Claudia Rossbacher

Steirertanz


Скачать книгу

Kommode, bevor sie weitere Segmente aus der Torte schnitt.

      Kaum waren die ersten Kuchenteller ausgeteilt, kehrte Bergmann aus der Küche zurück. Lächelnd streckte sie ihm sein Tortenstück entgegen.

      Sein Gesichtsausdruck verhieß nichts Gutes. »Wir müssen leider ein andermal weiterfeiern«, raunte er ihr zu, als er seinen Teller übernahm.

      Sandra war das Lächeln vergangen.

      »Das ist doch nicht dein Ernst, Sascha«, protestierte Andrea, die direkt neben ihnen stand. »Das Jahr hat noch nicht einmal richtig begonnen.«

      »Für den Täter leider schon«, erwiderte er leise. »Kommst du mit mir in die Küche, Sandra?«

      Sie nickte. »Kannst du bitte weiter Torte austeilen?«, fragte sie ihre Freundin.

      Seufzend stellte Andrea ihren Teller beiseite. »Sicher kann ich das«, meinte sie wenig begeistert, dennoch hilfsbereit. »Was für einen scheiß Job ihr doch habt’s«, maulte sie ihnen unverblümt hinterher. Und wusste ganz genau, wovon sie sprach. Sandras spontane Einsätze kannte sie seit etlichen Jahren. Dazu hatte sie mit Robert auch noch einen Polizisten des Sondereinsatzkommandos Cobra Süd geheiratet.

      Sandra schloss die Küchentür hinter sich. »Andrea hat vollkommen recht. Ein scheiß Job ist das«, schimpfte sie.

      »Aber irgendwer muss ihn machen.« Bergmann lehnte sich gegen den Küchentisch.

      Sandra seufzte. »Dann schieß los!«

      Bergmann hatte die Filterkaffeemaschine im Visier, die Sandra eigens für die Geburtstagsfeier aus dem Kellerabteil geholt hatte. Sie selbst trank kaum Kaffee, sondern lieber Tee. »Bekomme ich einen Kaffee? Dann erzähl ich dir, was ich weiß«, sagte er. Dass eine Thermoskanne mit seinem Lieblingsgetränk im Wohnzimmer stand, war ihm wohl entgangen.

      »Ich mach dir einen Espresso«, bot Sandra ihm an. Der war ihm sowieso lieber als Filterkaffee, wusste sie.

      Bergmann schob sich das erste Stück Torte in den Mund, während Sandra in die Hocke ging, um den Espressokocher von ganz hinten aus dem Küchenkasten hervorzukramen. »Und? Wie schmeckt dir die Torte?«, fragte sie, als sie sich wieder umwandte.

      »Sensationell.« Bergmanns Daumen zeigte nach oben. »Magst kosten?«

      Sandra stellte den Espressokocher auf die Arbeitsplatte. Sein Angebot lehnte sie dankend ab. »Die Kaffeetassen und Häferln sind alle im Wohnzimmer. Ich geb dir am besten einen Thermosbecher. Den kannst du gleich für die Fahrt mitnehmen. Ach ja, Zucker findest du im Kasten dort drüben.«

      Bergmann schob sich einen weiteren Bissen von der Torte in den Mund, ehe er im Hochschrank nach dem Zucker suchte.

      Sandra befüllte den unteren Teil des Espressokochers mit Wasser, den Siebeinsatz mit gemahlenem Kaffee, schraubte das Oberteil der Alukanne wieder drauf und stellte sie auf das rot glühende Ceranfeld.

      Währenddessen schilderte Bergmann ihr mampfend, was ihm Lubensky von der Landesleitzentrale berichtet hatte. Vergangene Nacht war ein Wohnhaus im Ausseerland abgebrannt, in der Brandruine eine weibliche Leiche aufgefunden worden. Allem Anschein nach die Hausbesitzerin. Die Brandexperten des LKA hatten sich vor Ort bereits umgesehen und gingen von Brandstiftung aus. Ein Mord war nicht auszuschließen. »Wir sollten gleich aufbrechen«, beschloss Bergmann seine Schilderung.

      Mit Schaudern erinnerte sich Sandra an den ausgebrannten Stall im südoststeirischen Oberlamm, in dem vor einigen Jahren eine verkohlte Frauenleiche aufgefunden worden war. Damals hatte sie um Andreas Leben bangen müssen und war schließlich selbst in Gefahr geraten.

      Das Brodeln im Espressokocher ließ sie aufhorchen und den Herd ausschalten. Auch die Kaffeelöffel lagen alle auf der Kommode im Wohnzimmer, fiel ihr ein. Sie reichte Bergmann einen langstieligen rosa Plastiklöffel aus der Bestecklade, während das Brodeln stärker wurde.

      Argwöhnisch betrachtete er den Löffel, als wäre er al­lergisch gegen die Farbe, das Plastik oder gegen beides.

      Sandra hob den Espressokocher vorsichtig vom Herd. Dennoch vergoss sie einige Kaffeetropfen, die zischend auf dem glühenden Ceranfeld tanzten, ehe sie dort verdampften.

      »Wo genau im Ausseerland war denn dieser Brand?«, wollte sie wissen. Zügig wischte sie mit dem feuchten Schwammtuch über die heiße Herdplatte.

      »Grundlsee. Die Adresse und Koordinaten wollte dir Lubensky gleich aufs Handy schicken.«

      Dann hatte er das bestimmt längst getan, war sich Sandra sicher. Ihr Smartphone musste auf dem Wohnzimmertisch liegen, erinnerte sie sich und reichte Bergmann den vollen Thermosbecher. Von seiner Torte war nicht mehr viel übrig, stellte sie fest, während er seinen Kaffee ausgiebig zuckerte, umrührte und daran nippte. »Der schmeckt ausgezeichnet«, lobte er den Kaffee. »Was ist das für einer?«

      Sandra reichte ihm die Packung, die Andrea neulich dagelassen hatte, damit sie ihren Lieblingskaffee aus Biobohnen jederzeit auch bei Sandra trinken konnte.

      »Stainzer Kaffee, Äthiopien Hochland«, las Bergmann von der Packung ab.

      »Frag am besten Andrea, woher sie den hat.«

      »Ich nehme an, aus Stainz?«

      »Oder aus Äthiopien?«

      Bergmann grinste.

      »Was mache ich denn jetzt mit meinen Gästen? Ich kann sie doch nicht wieder heimschicken«, überlegte Sandra laut.

      »Andrea soll sich um sie kümmern. Wozu hat man denn Freunde?« Er schob sich das letzte Tortenstück in den Mund.

      »Kein Wunder, dass du keine hast«, entgegnete Sandra stirnrunzelnd.

      »Solange du an meiner Seite bist, brauche ich keine Freunde, Liebling«, erwiderte er schmatzend.

      »Sascha!«, warnte ihn Sandra.

      Er grinste sie mit vollen Backen an.

      Sandra seufzte. »Na schön, was bleibt mir anderes übrig? Wenn du sofort aufbrechen möchtest, frage ich halt Andrea.«

      Bergmann schluckte den letzten Bissen hinunter. »Vergiss deine Zahnbürste nicht.«

      Sandra schnitt eine Grimasse. Als hätte sie nicht ohnehin immer eine gepackte Reisetasche für weiter entfernte Einsätze parat gehabt. Genervt nahm sie ihm den leeren Teller samt Kuchengabel ab und steckte beides in den Geschirrspüler. Dann holte sie zwei Flaschen Blanc de Blancs Sekt aus dem Kühlschrank und legte zwei neue nach.

      Zurück im Wohnzimmer überreichte sie die eisgekühlten Flaschen ihrer besten Freundin und bat sie, die Gäste weiterhin mit Getränken und den vorbereiteten Häppchen zu bewirten. Solange der Vorrat eben reichte. Zum Abendessen hatte sie glücklicherweise nicht eingeladen. Wohl wissend, dass sie schlimmstenfalls zu einem Einsatz gerufen werden konnte. Dennoch war es ihr unangenehm, dass es nun tatsächlich so weit gekommen war, entschuldigte sie sich zum Abschied bei ihren Gästen.

      Niemand schien ihr böse zu sein. Alle, außer ihr, waren bestens gelaunt. Auch Andrea wirkte wieder vergnügt.

      »Würdest du mir bitte ein Stück Torte aufheben?«, wandte sich Sandra noch einmal an sie.

      »Ich stell es dir in den Kühlschrank. Oder soll ich’s lieber einfrieren? Wer weiß, wann du wieder nach Hause kommst?«

      Sandra seufzte erneut. »Heute vermutlich nimmer. Hoffentlich morgen. Stell’s bitte in den Kühlschrank, ja?«

      »Wird gemacht. Ich schalte dann den Geschirrspüler ein, wenn die Party vorbei ist«, versprach Andrea.

      »Hast du meinen Wohnungsschlüssel mit?« Die Freundinnen hatten diese schon vor Jahren untereinander ausgetauscht. Für solche und ähnliche Notfälle, die bereits eingetreten waren und vielleicht noch eintreten würden.

      Andrea nickte. »Ich sperr die Tür dann ab.«

      Sandra lächelte die Freundin dankbar an, ehe sie Bergmann aus dem Wohnzimmer folgte.

      2.