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Ivi war nicht zu erreichen. Es fiel Violetta jetzt ein, daß sie wohl mit den Vorbereitungen für die Modenschau beschäftigt sei. Sie wählte Dr. Nordens Privatnummer, die sie sich notiert hatte.
Fee meldete sich. »Ich habe Daniel gerade vorhin gefragt, ob er etwas von Ihnen gehört hätte, Violetta. Wie geht es Ihnen?«
»Ich habe schon einiges erledigen können und bin bei den Brüdern Fernandez in guten Händen. Dafür wollte ich mich bei Ihrem Mann bedanken.«
»Ich reiche den Hörer gleich weiter. Daniel brennt darauf, mit Ihnen zu sprechen. Sind Sie zur Modenschau wieder in München? Ich bekam schon eine Einladung.«
»Ich hoffe, daß wir uns sehen.« »Viel Glück für Ihr Vorhaben, Violetta.«
Daniel kam gleich zur Sache. Er wollte wissen, ob sie schon etwas Konkretes erreicht hätte.
Sie erzählte, daß Pepita an Leukämie erkrankt sei, und das versetzte ihm einen gewaltigen Schrecken.
»Santoro hatte einen Herzinfarkt und liegt im Hospital. Morgen treffe ich mich mit seiner Frau und werde auch Antonella Hernando aufsuchen. Dann muß geklärt werden, ob ich Pepita mit einer Knochenmarkspende helfen kann.«
Er sagte ihr, daß das auch bei direkten Verwandten nicht immer möglich sei.
»Aber ich habe das Gefühl, daß es von Gott gewollt ist«, erwiderte sie.
»Dr. Fernandez ist Ihnen sympathisch?«
»Ja, auch sein Bruder, der mich als Anwalt unterstützt. Ich treffe mich mit beiden heute abend. Sie haben mal wieder einen sehr guten Rat gegeben. Herzlichen Dank dafür. Es wäre mir doch ein bißchen mulmig, wenn ich hier auf mich allein gestellt wäre.«
»Es wird hoffentlich alles ein gutes Ende nehmen. Ich wünsche es Ihnen.«
»Würden Sie es verstehen, wenn ich mich mit Antonella Hernando einigen würde?«
Daniel hielt kurz den Atem an. »Ich denke, Sie werden das tun, was Sie für richtig halten, Violetta. Folgen Sie Ihrem Herzen.«
Anneka hatte gerade etwas fragen wollen, als sie seine letzten Worte hörte. Sie sah ihn fragend an, als er den Hörer auflegte.
»Wie meinst du das, Papi?« fragte sie.
Er war so nachdenklich, daß er jetzt nicht wußte, was sie meinte.
»Was soll ich dir erklären?« fragte er.
»Das mit dem Herzen. Du hast gesagt: Folgen Sie Ihrem Herzen. Das Herz kann doch nicht weggehen.«
»Das sagt man so, Kleines, wenn man nicht genau weiß, was man tun soll. Es kommt darauf an, worum es geht und man kann nicht alles mit dem Verstand entscheiden. Das Herz ist oftmals wichtiger.«
»Aber wenn die Mathematikaufgaben blöd sind, sagt das mein Verstand«, erklärte sie, »und ich werde damit nicht fertig.«
Er lachte leise. »Dann versuchen wir es gemeinsam, aber in Mathematik ist Mami besser als ich.«
Fee hätte jetzt lieber mit ihm über Violetta gesprochen, aber ihre Kinder genossen doch immer den Vorzug. Anneka brauchte nur ganz selten mal Hilfe bei den Hausaufgaben.
Fee seufzte, als sie die Aufgaben sah. »Leicht fällt mir das auch nicht mehr«, meinte sie. »Diese Formeln habe ich auch immer gehaßt. Mal sehen, ob wir die Lösung finden.«
»Ich finde es toll, daß du auch nicht gleich alles weißt, Mami. Und du gibst es wenigstens zu. Die meisten Eltern tun immer so, als ob sie alles wissen, aber sie nehmen sich keine Zeit, um ihren Kindern zu helfen.«
»Woher weißt du das?« fragte Daniel.
»Wir reden doch darüber. Manche Eltern haben nie Zeit, die bezahlen lieber Nachhilfelehrer.«
»Wahrscheinlich, weil sie selber nichts wissen«, warf Felix ein, der nun auch mit einem Schulbuch kam. »Warum müssen wir auch Sachen lernen, die wir gar nicht brauchen, anstatt das, was uns wirklich interessiert?«
»Und was interessiert dich wirklich, außer Fußball?« fragte Daniel.
»Computer interessieren mich schon«, erklärte Felix, den so leicht nichts aus der Ruhe bringen konnte. »Und in Englisch bin ich jetzt auch gut.«
»Und gesund ist er auch«, sagte Fee, die keine lange Diskussion heraufbeschwören wollte. »Das Zeugnis war doch einigermaßen.«
»Ich bin versetzt worden, da gibt es nichts zu meckern«, sagte Felix grinsend. »So schlau wie Danny kann nicht jeder sein. Bei uns ist die Klugheit ungerecht verteilt.«
»Die Faulheit spielt auch eine Rolle«, meinte Daniel.
»Wie steht es denn mit deinem Latein, Papi?« fragte der Junge. »Kannst du mir das mal übersetzen?«
Daniel warf einen Blick darauf. »Solange du glücklich bist, wirst du viele Freunde zählen. Wenn die Zeiten trübe sein werden, wirst du allein sein«, übersetzte er den lateinischen Text.
»Er kann es tatsächlich noch«, staunte Felix. »Mein Name bedeutet glücklich. Nomen est omen, stimmt’s?« Er nahm sein Buch und verschwand.
»Ich denke, er wird ein Lebenskünstler werden«, sagte Fee lächelnd.
»Er ist ein ganz lieber Bruder«, erklärte Anneka. »Das ist viel wert.«
Daniel und Fee tauschten einen vielsagenden Blick, und inzwischen hatte Fee auch die schwierige Aufgabe gelöst. Beglückt verzog sich auch Anneka.
»Ich weiß wirklich nicht, warum Zehnjährige das lernen müssen«, meinte Fee. »Wenn sie erwachsen sind, machen sie doch alles mit Maschinen und Computern.«
»Womit wir mal wieder beim Thema wären, daß wir auch immer wieder dazulernen müssen.«
»Aber ich möchte jetzt lieber wissen, was Violetta noch geredet hat.«
Darüber sprachen sie noch lange, und Fee sagte schließlich, daß Violetta sicher vor einer ganz schweren Entscheidung stünde, wenn ihr das Wohl des Kindes am wichtigsten wäre.
*
Die Brüder Fernandez holten Violetta pünktlich vom Hotel ab. Sie ärgerte sich, weil sie Nicolas nicht so unbefangen gegenübertreten konnte, wie es bei Alessandro der Fall war. Daß Nicolas sich Gedanken machte, warum zwischen seinem Bruder und Violetta bereits ein vertrauter Ton herrschte, ahnte sie nicht. Natürlich wußte Nicolas, daß Alessandro besser mit Frauen umgehen konnte als er, aber es wollte ihm einfach nicht gefallen, daß Violetta auf seinen lockeren Ton einging.
Es kostete ihn ungeheure Überwindung, darüber eine Bemerkung zu machen, aber es überraschte ihn, daß er sie schließlich doch machte.
»Ihr scheint ja schon Freundschaft geschlossen zu haben«, stellte er fest.
Es sollte gleichmütig klingen, aber Violetta hörte einen Unterton heraus, der ihr das Gegenteil verriet.
»Ich bin Ihnen beiden sehr dankbar, daß Sie sich meiner Angelegenheit annehmen«, sagte sie, »was mir jetzt nicht mehr so einfach erscheint, da Sie mit meinen Gegnern bekannt sind.«
»Man kennt sich flüchtig, mehr ist das nicht, abgesehen von meiner früheren Beziehung zu Isadora.«
»Du hast darüber gesprochen?« fragte Nicolas erstaunt.
»Warum nicht, es läßt sich einfach nicht wegreden, daß sie mir viel bedeutet hat und mir jetzt sehr leid tut«, erklärte Alessandro. »Wir waren nicht zerstritten.«
»Aber du warst sehr enttäuscht von ihr.«
»Ich war noch ziemlich jung und in meiner Eitelkeit gekränkt. Man hat es nicht so gern, wenn man wegen eines anderen Mannes verzichten muß. Dir konnte so etwas natürlich nicht passieren, Nico. Wenn du einer Chancen gelassen hättest, wärest du sie bestimmt nicht mehr losgeworden«, scherzte er.
Ȇbertreib