ja gar nicht …« Dr. Norden sah seine Assistentin fragend an, und sie lachte unsicher.
»Das ist es ja. Ich mich auch nicht. Deshalb sollten wir vorsichtig sein.«
Diesen Rat ließ sich Daniel durch den Kopf gehen. Schließlich nickte er langsam.
»Sie haben recht. Ich werde mich gleich heute Abend mit Frau Körber unterhalten, herausfinden, warum sie ausgerechnet hier aufgetaucht ist. Und natürlich werde ich ihr eine Operation ans Herz legen.« Er klappte ihre Akte mit einer entschiedenen Handbewegung zu und stand ebenfalls aus. Seite an Seite verließ er mit Wendy das Zimmer. »Aber kein Wort zu Fee. Sie darf sich unter gar keinen Umständen aufregen. Nicht jetzt, wo es ihr endlich besser geht.«
Wendy war sich nicht sicher, ob das eine weise Entscheidung war. Aber sie respektierte sie natürlich und wünschte ihrem Chef viel Glück für sein Vorhaben.
*
Als Ditte May am nächsten Morgen zu ihrer Operation abgeholt wurde, schlief ihre Nachbarin noch tief und fest. Erst als sich die Tür wieder öffnete und die frisch operierte Seniorin zurück gebracht wurde, blinzelte Else verschlafen ins helle Sonnenlicht.
»Wo kommst du denn um diese Uhrzeit her?«, fragte sie in gewohnt schnippischem Tonfall, als ihr ein Gedanke kam. »Ach, sieh mal einer an, du hast gekniffen. Dachte ich es mir doch. Du bist nicht halb so mutig, wie du immer tust.«
Nach der Narkose fiel Ditte das Sprechen noch schwer. Deshalb übernahm es die Schwester, eine Antwort zu geben.
»Von wegen gekniffen. Die Operation ist schon vorbei. Frau May war sehr tapfer«, erwiderte sie mit zufriedenem Blick auf ihre schlaftrunkene Patientin.
Vor Argwohn wurden Elses Augen schmal.
»Ist das wahr?«
Diesmal antwortete Ditte selbst.
»Es ist alles gut gegangen. Auch wenn du mich lieber unter der Erde gesehen hättest«, erklärte sie matt. »Was ist mit dir? Lässt du dich auch operieren?«
Wenn sie ehrlich war, haderte Else immer noch mit ihrem Schicksal. Doch sie hätte sich lieber die Zunge abgebissen, als das laut einzugestehen.
»Klar, so viel Mut wie du hab ich schon lange«, winkte sie so lässig wie möglich ab. »Wenn ich jetzt kneife, habe ich gar keine Chancen mehr bei dem schönen Otto. Das kann ich mir nicht erlauben.«
Im Normalfall hätte Ditte zu diesen Worten einen passenden, abfälligen Kommentar parat gehabt. Doch obwohl sie sich immer noch anfegten und stritten wie die Bürstenbinder, hatte Fee eine Veränderung im Verhältnis zwischen den beiden Frauen angestoßen. Nach außen hin kaum spürbar, vollzog sich der leise Wandel zunächst innerlich und würde eine lange Zeit in Anspruch nehmen. Aber ein Anfang war gemacht, und mit bangem Herzen sah Ditte dabei zu, wie Else aus dem Zimmer gefahren wurde. Sie musste mehr als zwei Stunden warten, bis ihre Nachbarin wieder zurückgebracht wurde.
»Es ist alles gut gegangen!« Die Schwester konnte die Unsicherheit in den Augen der Seniorin lesen. »Sie müssen sich keine Sorgen mehr machen.«
»Ich und Sorgen? Um diese alte Schnepfe etwa?« Ditte lachte abfällig. »Ich bin froh, wenn ich endlich entlassen werde und sie los bin. Diesen Tag werde ich zum Feiertag erklären.«
Die Schwester lächelte kopfschüttelnd und schob Elses Bett an seinen Platz zurück. Sie stellte die Bremse fest, überprüfte den Tropf und verließ dann das Zimmer.
Kaum war die Tür hinter ihr mit leisem Klacken ins Schloss gefallen, als sich Else wieder zu Wort meldete.
»Und ich werde ein Freudenfest feiern und meine Blumen mit Buttermilch gießen. So bleiben deine Läuse bei dir«, krächzte sie mit geschlossenen Augen.
»Nur zu. Dann geht dein steriler Designergarten endlich ein. Einen größeren Gefallen kannst du mir gar nicht tun«, erwiderte Ditte hämisch grinsend.
»Ich hab schon einen Gärtner bestellt. Dann werd ich dir mal zeigen, was ein richtiger Designergarten ist.«
»Das interessiert mich doch überhaupt nicht. Ich stell ein paar Bienenstöcke auf und werde in Zukunft Bienen züchten. Du wirst es dir in Zukunft drei Mal überlegen, Hand an meinen Garten zu legen«, konterte Ditte forsch.
Else kicherte wie ein Hexe.
»Warte mal ab, was mit deinen Bienen passiert, wenn ich meine erste Grillparty gebe. Und wenn ich gestochen werde, gibt es eine Klage wegen Körperverletzung.«
Doch Ditte ärgerte sich nicht etwa über diese Drohung. Ganz im Gegenteil stimmte sie in das Kichern mit ein.
»Was für eine lustige Vorstellung. Willst du jede Biene einzeln verklagen?«, lachte sie, bis ihr die Tränen kamen.
Auch um Elses Mundwinkel zuckte es wieder verdächtig.
»Lach du nur«, presste sie durch die Lippen. Sie schickte Ditte einen düsteren Blick, dann war es um ihre Beherrschung geschehen. Gemeinsam mit Ditte lachte und lachte sie, bis ihr der Bauch weh tat. Fee, die eben auf dem Weg zu den beiden Seniorinnen gewesen war, hielt vor der Tür inne und lächelte den gut aussehenden älteren Herrn an, der gleichzeitig mit ihr dort angekommen war.
»Klingt, als hätten die beiden einen Mordsspaß!« Zufrieden zwinkerte Fee Herrn Holtz zu.
»Kein Wunder! Mit einer netten Frau wie Else muss man einfach Spaß haben«, erwiderte er in Unkenntnis der Sachlage. Sein verliebter Blick sprach Bände und so verzichtete Fee darauf, ihn aufzuklären.
Das konnte Else zu gegebener Zeit selbst tun, und zufrieden damit, ihr Ziel erreicht zu haben, verabschiedete sie sich von Otto Holtz und kehrte in ihr Zimmer zurück.
*
Tatjanas Hände zitterten vor Aufregung, als sie ihrer Torte den letzten Schliff verpasste.
»Was machst du denn da?« Nach einem langen, arbeitsreichen Tag war Hilde Bärwald im Begriff, die Bäckerei zu verlassen. Als sie aber geschäftige Geräusche aus der Backstube hörte, ging sie noch einmal nach hinten und schaute ihrem Lehrling über die Schulter. »Das sieht ja fantastisch aus!«
»Scheint, als hätte Ihre Standpauke was genützt«, grinste Tatjana und betrachtete ihr Kunstwerk.
»Was ist das?« Hilde konnte den bewundernden Blick nicht von dem Gebäck lösen.
»Eine Eigenkreation«, gestand Tatjana fast schüchtern. »Die untere Lage ist Biskuitteig mit einer knackigen Karamellabdeckung. Dann folgt eine Limonencreme, die mit einer Schicht Streusel abgedeckt wird.« Tatjana trat einen Schritt zurück und betrachtete ihr Kunstwerk eingehend. Viel erkannte sie nicht, aber doch genug, um zu wissen, dass diese Torte perfekt gelungen war.
An Hilde Bärwalds zufriedenem Schnauben erkannte sie, dass ihre Lehrmeisterin versöhnt war.
»Ich bin überwältigt! Aber das wäre doch wirklich nicht nötig gewesen«, erklärte Frau Bärwald, die die Torte als eine Art Wiedergutmachung für die entstandenen Schäden der jüngsten Vergangenheit sah. Ehe Tatjana etwas sagen konnte, griff sie zu einem Messer und schnitt ein Stück ab. »Nicht zu süß und nicht zu sauer«, erklärte sie, während sie genüsslich kaute. »Der Boden ist luftig und locker. Die knackige Karamellschicht ist ein toller Kontrast dazu. Und sogar die Streusel haben die richtige Konsistenz. Außerdem schmecken sie schön nach Butter.«
Betroffen starrte Tatjana auf ihre Torte, die das Versöhnungsgeschenk für Danny hatte sein sollen.
»Freut mich, dass sie Ihnen schmeckt«, stammelte sie und war den Tränen nahe.
»Sie ist köstlich. Leider muss ich jetzt los.« Hilde Bärwald schob das letzte Stück Kuchen in den Mund und stellte den Teller zufrieden in die Spüle. »Übrigens hast du Besuch. Der junge Arzt ist hier. Das hätte ich fast vergessen.«
Wie von der Tarantel gestochen fuhr Tatjana herum. Augenblicklich trommelte ihr Herz in der Brust wie ein Schlagzeug.
»Danny ist hier?«, fragte sie atemlos, und Hilde lachte.