalene nickte und streifte mit den Fingern durch den krümeligen Boden. »Ich muss dir etwas erzählen, Isabeau.« Sie sah starr aufs Wasser. »Ich glaube, es könnte stimmen. Das mit dem Kind, das Georg einer Magd gemacht hat.«
»Wieso? Ich hätte nie gedacht, dass du etwas Schlechtes von deinem Mann sagst. Bis jetzt hast du immer zu ihm gehalten.«
»Er glaubt mir nicht mehr. Er hält mich für böse und die alte Else für gut, obwohl sie es ist, die giftige Worte sagt.«
»Du meinst, er ist selbst böse?«
Magdalene zuckte die Schultern. »Ich weiß es nicht. Es ist nur so, dass ich es früher ausgeschlossen hätte. Jetzt nicht mehr.«
Isabeau überlegte einige Augenblicke und fragte: »Du meinst, er ist vielleicht kein so guter Mensch, wie du dachtest? Hat einer Magd ein Kind gemacht, der alte Bock. Glaubst du auch, dass er das Kind umgebracht hat?«
»Das nicht. So ein Mensch ist er nicht.« Magdalene schüttelte den Kopf. »Komisch ist es trotzdem. Er hat nie etwas von einem Kind gesagt. Es kann daran liegen, dass er nicht gern über sich selbst redet. Wer redet schon ohne Grund über dunkle Stunden in seiner Vergangenheit? Ich habe lange darüber nachgedacht, warum er mich geheiratet hat. Erst dachte ich, es wäre Zuneigung. Aber dann habe ich gesehen, dass er mir nicht glaubt. Es geht ihm nicht um mich. Jetzt denke ich, es war bloß, damit er einen Sohn hat.« Sie sah die Freundin prüfend an. »Hans ist nicht von ihm. Unsere Heirat war ein Geschäft. Ich war das Geschwätz los, und er hatte einen Erben.«
Isabeau schlug die Hand vor den Mund. »So war das? Hans ist nicht sein Sohn? Dann hat er dich aus dem Grund geheiratet, dass er den Leuten den gesunden und lebendigen Hans vorweisen kann.«
»Weil er das Gerücht zum Verstummen bringen wollte, meinst du? Das mit dem toten Kind?«
Isabeau zuckte die Schultern. »Kann sein. Wenn ich diesen Handel neben die Sache mit dem Kind lege, kommt es mir komisch vor.«
»Und ich war so glücklich über den guten Mann, den ich bekommen habe!« Magdalene schlug mit der Faust auf den warmen Grasboden.
Isabeau kniete nieder. Sie faltete die Hände und nickte Magdalene zu, bis ihre Freundin die Aufforderung verstand und sich neben sie kniete. Isabeau schloss die Augen und begann halblaut zu beten. »Gütiger Vater, gib deinen Dienerinnen Kraft, ihre Aufgaben zu erfüllen. Bestrafe die Sünder und belohne die Gerechten, dass sie dich mit ihrer Zunge preisen. Halte deine schützende Hand über Magdalene, dann wird sie dem Aberglauben entsagen und ihr Heil im Gebet suchen. Amen.«
Isabeau kniete mit geschlossenen Augen im Gras. Ihre Lippen bewegten sich tonlos weiter, sie reckte das Gesicht Gott und der Sonne entgegen. Sie öffnete die Augen, drehte sich zu Magdalene und streckte die Hand aus. »Gib es mir.«
»Was?«
»Das Amulett.«
»Warum?«
»Ich werde es in die Saale werfen. Du musst ein großes Opfer bringen, sonst kann Gott dir keine Gerechtigkeit geben.«
»Nein!« Magdalene presste die Hand auf die Brust, wo das Amulett unter dem Stoff lag. »Das verstehst du falsch. Gott ist kein Krämer. Mag sein, dass er etwas von mir will, aber bestimmt nicht mein Amulett.«
Isabeau ließ die Hand sinken. »Wie du meinst.«
Sie schwiegen, jede sah in eine andere Richtung. Die Sonne stieg, die Wärme fing an, auf die Schultern zu drücken. Ohne ein weiteres Wort zu sagen, standen sie auf und klopften sich das Gras aus den Kleidern. Sie ritten zurück, Marthe döste im Halbschlaf zwischen ihnen. Fliegen summten über Magdalenes Handrücken hinweg. Der Himmel bewölkte sich allmählich, Wind frischte auf.
Auf dem Hof des Spezereienhandels blieben sie einen Moment stehen, da erst nahm Isabeau den Faden des Gespräches wieder auf. Sie konnte keine Verstimmung ertragen. »Du wirst es allein wegwerfen, nicht wahr? Du weißt, dass das Amulett Unglück bringt. An ihm ist nichts Christliches. Es ist Aberglauben.«
Sie sagte das mit einem solch bittenden Augenaufschlag, dass Magdalene nicht wagte zu widersprechen und damit einen Kratzer auf ihrer Freundschaft zuzulassen. Isabeau fügte hinzu: »Vielleicht kann ich dir helfen. Ich habe ein paar alte Rezepte aus meiner Heimat mitgebracht. Der Herr im Himmel hilft dir, wenn du dir im rechten Augenblick selbst zu helfen weißt. Willst du sie haben?«
»Natürlich.« Magdalene fasste versöhnlich ihre Hände.
»Eins ist für dich, es wird dich stärken und fruchtbar machen. Es ist ein Rezept für das Melotenpflaster, was man auf die Brust legen und dort über Nacht liegen lassen soll. Das andere Rezept offenbart dir alles über deinen Mann. Es ist eine Wahrheitsmilch. Sie macht, dass jede Verstellungskunst von einem abfällt und das wahre Gesicht nicht mehr zu verbergen ist. Von der sollst du täglich ein Löffelchen unter sein Essen mischen. Auf diese Weise wirst du erfahren, ob er ein böser oder ein guter Mensch ist.« Sie drückte Magdalenes Hände. »Ich habe die Rezepte extra für dich mitgebracht.«
»Ist die Wahrheitsmilch schwer zu machen?«
»Du musst warmen Wein mit Zimt, Safran und Borax anrichten. Wenn die Milch fertig ist, füllst du sie in eine Flasche und verwahrst sie im Dunklen. Die Milch wirkt stärker, je öfter du sie anwendest.« Sie griff in ihre Schürzentasche, streckte Magdalene die Zettel entgegen