Patricia Vandenberg

Dr. Norden (ab 600) Jubiläumsbox 6 – Arztroman


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erhob sich sofort von ihrem Stuhl, der ganz dicht bei Pepitas Bett stand, als Violetta eintrat.

      Pepitas Augen wanderten zur Tür. »Das ist doch die Señora von Marbella«, flüsterte sie. »Kommt sie mich besuchen?«

      »Ja, ich komme dich besuchen, Pepita. Ich heiße Violetta. Ist es Ihnen jetzt recht, Antonella, oder soll ich lieber ein andermal wiederkommen?«

      »Ich habe gern Besuch, Mami«, sagte die Kleine. »Die Señora ist nett, sie war auch schon in Marbella nett. Sie ist doch eine Freundin von Tante Isadora, stimmt das?«

      Antonella sah Violetta fragend und bittend zugleich an. »Ja, es stimmt«, erwiderte Violetta, »und ich möchte auch gern mit deiner Mami befreundet sein.«

      »Auch mit mir?«

      »Vor allem mit dir.«

      »Warum? Weil ich krank bin und Mami sehr traurig ist?«

      »Weil ich möchte, daß du bald gesund wirst. Ich war auch einmal sehr krank und war froh, daß ich gute Freunde hatte.«

      »Hast du keinen Mann und Kinder?«

      »Nein, aber vielleicht werde ich mal welche haben.« Sie mußte an Nicolas denken und wurde ruhiger. Es ging ihr doch sehr nahe, Pepita so schwach zu sehen.

      »Bist du müde, soll ich lieber wieder gehen?« fragte sie.

      »Ich bin immer müde, ganz plötzlich ist das gekommen und ich kann es nicht verstehen. Ich möchte doch so gern gesund werden, damit Mami wieder lachen kann.«

      »Du hast deine Mami sehr lieb«, sagte Violetta leise.

      »Ja, sehr, sehr lieb, sie ist meine allerbeste und allerliebste Mami.«

      Als ahne sie etwas, sagte sie das mit so großem Nachdruck, daß Antonella und Violetta einen langen Blick tauschten. Dann schlief sie jedoch plötzlich wieder ein.

      Violetta und Antonella verließen das Zimmer und setzten sich in den Warteraum.

      »Sie dürfen nicht denken, daß ich ihr etwas einrede, Violetta«, begann Antonella befangen. »Sie macht sich auch schon Gedanken, warum Juan gar nicht kommt.«

      »Haben Sie mit ihm gesprochen?«

      »Nein, er ist verreist, ich habe nicht erfahren wohin. Er ist feige, das kristallisiert sich jetzt richtig heraus. Was haben Sie vor?«

      »Jetzt hoffe ich, daß es mit der Knochenmarkübertragung in Ordnung geht. Sie werden den Test schnell auswerten, und dann wird die Operation auch gleich durchgeführt, wenn nichts dagegen spricht. Ich hoffe, daß alles klappt. Isadora wird von Alessandro Fernandez über den damaligen Vorgang informiert.«

      »Carlos wird nichts mehr zu lachen haben. Haben Sie mit ihm gesprochen?«

      »Nein, darauf lege ich keinen Wert.«

      »Isadora wird mit der Wahrheit und ihrer Meinung nicht zurückhalten. Ich kenne sie, sie schluckt nicht soviel wie ich. Aber für mich ist der Schlußstrich unter meine Ehe auch gezogen. Es ist alles so entsetzlich traurig. Ich schäme mich für Juan und Carlos und fühle mich auch schuldig, weil ich mir so sehr ein Kind wünschte. Ich weiß nicht, woran es lag, daß ich keines zur Welt bringen konnte.«

      »Manchmal liegt es am Mann«, sagte Violetta.

      »Das hat er geleugnet.«

      »Ich kann mir vorstellen, daß Männer gewisse Schwächen ungern zugeben, wenn auch in einer guten Ehe Offenheit immer am Platze ist.«

      »Anfangs war es eine gute Ehe«, sagte sie bebend, »aber je öfter er mit Carlos zusammen war, desto mehr entfernten wir uns voneinander. Bei mir überwog dann die Dankbarkeit, daß er mir doch zu einem Kind verhalf. Hätte ich gewußt, wodurch das gekommen war, hätte ich bestimmt nicht zugestimmt. Es quält mich sehr, was Ihnen angetan wurde und Sie jetzt hören müssen, daß Pepita mich liebt.«

      »Es tut mir nicht so weh, wie Sie jetzt vielleicht meinen. Ich habe all die Jahre in dem Glauben gelebt, daß das Kind gar nicht gelebt hat. Ich hatte es nie gesehen, hatte keine Vorstellung, wie es sich hätte entwickeln können. Während der Schwangerschaft war ich auch nicht glücklich. Wenn also Pepita als ein glückliches Kind herangewachsen ist, ist das nur Ihr Verdienst, Antonella. Ich habe mich vorhin, als sie sagte, daß Sie die allerliebste Mami sind, schon entschieden, daß sie bei Ihnen bleiben soll. Ich glaube nicht, daß sie mich so lieben könnte, weil sie es gar nicht verstünde, warum ich nicht von Anfang an für sie gesorgt habe. Wenn wir ihr die Wahrheit erzählen würden, könnte es ihrer Kinderseele schaden. Wir wollen gemeinsam hoffen, daß sie gesund wird, und es wäre schön, wenn eine echte Freundschaft uns verbinden würde und ich sie manchmal sehen könnte. Vielleicht mag sie mich dann auch als Tante oder große Freundin. Es fragt sich nur, ob das innige Band zwischen ihnen weiterhin bestehen wird, da Sie nun wissen, wer Pepitas Vater ist.«

      »Sie hat nichts von ihm, aber sehr viel von Ihnen, Violetta, und wird hoffentlich auch einmal eine so großzügige, warmherzige Frau werden wie Sie.«

      »Aber hoffentlich nicht auch solche Dummheit machen. Wie oft habe ich mich gefragt, wieso ich mich nur mit ihm einlassen konnte. Ich bin gar nicht auf den Gedanken gekommen, daß er nur ein Abenteuer suchte. Er war so überzeugend… ach was, warum soll ich darüber noch Worte verlieren. Inzwischen habe ich genug Lebenserfahrung gesammelt, daß ich weiß, daß es viele solcher Männer gibt und schließlich hat er nun seine Strafe bekommen.«

      »Wollen Sie nicht vor Gericht gehen?«

      »Was bringt das schon, außer Kummer für Sie und Pepita, für Isadora und ihre Kinder.«

      »Aber es ist nicht in Ordnung, daß beide, Carlos und Juan, schadlos davonkommen.«

      »Sie müssen damit leben, daß sie durchschaut sind. Wenn sie nicht ganz gewissenlos sind, werden sie sich nie mehr richtig wohlfühlen in ihrer Haut.«

      »Was sind Sie für eine Frau, ich kann Sie nur bewundern, Violetta, und ich werde Ihnen ewig dankbar sein.«

      »Durch Pepita sind wir verbunden, Antonella.« Sie reichte ihr die Hand und hielt sie fest. »Auf gute Freundschaft.«

      Antonella umarmte sie innig.

      Dr. Fratinelli kam hinzu, und ein zufriedenes Lächeln erhellte sein ernstes Gesicht.

      »Der erste Test sieht schon sehr gut aus, Señora Fabrici«, sagte er, »und es kann wirklich keinen Zweifel geben, daß Pepita Ihre Tochter ist.«

      »Wir haben gerade beschlossen, daß Antonella ihre Mami bleibt. Ihre Genesung darf durch nichts gefährdet werden.«

      »Das ist eine sehr gute Einstellung«, sagte er.

      »Violetta ist einmalig«, sagte Antonella leise.

      Das dachte Dr. Fratinelli auch, aber Violetta winkte verlegen ab. »Mir hat kürzlich ein sehr kluger Mann gesagt, ich solle meinem Herzen folgen und nur das tue ich.«

      »Werden Sie Pepita auf die Operation vorbereiten?« fragte er.

      »Das werden wir beide gemeinsam tun.«

      Während hier die Entscheidung gefallen war, hatte Nicolas ein langes Gespräch mit Ileni Delvaro, die einem Flirt nicht abgeneigt zu sein schien. Aber so etwas hatte Nicolas noch nie aus der Ruhe gebracht, und jetzt hätte eine andere Frau als Violetta überhaupt keine Chance gehabt.

      Als er sie sehr direkt fragte, ob sie sich an die Patientin Viola Faber erinnern könne, überlegte sie angestrengt, ohne verlegen oder ängstlich zu werden.

      »Wann war sie hier?« fragte sie.

      »Sie war vor mehr als sechs Jahren in der damaligen Klinik von Dr. Hernando.«

      Ihr Gesicht wurde finster.

      »An die Zeit erinnere ich mich nicht gern. Hernando war ein absoluter Despot, der keine andere Meinung duldete. Was wollen Sie wissen?«

      »Die Patientin soll eine Totgeburt gehabt haben.«

      »Wenn