Bernd Hesse

Durch die Hölle


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      Wir danken der Autorin Cornelia Lotter für die Verwendung ihres Titels »Durch die Hölle« (2016).

      Das Buch ist exklusiv über Amazon erhältlich.

      Alle Rechte der Verbreitung vorbehalten.

      Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist nicht gestattet,

      dieses Werk oder Teile daraus auf fotomechanischem Weg

      zu vervielfältigen oder in Datenbanken aufzunehmen.

      Verlag Das Neue Berlin –

      eine Marke der Eulenspiegel Verlagsgruppe Buchverlage

      ISBN E-Book 978-3-360-50159-2

      ISBN Print 978-3-360-01345-3

      1. Auflage 2019

      © Eulenspiegel Verlagsgruppe Buchverlage GmbH, Berlin

      Umschlaggestaltung: Buchgut, Berlin

      unter Verwendung eines Fotos von Africa Studio, AdobeStock

       www.eulenspiegel.com

      Über das Buch

      Täter vor Gericht: Strafverteidiger Bernd Hesse kennt und erzählt ihre Geschichten vom Ausgangspunkt an und in allen Verästelungen. Wahre Kriminalfälle aus dem Bereich des »Organisierten Verbrechens« und dem Rotlichtmilieu, der Doppelmord eines Jurastudenten an seinen Eltern, die Tat eines geständigen Mörders, die Zweifel aufkommen lässt an der Wahrheit seines Geständnisses. Spannende Lektüre, die in tragische Verwicklungen »ganz normaler Bürger« und in seelische Abgründe blicken lässt.

      Über den Autor

      Bernd Hesse wurde 1962 in Bad Saarow geboren. Nach Schulzeit, ­Abitur und Ausbildung arbeitete er als Rohrleitungsmonteur für Erdöl­anlagen. Er studierte Jura an der Freien Universität Berlin und promovierte zum Dr. iur. Nach einem Studium der Kulturwissenschaften mit Schwerpunkt Literaturwissenschaft/Linguistik promovierte er zum Dr. phil. Er betreibt eine Rechtsanwaltskanzlei in Frankfurt (Oder) sowie in Berlin, ist als Strafverteidiger tätig und Lehrbeauftragter der Juristischen Fakultät der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder). Neben einer Vielzahl juristischer Publi­kationen veröffentlichte er die Kriminalromane »Rubel, Rotlicht und Raketenwerfer« und »Wodka, Weiber, Wasserleiche«. Im Verlag Das Neue Berlin erschien die Sammlung authen­tischer Kriminalfälle »Die Hinrichtung«.

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      Inhalt

       Sieben Leben

       Der Jurastudent, der seine Eltern zerstückelte

       Durch die Hölle

      Sieben Leben

      Das Testament

      Paulina Persokeit saß in einem bequemen, alten Ohrensessel, vor sich auf dem Tisch ein Fläschchen und ein Glas sowie ein paar Dokumente.

      Es hätte das mit dem Leben in Einklang stehende Bild einer würdig in die Jahre gekommenen älteren Dame sein können, das sich dem Betrachter bot, wenn da nicht die ohnehin nur noch schlecht sehenden Augen gewesen wären, die zusammengekniffen die vor ihr liegenden »Schuldscheine« fixierten. Paulina rechnete zufrieden die Beträge zusammen, die sie von ihren Schuldnern, auch der angeheirateten Verwandtschaft, eintreiben lassen würde. Mit runzeliger, zittriger Hand schenkte sie sich ein Glas ein, um gleich besser schlafen zu können. Es war kein »guter Tropfen«; für so etwas war sie nicht bereit, extra Geld auszugeben. Ein Goldbrand aus dem kleinen Dorfladen tat es auch. Einen guten Schnaps hatte sie zuletzt getrunken, als sie den alten Architekten eingewickelt hatte, der ihr das Haus herrichten sollte. Aber nachdem er seine Schuldigkeit getan hatte, gab es keinen Grund mehr, für irgendjemanden einen besonderen Tropfen bereitzuhalten.

      Natürlich würden diese Schnorrer angekrochen kommen, wenn sie sie einlüde. Aber darauf konnten die lange warten. Sie hatte sogar den großen Tisch wieder aus dem Haus entfernen lassen, damit niemand auch nur auf die Idee käme, sich bei ihr einzuladen. Sie kam nicht auf den ­Ge­danken, dass sich freiwillig niemand zu ihr einladen würde.

      Ihre meist abendlichen Gäste wollten unerkannt bleiben und kamen im Schutze der Dunkelheit. Niemand gab öffentlich zu, einer ihrer Schuldner zu sein, und dennoch standen so viele mit ihr im Bunde.

      Kurz überlegte die alte Persokeit, ob sie das Auto nicht doch noch in die Garage fahren sollte, bevor es jemand stehlen könnte. Sie entschied sich dagegen. Es war ja nicht ihr erster Schnaps gewesen, und es war schon dunkel. Das fehlte ihr noch, dass sie versehentlich mit dem Auto in den nahen See abrutschte und wie eine Katze aus einem Wurf, den niemand haben wollte, ersaufen würde! Da würden sich viele ihrer Schuldner aber freuen, wenn sie verreckte. Diese Freude würde sie ihnen nicht bereiten.

      Als sie nun die Dokumente in dem sehr alten und hübsch anzusehenden Sekretär verschloss, spürte sie, wie die kurze Freude, die sie beim Rechnen empfand, erlosch. Ein verzerrtes Lächeln zeichnete sich auf ihrem Gesicht ab, als sie darüber nachdachte, wie viele von diesen einfältigen Menschen in diesem ungeliebten Dorf von ihr abhängig waren. Die waren alle nicht in der Lage, alleine zu wirtschaften und zu leben. Sie brauchte niemanden weiter, um glücklich zu sein. Bei diesem Gedanken schüttelte sie unmerklich den Kopf. Nein, glücklich, das war auch sie nicht. Aber was war das schon, dieses »Glück«? Ein flüchtiger Moment, ohne den es sich auch leben ließ. Sollten diese anderen Kreaturen sich doch etwas vormachen, ihre Fratzen auf Fotos oder diesen neumodischen Selfies zu einem Lächeln verziehen – sie kannte die wirklichen Gesichter dahinter, wenn sie zu ihr kamen und bettelten. Da lächelte keiner.

      Sie sinnierte, dass sie eigentlich nie in dieses idyllisch im Oderbruch gelegene Dorf gehört hatte. Aber wer gehört schon wirklich in ein Dorf, der dort nicht geboren und aufgewachsen ist? Das kann vielleicht eine zweite Generation bewerkstelligen.

      Dafür war sie hier im Dorf in aller Munde, und das verschaffte ihr ein wenig Genugtuung. Es freute sie, wenn die Leute im kleinen Dorfladen anfingen zu tuscheln, sobald sie eintrat, sich aber niemand getraute, sie direkt anzusprechen. Das wünschte sie auch nicht. Und die angetrunkenen Bauern am Stehtisch in der Ecke des Ladens, mit denen wollte sie offiziell auch nichts zu tun haben. Wenn sie ihre Wirtschaft mal wieder schlecht geführt hatten, ein weiteres Balg ins Haus stand, etwas am Haus gerichtet werden musste oder nur mal ein Wunsch in Erfüllung gehen sollte, den sie sich nicht leisten konnten, und Geld benötigten, das ihnen keine Bank mehr bereit war zu geben, dann kämen sie schon angekrochen.

      Paulines Vater, Ottmar Persokeit, war durch die Kriegswirren nach Brandenburg gelangt und hatte festgestellt, dass man auf dem Land nicht so sehr hungerte wie in der Stadt. Er nahm sich eine junge Frau, deren Mann im Krieg gefallen war, zeugte eine Tochter und faulenzte herum. »Das Land ist viel zu schön, um es zu bearbeiten«, meinte er immer. Als man ihn aus dem Dorf vertrieb, hatte die Mutter Paulina, ein widersetzliches und nur aufs Geld schielendes Kind, dem faulen und genauso dem Hang zum Gelde verfallenen Vater gleich mit an die Hand gegeben. Der Vater schaute sich – gut sechs Jahrzehnte war das her, aber was bedeutet das in einem Dorfe schon! – im nächsten Ort nach einem der größeren Häuser um und wurde fündig: Das Staroski-Haus verhieß eine gute Partie.

      Nach einiger Zeit heiratete Ottmar die Tochter eines der reichsten Bauern des Dorfes, Gudrun Staroski. Sie hatte ­einen spät geborenen Bruder, der zu dieser Zeit noch ein Kind war. Gudruns Vater warnte vor dieser Verbindung mit einem Tagedieb und Taugenichts. Wann je hätten verliebte junge Mädchen auf derlei Warnungen der Eltern gehört?

      Der Standesunterschied zwischen Ottmar Persokeit und Gudrun wurde scheinbar aufgehoben, als die Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft gegründet wurde. Die Ländereien von Gudruns Vater weckten die Begehrlichkeiten der LPG. Gudruns Vater war mit seinem Eintritt in die LPG zwar nicht enteignet worden, denn