macht dich so sicher?«, fragte sie, lächelte aber dabei.
»Nun, andernfalls wärst du wohl kaum zurückgekommen«, ließ die schlagfertige Antwort nicht lange auf sich warten.
Laura lachte.
»Scharfsinnig wie eh und je.« Sie nickte anerkennend. »Aber sag, wie ist es dir ergangen in all den Jahren? Liegt deine Frau hier auf der Station?« Diese Frage war ihr so herausgerutscht.
Unwillig bemerkte sie, wie ihr Herz vor Aufregung schneller schlug, während sie auf die Antwort wartete. Benedikt ließ sich Zeit. Eine Schwester kam vorbei und grüßte nickend. Ihre Sohlen quietschten leise auf dem Linoleum, als sie eilig weiterging und am Ende des Flurs fast mit einer Kollegin zusammengestoßen wäre.
»Hoppla!«, rief Schwester Carina. Bevor Josephine ihr helfen konnte, bückte sie sich nach den Tabletten, die ihr auf den Boden gefallen waren. Rasch sammelte sie die Blister ein und ließ sie in den Kitteltaschen verschwinden.
Die beiden Kolleginnen tauschten verständnisinnige Blicke, ehe jede schnell wieder ihres Weges ging.
Benedikts Aufmerksamkeit war von dieser kleinen Szenen gefangen genommen worden. Jetzt kehrte sein Interesse wieder zu Laura zurück.
»Ich bin seit Jahren geschieden«, antwortete er auf ihre Frage. »Meine Tochter liegt hier nach einem missglückten Schwangerschaftsabbruch.«
»Oh, das tut mir leid.« Vor Verlegenheit bohrte Laura die Hände noch tiefer in ihre Hosentaschen. Sie ahnte nicht, dass sie in Jeans und Pullover und mit dem offenen Haar fast noch so aussah wie die junge Studentin, die damals so selbstsicher ihren Weg gegangen war. »Wie alt ist deine Tochter?«
»Sina ist fünfzehn. Und genauso dumm wie wir damals.«
Trotz ihres Mitgefühls musste Laura lachen.
»Warum sollte sie auch anders sein? Denk doch an uns. Stundenlang haben unsere Eltern uns vorgebetet: Tu dies. Lass jenes. Und? Was haben wir gemacht?«
»Dieselben Fehler wie Generationen vor uns«, gab Benedikt ihr grinsend recht und fuhr sich mit der Hand übers unrasierte Kinn. »Dabei hatte ich wirklich gehofft, dass ich Einfluss habe auf Sina. Weißt du, seit vielen Jahren muss ich ihr Mutter und Vater zugleich sein. Ich habe mir viel Mühe gegeben, diese Rollen so gut wie möglich auszufüllen.« Für einen kurzen Augenblick verschwand das Strahlen von seinem Gesicht und gab den Blick frei auf sein Innerstes.
Lauras Herz zog sich schmerzhaft zusammen. Wie aus einem Dornröschenschlaf erwacht, regten sich die Gefühle von damals und blinzelten ihr aus weiter Ferne aber durchaus erkennbar zu.
»Vielleicht war es doch ein Fehler, dass ich mich damals nicht auf das Abenteuer Fernbeziehung eingelassen habe«, hörte sie sich zu ihrem eigenen Erstaunen laut sagen. »Aber das, was heute fast Normalität ist, war damals ja schier undenkbar. Wer weiß, vielleicht hätten wir heute Kinder und könnten das alles gemeinsam durchstehen.« Verlegen hielt Laura inne und musterte Benedikt, versuchte, in seiner Miene zu lesen. Als sie nichts als Sympathie darin fand, fuhr sie mutiger fort. »Ich habe oft darüber nachgedacht, wie es zwischen uns wohl weitergegangen wäre.«
Dieses Geständnis überraschte Benedikt sichtlich. Er legte den Kopf ein klein wenig schief, dass ihm eine Strähne seines dunklen Haars vorwitzig in die Stirn fiel.
»Glaub mir, das hab ich auch mehr als einmal gemacht«, gestand er offenherzig. »Und wer weiß, vielleicht bin ich auch nicht ganz unschuldig daran, dass du Schluss gemacht hast. Vielleicht konnte ich dir damals einfach nicht genug Sicherheit geben.«
Sicherheit! Dieses Wort klang wie Hohn in Lauras Ohren. Sie lachte bitter.
»Ach, wir sollten nicht fantasieren. Es gibt einfach keine Sicherheit.«
»So desillusioniert bist du schon?«, hakte Benedikt erbarmungslos nach. »Das klingt nicht gerade nach glücklichem Liebesleben.«
»Das habe ich auch nicht.« Vor Verlegenheit stieg Laura eine heiße Röte in die Wangen. Trotzdem machte sie kein Geheimnis aus ihrer Schwäche. Wenigstens das war sie Benedikt schuldig. »Ich habe schon lange vor, mich aus dieser Beziehung zu lösen. Wenn man das, was wir haben, überhaupt Beziehung nennen kann. Aber bis jetzt hat mir irgendwie die Kraft dazu gefehlt.«
Benedikt dankte ihr ihre Offenheit mit einem tiefen Blick in ihre faszinierenden Augen.
»Wer weiß, vielleicht ist dieses Treffen ja ein Zeichen. Auch wenn der Anlass nicht unbedingt erfreulich ist.« Unwillkürlich waren seine Gedanken zu seiner Tochter zurückgekehrt, die glücklicherweise über den Berg war.
Vernünftig, wie Laura war, sah auch sie ein, dass dieser Augenblick weder die richtige Zeit noch der richtige Ort waren, um eine alte Liebesgeschichte aufzuwärmen. Zuerst einmal musste sie Ordnung in ihrem Leben schaffen. Das Treffen mit ihrer Jugendliebe hatte sie auf eine Idee gebracht, wie sie das wirklich schaffen konnte.
»Ich werde gleich morgen früh nach deiner Tochter sehen und sämtliche Informationen über ihren Gesundheitszustand zusammensuchen, die ich bekommen kann«, las sie die Sorge in seinen Augen.
Fast sofort wurde das Lächeln auf Benedikts markantem Mund wieder tiefer.
»Du bist einfach ein Schatz. Darf ich mich dafür mit einer Einladung zum Essen revanchieren?«, fragte er und streckte die Hand nach der ihren aus, die immer noch tief in der Hosentasche steckte. »Das hast du früher schon immer gemacht«, lächelte er versonnen, während er sie behutsam herauszog und an die Lippen führte.
»Ich denke, das mit dem Abendessen lässt sich einrichten«, erwiderte Laura Merz geschmeichelt, und wieder klopfte ihr Herz aufgeregt in ihrer Brust. Ehe sie sich von ihm verabschiedete, tauschten sie Telefonnummern.
»Darf ich dich heimbringen?«, bot Benedikt Meurer großzügig an.
Doch Laura hatte andere Pläne. Noch an diesem Abend wollte sie den entscheidenden Schritt in die Richtung machen, die ihr Leben endlich ändern würde.
»Ich hab noch was zu erledigen, bevor ich heim kann«, sagte sie bedauernd. »Aber trotzdem danke für das Angebot.«
»Gern geschehen.« Benedikt schickte ihr einen tiefen Blick. »Ich freue mich auf alles mit dir.«
Laura lächelte strahlend und sah ihm nach, wie er davonging, sich an der Ecke noch einmal umdrehte und winkte, ehe er endgültig verschwand. Dann machte sie sich auf die Suche nach dem Medikamentenschrank. Nur dieses eine, einzige Mal noch.
*
»Aber das kannst du mir nicht antun!« Fassungslos saß Achim Hübner seiner Freundin am nächsten Morgen gegenüber und versuchte zu verstehen, was Laura ihm noch vor ihrem ersten Arbeitstag an der Behnisch-Klinik eröffnet hatte.
»Warum nicht?«, fragte sie und wunderte sich über ihre eigene Gefühlskälte. »Ich hab dir besorgt, was du wolltest. Damit habe ich meine Schuldigkeit getan. Nimm dieses Zeug und verschwinde damit aus meinem Leben. Ich kann nicht mehr.«
»Aber was soll denn aus mir werden ohne dich?« Der Feuerwehrmann war nur noch ein Schatten seiner selbst. Trotz der frühen Stunde wirkte er angespannt und zu Tode erschöpft. Seine Augen lagen in dunklen Höhlen, und der Zug um seinen Mund wirkte angestrengt. »Ich brauch dich doch.«
Als Ärztin und auch aus zahllosen anderen Versuchen wusste Laura, dass sie ihm nicht helfen konnte. Wenn, dann konnte nur Achim selbst sich retten. Dank dem Wiedersehen mit Benedikt hatte Laura endlich die Kraft in sich gefunden, die sie so lange schmerzlich vermisst hatte. Die Kraft, die nötig war, um diesen Weg trotz aller Freundschaft, die sie für den gebrochenen Mann empfand, zu gehen.
»Du brauchst nicht mich, sondern die Rauschmittel, die ich dir besorge. Das weißt du selbst am besten«, erklärte sie so ruhig wie möglich. Dabei ließ sie die Uhr nicht aus den Augen. In spätestens zehn Minuten musste sie aufbrechen, wenn sie nicht zu spät zu ihrem ersten Dienst kommen wollte.
»Aber das stimmt doch so nicht. Du machst einen riesigen Fehler, wenn du das denkst«, rief Achim verzweifelt und sprang auf.
Er