viele Verdächtige mehr gegeben hätte, wenn festgestellt worden wäre, dass beispielsweise bei einem Dorffest vor zehn Jahren derartige Geschirrtücher in einer Tombola zu Dutzenden verlost worden seien, beantwortete der Beamte damit, dass er von einer solchen Tombola nichts wisse.
Das wiederum beantwortete meine Frage nicht und war von ihm geschickt pariert, weil er sich auf seine Wahrnehmungen stützte, zu denen er antwortete.
Ich versuchte, mit meinen Fragen darauf abzuzielen, dass viele Verdächtige mehr in Betracht kämen, die ein Motiv und die Gelegenheit gehabt hätten, das Opfer umzubringen, und es überhaupt nicht sicher sei, dass mein Mandant der Täter sei.
Wenn der Verteidiger dann dem Gericht keine andere schlüssige Version des möglichen Tatverlaufs präsentiert, weckt er kaum Zweifel oder gar Interesse, zumal wenn ein Geständnis des Angeklagten vorliegt und alles so schön passt.
Wie schon erwähnt, war das Gutachten über die Todesursache von besonderem Interesse. Da die Verteidigung unter anderem darauf aufbaute, dass der Angeklagte das Opfer zum Zeitpunkt der eigentlichen Tötungshandlung – das Schieben des Fahrzeugs in den See – überhaupt nicht mehr umbringen wollte, war es wichtig, dass der Gutachter bestätigte, dass Frau Persokeit nicht erwürgt worden, sondern ertrunken sei.
Man nennt diese Todesart auch heute meist »Ertrinken«, obwohl seit fast zweihundert Jahren unter den Medizinern Einigkeit darüber besteht, dass die eigentliche Todesursache beim sogenannten Ertrinken das Ersticken ist, weil die Luft, die für das Leben notwendig ist, von der Flüssigkeit abgeschlossen wird.
Nun bekommt der geübte Krimi-Leser häufig zu lesen, dass bei einem Tod, der vor dem Ertrinken eingetreten ist, kein Wasser in der Lunge nachzuweisen ist, hingegen sich Wasser in der Lunge befindet, wenn das Ertrinken die Ursache ist, weil der Tote ja noch versucht habe zu atmen. Das geht aber an den vielen Möglichkeiten des Todes durch Ertrinken vorbei. Wasser, das beim Einatmen in die Lunge gerät, kann durchaus über die Lungenbläschen in den Blutkreislauf aufgenommen und wegtransportiert werden. Deshalb wird beim Tod durch Ertrinken häufig eine trockene, aufgeblähte Lunge festgestellt. Die Vorstellung, dass beim Ertrinken immer Wasser in der Lunge sein muss, ist nicht haltbar. Wie in der Strafverteidigung, so kommt es bei der Untersuchung von Todesursachen auch immer auf den Einzelfall an.
Das Opfer hier war bewusstlos, und mein Mandant hatte eine normale Atemtätigkeit schon nicht mehr feststellen können; diese war also zumindest eingeschränkt und die Lunge nicht mehr in der Lage, das Wasser in dem Umfang in den Blutkreislauf umzusetzen, wie es in die Lunge drang.
Deshalb sind Gutachter auch auf die Informationen angewiesen, die sie den Akten entnehmen können, wie den Auffindungsort, die Zeit zwischen Eintritt des Todes und dem Auffinden der Leiche und so weiter. Im konkreten Fall konnte der Gutachter durch die Untersuchung von Gewebeproben verschiedener innerer Organe nachweisen, dass in ihnen Stoffe vorhanden waren, die er auch im See festgestellt hatte, in dem das Fahrzeug versenkt worden war. Damit war der Nachweis erbracht, dass der Körper des Opfers noch Flüssigkeit aufgenommen und verarbeitet hatte, als es in den See gefahren wurde. Es hatte zu diesem Zeitpunkt also noch gelebt.
Das Gericht hatte am Ende der Verhandlung keinen Zweifel daran gelassen, dass es meinen Mandanten als den Schuldigen ansah. Nach dem Urteil erklärte ich Matthias Staroski die geringen Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels. Wir wogen Für und Wider ab; letztlich entschied er sich für die Einlegung der Revision.
Der Beschluss des Bundesgerichtshofes über die Revision kam in die Kanzlei geflattert. Doreen ließ den Datumsstempel auf das Dokument krachen, überflog die Entscheidung und kommentierte sie wie folgt: »Na, Doc, das hast du wohl verkackt!«
Als Strafrechtler liest man das erste Wort der Entscheidung und weiß, wie das Verfahren ausgegangen ist. Beginnt sie mit dem Wörtchen »die«, dann wurde die Revision des Angeklagten verworfen. Man braucht das Papier dann auch nicht weiterzulesen. Es ist genauso wie ein Kommentar in sozialen Medien, der damit beginnt, dass jemand behauptet, zwar für die Gleichberechtigung von Mann und Frau zu sein, aber … Dass man trotzdem weiterliest, steht auf einem völlig anderen Blatt.
Hingegen darf man hoffen, wenn das Wörtchen »auf« am Beginn steht. Denn dann hat die ursprüngliche Entscheidung »auf« die Revision des Angeklagten hin eine Änderung erfahren.
Der mir gerade zugestellte Beschluss begann mit dem Wörtchen »die«.
Der Bundesgerichtshof sah keine Veranlassung, von seiner früheren Rechtsprechung abzuweichen, wonach – um es auf eine einfache Formel zu bringen – der Wille des Täters zur Tötung des Opfers im Gesamtgeschehen zum Ausdruck kommt. Die Tatnacht wurde demnach nicht in einzelne Handlungen zergliedert, bei denen der Täter einmal eine Tötungsabsicht hatte, dann aber ohne diese weiterhandelte. Das mag man so sehen, aber zwingend ist dieser Schluss nicht.
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