G.F. Barner

G.F. Barner Staffel 4 – Western


Скачать книгу

steht gleitend auf und huscht zur Tür. Und dann reißt er sie auf, aber

      Isabell Clanton schläft wohl fest. Sie ist nicht im Flur, und der Revolvermann schließt die Tür wieder sacht.

      »Sie kann nichts hören, wenn wir leise sprechen«, brummt der alte Mann bitter. »Ich dachte immer, ich könnte sie und Mikel…«

      Clem Tuttle fährt herum und starrt ihn überrascht an.

      »Was?« fragt er heiser. »Boß, sie und Mikel, ein Unglück wäre es, weiter nichts als ein Unglück. No, dazu ist sie zu stolz und zu schade. Und ich fürchte, Allen würde Mikel selber umbringen, ehe er Isabell bekäme. Nun gut, Boß, wie stellst du dir es vor, Mikel aus dem Käfig zu bekommen?«

      Der alte Mann sieht auf seine Zigarre und runzelt die Stirn. Er beginnt leise zu reden und blickt auf die Uhr. Er beobachtet, während er spricht, das Perpendikel, und der Revolvermann unterbricht ihn kaum einmal.

      Gedämpft reden die beiden Männer, und die Zeit verrinnt träge.

      Es ist drei Uhr früh, als Tuttle sich erhebt und langsam seinen Hut nimmt.

      »Well, Boß«, sagt er heiser. »Vielleicht klappt es. Ich reite dann. Vergiß Ford nicht, der Junge hat genug, ich habe es ihm angesehen. Schick ihn besser weg, ehe er gefährlich wird. Du erreichst damit nichts, daß du ihn von einigen Burschen zwingen läßt, alles zu vergessen. Der Junge hat einen Schock bekommen. Mach es nicht rauh, es schlägt vielleicht ins Gegenteil um.«

      Der alte Mann nickt und sieht, wie Tuttle langsam den achtunddreißiger Colt von seinem Schreibtisch nimmt, die Ladung der Trommel überprüft und den Colt einsteckt.

      »Nimm einen Lappen«, sagt der Alte heiser. »Und sage diesem Narren, wenn er schießt, soll ihn der Teufel holen. Er hat zu warten.«

      »In Ordnung«, murmelt Tuttle, nimmt seinen Hut und geht hinaus. Er verschwindet über den Hof, blickt sichernd zu den Fenstern von Isabell Clantons Zimmern hoch und sattelt leise seinen Rappen.

      Nach wenigen Minuten verschwindet Clem Tuttle in der Nacht, entfernt sich leise von der Ranch und gibt seinem Hengst dann die Sporen.

      Mit trommelnden Hufen fegt der Hengst los, rast über den Weg, daß der Staub in der Nacht wie eine graue Fahne hinter ihm her weht, und jagt auf die Stadt zu.

      *

      Die Dämmerung ist nicht mehr fern, als Tuttle seinen Hengst hinter die Wand des Frachtwagenhofes stellt und leise aus dem Sattel steigt.

      In einem Haus brennt noch Licht, und Tuttle, der durch die Gasse huscht, kommt einen Augenblick in den Lichtschein. Der Schein beleuchtet seine Beine und läßt die rohledernen Mexikanerschuhe, die Tuttle trägt, deutlich sichtbar werden.

      Der Revolvermann bewegt sich auf diesen Schuhen völlig lautlos, huscht durch die Gasse und klettert mit katzenhafter Gewandtheit über den nächsten Zaun.

      Er schiebt sich am Zaun entlang und fühlt in seinem Gurt den achtunddreißiger Colt. Der Colt drückt in seinen Magen. Er geht vorsichtig und ohne ein Geräusch zu machen durch einen Garten.

      Vor ihm ist ein Stall, vor ihm reckt sich der dunkle Schatten der Wand hoch, und Tuttle richtet sich langsam auf.

      Clem Tuttle blickt auf das Office und den Anbau des Jails. Er sieht das Licht im Jail, aber das Office ist dunkel.

      »Verdammt!« sagt Tuttle leise und zischend. »Was ist, wenn er sich jetzt irgendwo in der Dunkelheit auf die Lauer gelegt hat und wartet? Was ist dann? Zuzutrauen ist ihm das. Er ist sicher vorsichtig wie ein Fuchs.«

      Besorgt bleibt er unten, duckt sich hinter den Brettern des Zaunes und beobachtet den Hof. Er hat keine Zeit mehr, denn die Dämmerung ist nicht mehr weit. Die Zeit verrinnt, und

      Tuttles scharfe Augen durchforschen jeden Winkel.

      Und erst, als er sicher zu sein glaubt, daß Allen Clanton nicht irgendwo steckt, zieht er sich vorsichtig am Zaun hoch und huscht los.

      Er hat seine Revolver in den Halftern, denn er weiß genau, daß Clanton bei Gegenwehr auf den Mann schießen wird. Und der Revolvermann will kein Risiko eingehen.

      Er schleicht bis unter das Fenster des Office und kauert wie ein Schatten unter ihm. Er lauscht, aber er hört nichts. Er sieht die vorgelegten Blendladen der Fenster und weiß, daß es unmöglich ist, mit Gewalt in das Jail zu kommen. Dabei wird es Tote geben, das ist sicher.

      Clem Tuttle steht ganz still, lauscht, aber es rührt sich nichts. Fast fünf Minuten steht er still, und erst dann geht er, gleitend und einen Fuß ganz langsam vor den anderen setzend, weiter.

      Irgendwo knackt es am Stall, er dreht sich abduckend herum, und der Schweiß bricht ihm aus. Still und reglos starrt er auf den Stall, aber es rührt sich nichts.

      »Oh, verdammt, verdammt!« sagt er heiser. »Nervös wie ein junger Hund.«

      Er gleitet weiter und sieht den Anbau des Jails vor sich. Lehmmauern und oben, fast am Dach, eine kleine Öffnung, gerade groß genug, daß Licht in das Jail fällt. Und außerdem Gitter. Kein Mann, sei er noch so klein, wird durch den Spalt kriechen können. So dünn und schmal ist vielleicht ein achtjähriges Kind.

      Clem Tuttle sieht sich argwöhnisch um. Er sieht den Pinyonbaum rechts am Anbau, den einen ausladenden Ast, der über das Dach des Anbaues reicht, und hält am Baum an.

      Nun kommen ihm seine Lederschuhe zu Hilfe. Er beginnt, flink und geräuschlos wie ein Wiesel, am Baumstamm in die Höhe zu klettern. Und es dauert nicht lange, dann verdeckt ihn das dichte Gewirr der Zweige. Er rutscht, auf dem Ast breitbeinig sitzend und sich vorwärtsschiebend, immer weiter. Ganz langsam läßt er sich hinab, seine Füße berühren das Dach, und das leise Knirschen kommt ihm laut wie das Reiben zweier Mahlsteine einer Mühle vor. Erschreckt bewegt er sich noch langsamer, legt sich auf den Bauch und flucht unterdrückt zwischen den Zähnen.

      Irgendwo in der Stadt bellt ein Hund und heult gleich darauf. Ein anderer Hund fällt jaulend ein, und irgendwo rechts kräht ein Hahn.

      Du lieber Himmel, denkt Tuttle keuchend und liegt dicht an der Dachkante still. Die Stadt wacht auf. Herr im Himmel, jetzt fangen sie alle an zu krähen. Leute werden aufwachen und ihr Tagewerk beginnen. Und ich liege hier auf dem Dach. Noch ist es dunkel, aber der Teufel mag wissen, wie lange noch.

      Er sieht über die Kante hinweg und schiebt sich genau über das Fenster. Hastig zieht er das zusammengerollte Stück Lappen aus seiner Tasche und wickelt den Colt ein. Er macht einen Knoten mit dem Stück Lederriemenband, das er um den Lappen und den Colt schlingt. Und dann pendelt das Stück Riemen, an dem das kleine Paket mit dem Colt hängt, langsam tiefer.

      Erst im letzten Augenblick fällt Clem Tuttle siedendheiß ein, daß sie etwas übersehen haben, so schlau sie auch vorgegangen sind.

      Was ist, wenn Allen Clanton sich in das Jail gelegt hat?

      Tuttle zaudert einen Augenblick, aber die Furcht vor dem Grau der Dämmerung und seiner exponierten Stellung lassen ihn alle Bedenken wegfegen.

      Clem Tuttle schwingt den Riemen hin und her. Er starrt auf die Öffnung und sieht ein Stück der Gitterstäbe.

      Und dann prallt der umwickelte Colt zum erstenmal gegen die Stäbe.

      Ein ganz leiser und dumpfer Ton, nicht mehr.

      Der Colt pendelt am Riemen, der Lappen dämpft den Aufprall.

      Dreimal, viermal schlägt der Lappen an. Und Tuttle wartet ängstlich darauf, daß sich etwas unter ihm rührt.

      Und dann knarrt es plötzlich. Es knarrt leise und kaum vernehmlich. Etwas knirscht leise. Und dann kratzt etwas an der Mauer.

      »Mikel«, flüstert Tuttle heiser. »Mikel, bist du allein? Mikel, antworte.«

      Es bleibt eine halbe Minute still.

      Und erst dann sagt es flüsternd von unten hoch:

      »Wer?«

      Tuttle erkennt