über Nachhilfe nehmen wollte – der bloße Gedanke brachte mich zum Würgen –, würde ich eine gute Note bekommen müssen.
In meiner Freizeit grübelte ich darüber nach, wie ich es geschafft hatte, Old Moses mit einem Besen in die Flucht zu schlagen. Ich hatte Glück gehabt, dass ich dem Monster den Besen in den Hals gestoßen hatte, das war offensichtlich. Aber ich überlegte, dass es vielleicht auch noch etwas anderes gewesen sein konnte. Trotz seiner Größe und Angriffslust war Old Moses wie Granddaddy Jaybird: Er konnte beeindruckend brüllen, aber sobald er von irgendetwas getroffen wurde, rannte er davon. Oder schwamm davon, in Old Moses‘ Fall. Vielleicht hatte Old Moses sich daran gewöhnt, das zu fressen, was sich nicht wehrte – Welse und Schildkröten und verängstigte Hunde, die um ihr Leben paddelten. Mit einem Besenstiel im Hals hatte Old Moses sich möglicherweise gedacht, dass es da, wo er herkam, leichtere Beute gab; unten auf dem Grund des Flusses im kühlen, schlammigen Bankettsaal, wo nichts zurückbiss.
Zumindest ist das meine Theorie. Testen will ich sie aber nie wieder.
Ich träumte von dem Mann im langen Mantel mit dem grüngefiederten Hut. Ich träumte, dass ich auf ihn zu watete. Als ich ihn am Arm fasste, drehte er mir sein Gesicht zu. Er war ein Mann ohne menschliche Haut, sondern mit rautenförmigen Schuppen in Herbstfarben. Er hatte Zähne wie Dolche und Blut triefte ihm über das Kinn, und ich merkte, dass ich ihn dabei gestört hatte, einen kleinen braunen Hund zu essen, dessen zappelnde vordere Hälfte er in seiner linken Hand hielt.
Es war kein schöner Traum.
Aber vielleicht lag doch etwas Wahrheit darin. Irgendwo.
Ich ging jetzt immer zu Fuß, da ich kein Fahrrad mehr hatte. Zur Schule und nach Hause zu gehen gefiel mir, aber alle meine Freunde hatten Räder, und ich war in unserer Rangordnung definitiv ein Stück zurückgefallen. An einem Nachmittag, an dem ich für Rebel Stöckchen warf und mit ihm auf dem Rasen tobte, hörte ich ein klackerndes Geräusch. Ich sah hoch. Rebel sah ebenfalls hoch. Es war ein Pick-up, der auf unser Haus zufuhr.
Ich kannte das Auto. Es war voller Rostflecken und die Blattfedern hingen durch, und der Lärm, den es machte, brachte die Hunde zum Heulen. Rebel fing an zu bellen. Ich hatte Mühe, ihn zum Schweigen zu bringen. Auf der Ladefläche des Pick-ups war ein Metallrahmen befestigt, an dem eine verwirrende Vielzahl von Werkzeugen hing, von denen die meisten so antik und wertlos wie das Auto aussahen. Sie klickten und klackerten wie die Insassen eines Irrenhauses. Auf der Fahrertür stand in nicht sehr sorgfältigen Buchstaben LIGHTFOOT’S FIX-IT.
Der Pick-up hielt vor unserem Haus an. Von dem Klackern alarmiert kam Mom auf die Veranda heraus, aber Dad war noch für über eine Stunde auf der Arbeit. Die Autotür ging auf und ein großer dünner schwarzer Mann in einem staubigen grauen Overall stieg aus, so langsam, als verursachte ihm jede Bewegung Schmerzen. Er trug eine graue Kappe und seine dunkle Haut war von Staub wie mit Rauch bedeckt. Langsam schlenderte er auf die Veranda zu, und ich muss sagen, dass selbst das plötzliche Auftauchen eines angreifenden Stiers Mr. Marcus Lightfoot vermutlich nicht einen Schritt schneller hätte gehen lassen.
»Guten Tag, Mr. Lightfoot«, sagte Mom, die ihre Schürze umhatte. Sie war in der Küche beschäftigt gewesen und wischte sich die Hände an einem Papiertuch ab. »Wie geht’s?«
Mr. Lightfoot lächelte. Seine kleinen quadratischen Zähne waren blendend weiß. Unter seiner Kappe quollen graue Haare hervor. Er sprach wie das langsame Tropfen eines verstopften Rohrs: »Einen guten Tag wünsche ich auch, Miz Mackenson. Hey, Cory.«
Für Mr. Lightfoot, der seinen Beruf als Zephyrs und Brutons Reparaturmann vor über dreißig Jahren von seinem Vater gelernt hatte, war dies eine schwungvolle Konversation. Mr. Lightfoot war für sein Repariertalent bekannt, und obwohl er so langsam arbeitete, wie ein Zahn wehtat, machte er alles wieder funktionstüchtig, egal, wie rätselhaft das Problem auch sein mochte. »Äußerst schöner …« Er stockte und sah zum Himmel empor. Die Sekunden verstrichen. Rebel bellte und ich legte ihm meine Hand über die Schnauze.
»Tag«, entschied Mr. Lightfoot.
»Ja, das ist er.« Mom wartete, dass er wieder etwas sagte, aber Mr. Lightfoot stand einfach da und betrachtete jetzt unser Haus. Er griff in eine seiner vielen Taschen, holte eine Handvoll Nägel heraus und klickte sie gegeneinander, als wartete auch er auf etwas. »Äh …« Mom räusperte sich. »Kann ich Ihnen irgendwie helfen?«
»Ich fuhr grad vorbei«, antwortete er so langsam wie warmer Sirup. »Wollte wissen, ob Sie« – hier stockte er, um ein paar Sekunden lang die Nägel in seiner Hand zu betrachten – »was repariert haben wollen?«
»Hm, nein. Nicht wirklich. Mir fällt nichts …« Sie hielt inne. Ihr Gesichtsausdruck verriet mir, dass ihr doch etwas eingefallen war. »Der Toaster. Der ist seit vorgestern auf Streik. Ich hatte Sie anrufen wollen, aber …«
»Ja, Ma’am, ich weiß.« Mr. Lightfoot nickte wissend. »Man kommt zu nichts.«
Er ging an sein Auto, um den Werkzeugkasten zu holen, ein altes faszinierendes Ding aus Metall voller Schubladen und anscheinend jeder Schraube und sämtlichen Bolzen, die es unter der Handwerkersonne gab. Er legte sich seinen Werkzeuggürtel um, an dem unterschiedliche Hämmer, Schraubenzieher und vorsintflutlich aussehende Schraubenschlüssel hingen. Mom hielt Mr. Lightfoot die Tür auf, und als er ins Haus stapfte, warf sie mir einen Blick zu und zuckte die Achseln. Ich weiß auch nicht, warum er hier ist, schien sie zu sagen. Ich gab Rebel das zerkaute Stöckchen und ging ebenfalls ins Haus. In der kühlen Küche trank ich ein Glas Eistee und beobachtete Mr. Lightfoot dabei, wie er den Toaster anstarrte.
»Mr. Lightfoot, möchten Sie etwas trinken?«, fragte Mom.
»Nein, Ma’am.«
»Ich habe auch Haferkekse.«
»Nein, Ma’am, vielen Dank.« Aus einer anderen Tasche holte er ein sauberes weißes Tuch und faltete es auseinander. Er legte es auf den Sitz einer der Stühle am Küchentisch. Dann zog er den Stecker des Toasters aus der Steckdose, stellte den Toaster neben seinen Werkzeugkasten auf den Tisch und setzte sich auf das weiße Tuch. All dies geschah in Unterwassergeschwindigkeit.
Mr. Lightfoot wählte einen Schraubenzieher aus. Er hatte die langen, eleganten Finger eines Chirurgen oder Künstlers. Ihm bei der Arbeit zuzusehen zermarterte einem die Geduld, aber niemand konnte behaupten, dass er nicht wusste, was er tat. Er schraubte den Toaster auf und starrte die nackten Grillroste an. »Aha«, sagte er nach einem langen Moment des Schweigens. »Aha.«
»Woran liegt es denn?« Mom spähte über seine Schulter. »Kann man es reparieren?«
»Sehen Sie hier? Den kleinen roten Draht da?« Er tippte mit dem Schraubenzieher dagegen. »Der ist lose.«
»Und sonst ist nichts kaputt? Nur der kleine Draht?«
»Ja, Ma’am, das ist …« Er begann den Draht sorgfältig um das Verbindungsstück zu wickeln. Ihn dabei zu beobachten war fast wie Hypnose. »… alles«, beendete er schließlich seinen Satz. Dann schraubte er den Toaster wieder zusammen, stöpselte ihn ein, drückte den Hebel runter, und wir sahen alle zu, wie die Glühdrähte rot wurden.
»Manchmal …«, sagte Mr. Lightfoot.
Wir warteten. Ich meinte, meine Haare wachsen zu hören.
»… sind’s nur …«
Die Welt drehte sich unter unseren Füßen.
»… die kleinen Dinge.« Er begann sein weißes Tuch zusammenzufalten. Wir warteten, aber dieser Gedankengang war entweder verlorengegangen oder in einer Sackgasse angekommen. Mr. Lightfoot sah sich in der Küche um. »Sonst noch was zu reparieren?«
»Nein, ich glaube, jetzt funktioniert wieder alles.«
Mr. Lightfoot nickte, aber ich konnte sehen, dass er nach kaputten Dingen suchte wie ein Hund nach Wild. Er machte einen langsamen Rundgang durch die Küche, wobei er seine Hände sanft auf den Kühlschrank, Herd und Wasserhahn legte, als ermittelte er den Gesundheitszustand dieser Dinge durch seine Berührung. Mom und ich sahen uns verwirrt an. Mr. Lightfoot benahm sich wirklich seltsam.