Patricia Vandenberg

Dr. Norden (ab 600) Jubiläumsbox 6 – Arztroman


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erfuhr. Sie hatte nur ein kurzes Gespräch mit Violetta und wollte dann gleich und ein letztes Mal zum Hospiz fahren, um ihren Zorn dort loszuwerden.

      Violetta wurde von Nicolas abgeholt. Er wollte sie mit einem Ausflug ablenken, denn er wußte, daß sie von solchen Angriffen nicht unberührt blieb.

      Sie fühlte sich ein bißchen unsicher, obgleich sie nicht glaubte, daß Alessandro ihm etwas über ihre Unterredung erzählt hatte. Aber manchmal hatte sie das Gefühl, er könne ihre Gedanken lesen.

      »Diese Knochenmarktransplantation wird mit den neuesten Techniken stattfinden, Violetta. Es wird ein Spezialist aus der Schweiz eingeflogen. Man kann es nicht mehr als Operation bezeichnen, da nur Zellen entnommen werden bei dir, die dann nach einer Spezialmethode Pepita injiziert werden. Es ist nicht mehr so umständlich wie früher und für dich völlig ungefährlich. Es bleibt dann nur die Frage, ob die kleine Patientin diese Zellen verarbeiten kann.«

      »Es darf nicht umsonst sein, Nicolas. Es ist doch alles, was ich für Pepita tun kann.«

      »Ich denke, daß sie einmal verstehen wird, wieviel du für sie tust. Antonella weiß es sehr zu schätzen und ist voller Dankbarkeit.«

      »Hat sich ihr Mann bei ihr gemeldet?«

      »Nein, er scheint verschollen zu sein. Vielleicht hat er sich ins Ausland abgesetzt. Solche Männer wie er und Santoro spielen sich nur großartig auf, solange sie sich sicher fühlen. Im Grunde sind sie Feiglinge, die niemals bereit sind, die Verantwortung für ihr Handeln zu übernehmen. Santoro wäre bestimmt auch untergetaucht, wenn er nicht ans Krankenbett gebunden wäre. Also versucht er es, Gift zu versprühen, weil er es einfach nicht wahrhaben will, daß du in der besseren Situation bist und nicht hilflos wie damals.«

      »Isadora ist auf dem Wege zu ihm. Er wird keine Freude an ihrem Besuch haben.«

      *

      Aber eingebildet wie Carlos nun einmal war, glaubte er, daß dies ein Versöhnungsbesuch sein sollte, da sie sich zuerst zusammennahm und einen sehr ruhigen Eindruck machte.

      »Ich habe gewußt, daß du wiederkommst«, sagte er mit unverhohlenem Triumph, aber das überhebliche Lächeln schwand gleich, als sie mit funkelnden Augen an sein Bett trat.

      »Ich komme nur, um dir zu sagen, wie widerlich ich deine gemeinen Vorwürfe gegen Violetta finde, und wie widerwärtig du mir bist. Sie ist eine wundervolle Frau, die uns alle beschämt. Sie wird Pepitas Leben mit ihrer Knochenmarkspende retten und hätte sogar dich und Juan geschont, um uns und unsere Kinder herauszuhalten, aber wir sind dafür, daß sie sich gegen deine Gemeinheiten zur Wehr setzt, also kommst du an den Pranger. Dir wird dein Grinsen vergehen. Wo sind denn deine einflußreichen Freunde? Wer hält denn noch zu dir? Juan hat sich feige aus dem Staub gemacht, du wirst die Suppe ganz allein auslöffeln müssen. Es war mir ein Bedürfnis, dir das noch zu sagen. Wenn du noch ein Fünkchen Anstand besitzt, bitte den Herrgott um Vergebung, denn auf Erden hast du sie verspielt.«

      Sie drehte sich um, ging zur Tür und warf keinen Blick zurück.

      »Die Kinder bleiben bei mir!« rief er ihr krächzend nach, aber das konnte sie nicht mehr schrecken.

      *

      Am nächsten Tag besuchte Violetta Pepita. Antonella hatte der Kleinen erzählt, daß Violetta ihr das für sie lebenswichtige Knochenmark spenden würde. Das Wie und Warum hatte das Kind sehr beschäftigt.

      »Warum tust du das?« fragte sie, als sich Violetta zu ihr ans Bett setzte.

      »Weil ich eine geeignete Spenderin bin und außerdem sehr froh, daß ich dir helfen kann, weil ich deine Mami sehr gern habe und dich auch.«

      »Aber wir kennen uns doch gar nicht richtig«, flüsterte Pepita.

      »Ich hoffe sehr, daß wir uns bald besser kennenlernen«, erwiderte Violetta, »und wenn du mich dann auch ein bißchen liebhast, würde es mich sehr freuen.«

      »Ich finde, daß du sehr lieb bist. Hoffentlich wirst du nicht krank, weil du mir das gibst.«

      »Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Es ist ganz ungefährlich. Es ist ja keine ansteckende Krankheit.«

      »Aber weißt du, warum man so etwas bekommt?«

      »Das kann ich dir auch nicht erklären.«

      »Meinst du, daß mir auch die Haare ausgehen werden wie den anderen Kindern?«

      »Bisher kann ich nichts feststellen. Du hast sehr schöne Haare, aber wenn sie auch noch ausgehen sollten, die Hauptsache ist doch, daß du gesund wirst, und sie wachsen wieder.«

      Pepita schlang die Ärmchen um Violettas Hals. »Vielen Dank, daß du mir hilfst, ich habe dich lieb«, flüsterte sie und küßte sie zärtlich.

      Violetta wurden die Augen feucht.

      »Und jetzt sind wir ganz zuversichtlich«, sagte sie.

      *

      Nicolas blieb die ganze Zeit bei ihr, als man ihr das entnahm, was für Pepita lebenswichtig sein konnte. Wenn es Violetta auch nicht direkt gesagt worden war, so wußte sie doch, daß immer noch ein Risiko für das Kind blieb.

      Sie wurde nur in eine kurze Narkose versetzt, aber als sie wieder aufwachte und in Nicolas’ Augen blickte, meinte sie, ewig geschlafen zu haben.

      »Ich melde mich zurück«, sagte sie mit einem bezaubernden Lächeln. »War ich lange fort?«

      »Eine halbe Stunde«, sagte er, aber er verriet nicht, daß ihm diese auch wie eine Ewigkeit vorgekommen war.

      »Es muß gutgehen«, sagte sie leise.

      »Es wird gutgehen«, nickte er und küßte sie.

      Wie es das Schicksal wollte, am Abend erfuhren sie, daß Carlos fast zur gleichen Zeit, als Pepita Violettas Knochenmark übertragen bekam, einen weiteren Herzinfarkt hatte und es diesmal ein tödlicher war.

      »Ich danke Gott für diese Lösung«, sagte Isadora.

      Alessandro meinte für sich, daß da wohl eher der Teufel seine Hand im Spiel gehabt hätte, aber auch er atmete auf.

      Violetta sagte gar nichts. Sie schmiegte sich in Nicolas’ Arme.

      Antonella saß bei Pepita und streichelte die kleinen Hände. Das Kind schlief ganz ruhig, und ein Lächeln lag auf dem blassen Gesichtchen. Sie betete für das Leben ihres Kindes voll unendlicher Dankbarkeit, daß es ihr Kind bleiben durfte. Wo Juan auch sein mochte, ihr war es gleichgültig, und Carlos Tod befreite sie von der großen Sorge, daß er eines Tages etwas aushecken könnte, um ihr das Leben schwerzumachen.

      Das Leben konnte so schön sein, wenn Frieden und Harmonie herrschte, wenn Freundschaft und Liebe das Miteinander glücklich gestalteten.

      Und wie glücklich waren sie alle, daß es Pepita von Tag zu Tag besserging und sie nun schon munter erzählte, daß sie bald zur Schule gehen würde. Sie freute sich sehr, wenn Violetta sie besuchte, und natürlich bekam sie dann immer etwas Hübsches mitgebracht. Violetta freute sich, als Pepita einmal sagte: »Meine Mami ist die liebste, aber du kommst gleich danach, Violetta.«

      Endlich bekamen nun auch die Nordens einen ausführlichen Brief von Violetta, in dem sie ihnen alles berichtete, was sie hier erlebt hatte. Am Telefon hätte sie das gar nicht so erzählen können, aber wessen Herz voll ist, dem fließen die Worte auch in die Feder. Fee und Daniel konnten lesen, daß es für Violetta jetzt nur zählte, daß Pepita gesund wurde und sie selbst ihre große Liebe gefunden hätte.

      Durch ihre Vermittlung, lieber Dr. Norden, das werde ich Ihnen nie vergessen! Wenn wir nach München kommen – Nicolas wird mich natürlich begleiten – werden Sie hoffentlich Zeit haben für ein festliches Wiedersehen. Wir werden in drei Wochen heiraten, dann kann auch Pepita dabeisein. Sie wünscht es sich so, und für mich ist es ein schönes Gefühl, daß sie mich liebhat und ich sie oft sehen kann. Antonella ist mir eine sehr liebe Freundin geworden, und auch mit Isadora verstehe ich mich sehr gut. Ich denke, daß sie eines Tages sogar meine Schwägerin werden wird. Es