G.F. Barner

G.F. Barner Staffel 4 – Western


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die Tür offen und steht in der dunklen Nische, als sie an ihm vorbeirasen. Er stößt sich mitten in diesen Wirrwarr von laufenden Männern hinein, drängt sich nach rechts durch und hört, wie die ersten Männer plötzlich anhalten.

      Und jetzt stößt er sich frei aus dem Rudel, bricht nach rechts durch und hört einen Mann schreien:

      »Da liegt Sharps bei Brunswick. Verdammt, und hier Meehan und Walburn. Walburn, wer war es?«

      Steven Clay rennt über die Straße. Er sieht sich nicht um. Er hat unter den ersten laufenden Männern Clanton gesehen und hört ihn nun laut rufen.

      »Walburn, wer war es?« fragt Allen. »War es Clay?«

      Und genau in diesem Augenblick erreicht Steven Clay den Vorbau und hetzt geduckt nach rechts. Er ist aus dem Lampenschein heraus, sieht die beiden offenen Fenster und das andere Fenster. Ein schmales und längliches Fenster in der Saloonwand ist angelehnt.

      Dieses Fenster führt auf die Bühne des Saloons, und Steven stößt es blitzschnell auf. Er schwingt sich hoch, klettert über das Fensterbrett und kommt innen mit beiden Beinen auf. Vor ihm liegt der schmale Seitengang zur Bühne, er stürmt ihn entlang, reißt die Tür zur Bühne auf, und die Bühne ist leer.

      Ireen Clay hat sie vor weniger als dreißig Sekunden verlassen. Sie steht an der Schwingtür, ist quer durch den Saloon gelaufen und weiß auf einmal, wer da geschossen hat. Sie kennt Clays Revolver zu gut, denn er hat oft genug auf der Ranch geschossen.

      Ireen Clay kommt genau in dem Moment zur Schwingtür, als keine zehn Schritte weiter links Steven in das Fenster steigt.

      Und da hört sie den gellenden Schrei von draußen kommen:

      »Clay ist in der Stadt! Er hat Sharp erschossen und Meehan liegt mit Walburn am Boden! Clay ist in der Stadt!«

      Sie dreht sich um und starrt auf den jungen Art Ford, der am Tresen steht und sich mit einem Ruck der Tür zudreht. Dann sieht sie auf Mikel Todhunter, sieht sein kreidebleich werdendes Gesicht und die entsetzten Augen der Walcott. Hinter seinem Tresen bewegt sich Duncan Velopes und sagt heiser:

      »Wer, Clay? Verdammt, er wird doch nicht…«

      Und dann wird er steif.

      Auf der Bühne fliegt polternd eine Lampe um und fällt von den Brettern herab auf die Dielen.

      Mitten auf der Bühne steht, den Colt in der Hand und das Gesicht zu Stein erstarrt, Steven Clay.

      Er sieht starr zu Mikel Todhunter, und der Lauf des Revolvers hebt sich langsam. Der Lauf deutet auf Mikels Kopf, und Steven Clay sagt eiskalt, einen blitzschnellen Blick auf Ford werfend:

      »Ford, die Hände nach oben. Ich will nichts von dir, Junge. Halte dich heraus, oder du bist so fertig wie deine Partner. Hoch mit den Händen, schnell!«

      Art Ford stiert ihn an und zittert vor Furcht. Er weiß, daß Steven Clay niemals etwas umsonst sagt und streckt die Hände mit einer blitzschnellen Bewegung aus. Er steht still, und seine Augen liegen mit dem erschreckten und verstörten Ausdruck eines sich fürchtenden Mannes auf dem schimmernden Lauf des Revolvers.

      An der Schwingtür hat sich Ireen umgedreht, sieht nun starr und wie gebannt auf ihren Mann. Sein Gesicht kommt ihr auf einmal fremd, kalt und erschreckend kantig vor. Es sieht aus, als wäre dies ein fremdes Gesicht.

      Sie denkt nur immer dasselbe, als sie Steven Clay betrachtet: Das ist doch nicht dein Mann. Das ist doch nicht der Mann, dessen Kind du aufgezogen hast. Dies ist niemals derselbe Mann, der Zärtlichkeiten flüstern konnte und dem du alles gabst, was eine Frau einem Mann geben kann. Das ist ja ein Fremder.

      Mit einem Schlag ist es still im Saloon. Nur Anne Walcott rutscht entsetzt ein Stück weiter, daß die Beine des Stuhles über den Boden schurren und stößt ein heiseres und tief aus der Kehle kommendes Geräusch aus. Es hört sich an, als wenn sie vor Angst sprachlos ist und kein Wort außer diesen Lauten formen kann. Das nackte Entsetzen steht in ihrem Gesicht, und die Furcht läßt die Schweißperlen aus ihrer Haut brechen.

      Sie rückt von Mikel Todhunter ab, als wenn er den Aussatz hat. Und endlich kann sie etwas sagen.

      »Nein!« sagt sie fast wimmernd vor Furcht. »Nein!«

      Und immer wieder »Nein.«

      Mikel Todhunters wirres Haar, das ihm in die Stirn hängt, sieht wie ein Büschel Fransen aus, das jemand gerupft hat. Sein Mund steht etwas offen, die Unterlippe hängt herab, und seine Augen flackern heftig.

      Er fühlt, wie seine Handflächen feucht werden, wie ihn lähmende Angst packt und sieht auf den Revolver. Und das Grauen beschleicht ihn.

      »Steh auf, du Lump!« sagt Steven Clay. »Und dann geh an den Tresen. Dort wirst du stehenbleiben. Halte die Hände hoch, sonst drücke ich gleich ab.«

      Er sieht, wie sich Mikel Todhunters Hände auf dem Tisch zu zwei Krallen zusammenziehen. Er sieht, wie Todhunter den Kopf zwischen die Schultern zieht und wie seine Arme langsam hochkommen. Und Todhunters Mund schließt sich endlich, um sich gleich wieder zu öffnen. Er beginnt zu reden. Er redet – schrill, abgehackt und überstürzt.

      »Das kannst du nicht tun«, sagt Todhunter hastig. Und seine Stimme vibriert wie eine Violinsaite hoch und schrill. »Du kannst mich nicht fordern. Du bist viel schneller. Old James wird dich von der ganzen Mannschaft jagen lassen. Du wirst keine Chance mehr haben, wenn du mich ermordest, Clay.«

      »Du bekommst eine Chance«, sagt Clay ungerührt und fast gleichmütig. Er ist am Ziel seiner Gedanken, und er hat seinen Mann. Und plötzlich ist es keine Befriedigung für ihn, den zitternden und sich hinter seinem Vater verkriechenden Mikel Todhunter vor dem Revolver zu haben.

      »Du Feigling!« sagt Clay kühl. »Du zitterst ja, du Feigling. Deine Hose flattert ja. Los, geh zum Tresen! Geh zwei Schritte neben Ford, und da bleib stehen. Halte die Hände oben, geh langsam, ich passe schon auf! Geh, Feigling!«

      Und Mikel Todhunter geht, als wenn sein Körper für die Füße zu schwer ist. Die Füße schleifen nach, er geht gebeugt, und die Stiefelsohlen scharren häßlich über die Dielen des Saloons.

      »Steven, tu es nicht«, sagt Ireen gepreßt und ihre Stimme kommt ihr selber fremd vor.

      »Steven, tu es nicht, er hat keine Chance. Er ist ein Feigling, der zittern wird, wenn er abdrückt. Er wird dich nie treffen.«

      Er sieht sich nicht einmal um. Er blickt starr auf den gehenden Mikel Todhunter und sagt nur wie abwesend:

      »Niemand mischt sich ein, dies ist meine Sache. Jetzt wirst du bezahlen, Mikel. Du wirst für hundert und mehr Fausthiebe bezahlen, für meinen Hausrat, den Wagen, meinen Sattel, für alles. Und du bist gar nicht mehr groß, du armseliger Weiberheld. Du bist ganz klein. Und du wirst noch kleiner und häßlicher sein, wenn du am Boden liegst und tot bist. An den Tresen, vorwärts mit dir. Und dann steh still. So, das ist weit genug. Jetzt lehne dich mit dem Rücken an. Umdrehen, Mikel, umdrehen!«

      Mikel Todhunter steht am Tresen und der kalte Schweiß läuft ihm über den Nacken in sein Hemd. Er steht da und zittert. Und er möchte schreien. Auf einmal möchte er, daß sein Vater da ist und sich vor ihn stellt. Allein die Gegenwart des alten Mannes würde genügen. Nun ist er allein, jetzt hat er niemand, der ihn schützt und seine Taten übersieht, wie sie nur ein Mann übersehen kann – sein Vater.

      Er steht seitlich am Tresen und möchte mit einem verzweifelten Sprung über die Platte setzen, aus der Hintertür hasten und laufen, immer nur laufen, bis er umfällt und fertig ist.

      Und dann denkt er an den Derringer, den er auf Sharps Rat seit drei Wochen in der Weste trägt. Der Derringer steckt in einer Lederschlaufe und niemand kann ihn sehen. Vielleicht kann er ihn schneller erwischen als seinen Colt aus dem Halfter bekommen. Vielleicht würde Clay nur auf seine rechte Hand achten und nicht auf die linke. Er hat geübt, wie man mit der linken Hand den Derringer zieht, aber er zittert und traut sich nicht zu, ihn jetzt schnell zu ziehen.

      »Umdrehen«, sagt Steven Clay. »Was auch immer du denkst, Feigling, ich kenne deine Gedanken.