Augen hatten sich geweitet und drückten wechselvolle Empfindungen aus, Entsetzen, Zorn und Hilflosigkeit.
»Sie sind diese Frau, Violetta«, sagte sie schleppend mit einer Stimme, die aus dem Weltall zu kommen schien. »Sie sind Pepitas Mutter?«
Violetta griff nach Antonellas eiskalten Händen. »Ich bin nur die Frau, die Pepita zur Welt gebracht hat, in Ihnen sieht sie ihre Mutter. Wir beide sollten uns in einem einig sein, nämlich an Pepitas Weiterleben zu denken.«
»Wenn das gelingt, würde ich verzichten, Violetta. Ich will nur, daß sie lebt. Der Gedanke, daß sie sterben müßte ist viel schlimmer, als sie bei Ihnen zu wissen.«
»Sie wird vorerst nichts erfahren«, erklärte Violetta ruhig. »Ich werde mich sofort untersuchen lassen, und dann, wenn die Übereinstimmung vorhanden ist, wofür ich bete, werden wir gemeinsam zu Pepita gehen und sehen, ob sie mich mag, aber wir verraten ihr vor der Operation nichts, nur daß ich die Knochenmarkspenderin sein werde. Sie soll Vertrauen gewinnen, mehr will ich vorerst nicht. Und danach kommt es darauf an, wie sich die beiden Männer verhalten, Santoro und Dr. Hernando. Ich will keine Existenzen vernichten und auch keine Familien ruinieren. Ich habe Zeit genug gehabt, damit fertig zu werden, daß ich zu naiv und gutgläubig war.«
»Es gibt für beide Männer keine Entschuldigung«, sagte Antonella.
»Für Ihren vielleicht die, daß er wußte, wie gern Sie ein Kind haben wollten, und überredet wurde er bestimmt von Santoro.«
»Isadora wird es auch umwerfen. Aber sie hat ihn ja längst durchschaut. Wer weiß, wie viele Frauen er unglücklich gemacht hat, ohne Gewissensbisse oder Schuldgefühle zu haben. Aber vielleicht hat er Sie gesehen und deshalb den Herzinfarkt bekommen. Hoffentlich hat er große Schmerzen und steht Todesängste aus. Juan macht es auch Sorgen, er kann einem schon nicht mehr in die Augen schauen.«
Ein kurzes Schweigen folgte, dann umarmte Antonella Violetta ganz spontan. »Sie sind der großherzigste Mensch, der mir je begegnet ist«, flüsterte sie unter Tränen.
»Ich wollte Sie nicht verletzen, Antonella, und auch Isadora nicht. Es ist nicht leicht, das Richtige zu tun, aber wenn wir uns gegenseitig vertrauen, werden wir auch den richtigen Weg finden.«
Antonella nickte. »Ich glaube, daß Isadora schon etwas ahnt. Sie war so zornig auf Carlos.«
»Für ihre Kinder wird es auch schwierig werden.«
»Wegen Carlos? Da brauchen wir uns nichts zu denken, sie sind froh, wenn er nicht zu Hause ist. Sie sind gern ins Internat gegangen. Kinder haben einen besseren Instinkt als wir Erwachsenen. Sie sind noch nicht durch die Umgebung so verdorben. Wir wollen es doch mal deutlich sagen: Wer meint es wirklich ehrlich mit seinen Mitmenschen? Wie lange dauert es, bis man die Spreu vom Weizen unterscheidet, auf wen kann man sich wirklich verlassen?«
»Das habe ich auch lang gedacht, aber ich habe jetzt Menschen kennengelernt, die aufrichtig sind und hilfsbereit, und andere, die wirklich zuhören, auch wenn es keine angenehmen Mitteilungen sind.«
»Und es gibt auch noch welche, die dankbar sind, Violetta. Ich bin Ihnen unendlich dankbar.«
»Und ich werde jetzt zur Blutentnahme geholt«, sagte Violetta, denn Nicolas erschien in der Tür.
Antonella war maßlos überrascht. »Dr. Fernandez, Sie sind hier?« rief sie aus.
»Nur besuchsweise als Begleitung von Violetta, die ich Ihnen jetzt entführen muß.«
»Wann sehen wir uns wieder, Violetta?« fragte Antonella bittend.
»Bald, sehr bald.« Violetta nickte ihr aufmunternd zu.
»Dr. Fernandez«, sagte Antonella leise, aber deutlich.
Er blieb stehen und drehte sich um. »Kann ich etwas für Sie tun, Antonella?« fragte er.
»Ja, passen Sie gut auf Violetta auf, sie ist eine wundervolle Frau.«
»Das weiß ich.«
Violetta erlebte, daß er den Arm um sie legte und es ihm ganz gleich war, daß es bemerkt wurde.
*
Das Blut war Violetta schnell entnommen worden. Sie hatte mit keiner Wimper gezuckt. Mit der Knochenmarkprobe dauerte es schon länger.
»Ich hoffe, daß Sie keine Beschwerden bekommen, Señora Fabrici«, sagte Dr. Fratinelli. »Sie haben nichts zuzusetzen, und es wird eine anstrengende Angelegenheit.«
»Ich bin zäh«, erklärte sie, »man traut es mir nicht zu, aber Sie brauchen sich keine Gedanken zu machen.«
Es war für den erfahrenen Arzt freilich eine neue Erkenntnis, denn mit solch einer Frau hatte er noch nicht zu tun gehabt. Da er nun den ganzen Sachverhalt kannte, denn Nicolas hatte ihn eingeweiht, um Violetta unbequeme Fragen zu ersparen, war auch er voller Bewunderung für Violetta. Aber er war erst recht überrascht, als er später mit Antonella sprechen konnte und sie geradezu in andächtiger Verehrung von Violetta sprach.
Pepita schlief. Sie wußte noch nicht, daß bereits der erste Schritt zu ihrer Lebensrettung getan wurde. Sie begriff noch nicht, wie ernst die Situation für sie war.
Währenddessen hatte Alessandro Isadora zum Hospital begleitet, denn sie wollte nicht mehr Katz und Maus spielen, sondern Carlos ins Gesicht sagen, was sie jetzt wußte und was sie von ihm hielt. Er hatte anrufen lassen, daß er auf ihren Besuch warte, denn schließlich gäbe es einiges zu besprechen. Anscheinend wollte er den Märtyrer spielen und die Umwelt wissen lassen, daß er sich von seiner Frau vernachlässigt fühlte.
»Fühlst du dich dieser Unterredung gewachsen, Isa?« fragte Alessandro besorgt, bevor sie das Hospital betraten.
»Er hat meinen Besuch gewünscht und soll ihn haben, wenn der auch etwas anders ausfallen wird, als er wohl meint«, sagte sie entschlossen. »Er soll mir ja nicht mit Mitleidshascherei kommen.«
Das hatte er sich vorgenommen. Sie kannte ihn ja so gut.
»Muß ich dich auf Knien bitten, damit du kommst?« fragte er rauh.
»Du warst doch sonst nie wild darauf, mich zu sehen. Von deinen Betthasen hat wohl keine Lust, dir Gesellschaft zu leisten, wenn du nicht springen kannst.«
»Was ist das für ein Ton, wie kannst du so reden?«
»Ich denke, daß du diese Sprache besser verstehst, die in Nachtlokalen und Bars üblich ist.«
»Woher willst du das denn wissen?«
»Frag mal deinen Sohn, woher er es hat«, konterte sie. »Ich bin auch nicht hier, um mir dein Wehklagen anzuhören. Ich will dich nur fragen, was du für Pepita tun willst.«
»Was geht mich Pepita an?« Es klang jedoch ziemlich unsicher.
»Schließlich bist du ihr Vater«, stellte Isadora fest.
Die Adern schwollen auf seiner Stirn, und das Blut schoß ihm ins Gesicht. Er schnappte nach Luft, aber dann sagte er gereizt: »Juan ist ihr Vater und Antonella ihre Mutter, so steht es in der Geburtsurkunde. Wer etwas anderes behauptet, wird verklagt.«
Ihr wurde richtig übel, als sie in sein verzerrtes Gesicht blickte. »Nun wird es sich zumindest ergeben, wer ihre Mutter ist, da Violetta heute den Gentest macht, weil sie das Knochenmark für Pepita spenden wird.«
»Wer hat dir denn das Märchen erzählt?« echauffierte er sich.
»Es ist eine Tatsache, und sie wird sicher auch sagen, wer der Vater des Kindes ist, um das sie betrogen wurde. Es ist eine schwerwiegende Straftat, ein Kind zu stehlen und der Mutter zu sagen, daß es tot geboren sei. Ich kenne die ganze Wahrheit, und Violetta Fabrici wird hier von Dr. Alessandro Fernandez vertreten.«
Er starrte sie mit glasigen Augen fassungslos an. Seine Lippen bewegten sich, aber er brachte kein Wort hervor, und auch Isadora konnte nichts mehr sagen, denn die Oberschwester kam herein und sah Isadora mit einem merkwürdigen Ausdruck an.
»Ich wollte gerade