Patricia Vandenberg

Dr. Norden (ab 600) Jubiläumsbox 6 – Arztroman


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Notaufnahme gekommen war. Bevor sie sich jedoch entschuldigen konnte, hatte sich die Schwester schon auf den Weg gemacht.

      »Schwester Annabel hat angerufen«, sprach sie einen Kollegen an, der sich um eine verwundete Frau beugte, die im Rollstuhl saß und ein blutendes Tuch an die Wange hielt. »Hier soll irgendwo eine Patientin für die Gynäkologie auf mich warten.«

      Irritiert blickte der Arzt hoch.

      »Wie bitte? Was?« Konzentriert, wie er war, hatte er noch nicht einmal die Frage gehört.

      »Schon gut!«, winkte Laura ab und sah sich noch einmal um. Da entdeckte sie die Krankenliege mit einer jungen Frau. Zusammengekrümmt lag sie auf der Seite und nahm vor Schmerzen kaum mehr Notiz von ihrer Umgebung. So schnell es ging, kämpfte sich Laura Merz zu ihr vor.

      »Sind Sie die Patientin mit den Unterleibsschmerzen?«, fragte sie vorsichtshalber noch einmal nach.

      Wie aus einer Trance erwacht hob Anneka den Kopf und starrte die Ärztin verständnislos an.

      »Ja. Ich bin Anneka Norden«, murmelte sie endlich matt.

      Erleichtert löste Laura die Bremse der Liege und nahm sich ein Beispiel an der Schwester von vorhin. Laut rufend bahnte sie sich einen Weg durch die vielen Menschen, die die Notaufnahme noch immer bevölkerten. Erst nach und nach ließ der Ansturm nach.

      »Gleich haben wir es geschafft!«, seufzte die Frauenärztin halb laut und hatte schon den Aufzug im Blick, als sich die Tür eines Schockraums öffnete. Unwillkürlich starrte sie hinein und registrierte die Ärzte und Schwestern, die mit betretenen Mienen um einen Behandlungstisch herum standen. Der Mann, der reglos darauf lag, war niemand anderer als Achim.

      »Das war’s dann, Leute!«, hörte Laura die Stimme eines Kollegen wie durch Watte an ihrem Ohr. Gleichzeitig ertönte eine andere Stimme hinter ihr.

      »Wollen Sie hier Wurzeln schlagen, Frau Kollegin?«, fauchte ein Arzt, der um ein Haar mit Laura zusammengestoßen wäre, als sie so abrupt stehen geblieben war.

      »Nein, nein, natürlich nicht«, stammelte sie und setzte sich mitsamt Annekas Liege wieder in Bewegung.

      Sie stand unter Schock und tat mechanisch das, was zu tun war.

      Als sie mit ihrer Patientin wenig später vor ihrem Behandlungszimmer in der Gynäkologie angelangt war, wusste sie nicht mehr, wie sie dorthin gekommen war. Mechanisch half sie Anneka von der Liege und bat sie, sich freizumachen und auf den Untersuchungsstuhl zu setzen. Die junge Lernschwester Carina assistierte ihr.

      »Dann wollen wir mal sehen«, murmelte Dr. Merz und begann mit der Tastuntersuchung.

      Gequält stöhnte Anneka auf.

      »Seit wann haben Sie die Schmerzen?«, fragte die Gynäkologin und versuchte so gut wie möglich, sich auf die Untersuchung zu konzentrieren. Doch Achims Anblick hatte sich in ihr Gedächtnis eingebrannt und wollte sich nicht vertreiben lassen.

      »Seit gestern Abend«, antwortete Anneka unterdessen und betrachtete voller Angst den Stab, den Laura zur Hand nahm.

      »Ich mache jetzt eine vaginale Ultraschalluntersuchung. Damit kann ich feststellen, ob Ihre Beschwerden tatsächlich von einer Zyste herrühren«, fuhr Laura Merz in ihren Erklärungen fort und starrte auf den Bildschirm des Ultraschallgeräts. Er war schwarz. »Was ist denn da los? Warum geht das nicht?«, murmelte sie, als sich Schwester Carina vorbeugte und wortlos das Gerät einschaltete.

      Laura biss sich auf die Lippe und begann mit der Untersuchung.

      »Da haben wir ja die Wurzel des Übels«, stellte sie nach einer Weile lapidar fest. »Es handelt sich tatsächlich um eine Ovarialzyste am rechten Eierstock. Das kann schon mal ein bisschen ziehen, ist aber nicht weiter gefährlich.« Fast abrupt beendete sie die Untersuchung und hieß die verdutzte Anneka, sich wieder anzuziehen.

      Und auch Schwester Carina wunderte sich.

      »Soll ich die Patientin zum CT anmelden?«, fragte sie vorsichtshalber.

      Geistesabwesend winkte Laura Merz ab und setzte sich an ihren Schreibtisch. Sie zog die Computertastatur zu sich heran und machte ihre Notizen.

      Inzwischen hatte sich Anneka wieder angezogen und setzte sich schüchtern auf den Stuhl vor dem Schreibtisch. Angesichts des Unglücks in der Notaufnahme wagte sie es kaum, sich zu wehren.

      »Diese Schmerzen sind schlimmer als ein bisschen Ziehen«, rang sie sich schließlich doch durch, ihr Problem noch einmal anzusprechen. Noch so eine Nacht würde sie nicht ertragen. So viel war sicher.

      Dr. Merz hatte ihre Eingabe beendet und saß blicklos vor dem Bildschirm.

      Als sie nicht auf Annekas Bemerkung reagierte, tippte Schwester Carina sie auf die Schulter.

      »Frau Dr. Merz?«

      Wie ertappt zuckte die Gynäkologin zusammen und starrte ihre junge Patientin an.

      »Ach so, ja, gut ... ich gebe Ihnen ein Schmerzmittel mit. Falls es in den nächsten Tagen nicht besser wird, sollten Sie zu Ihrem Frauenarzt gehen.« Während sie sprach, rollte sie mit dem Stuhl hinüber zu einem Schrank und zog eine Schublade auf. Nach kurzer Bedenkzeit suchte sie ein geeignetes Medikament heraus, das sie Anneka gleich darauf über den Tisch schob. »Eine Klinik brauchen Sie übrigens nicht für diese Art der Erkrankung. Sie sehen ja selbst, dass die Ärzte hier sehr beschäftigt sind.« Laura setzte ein liebenswürdiges Lächeln auf und sah der Arzttochter dabei zu, wie sie die Schachtel hastig in der Jackentasche verschwinden ließ.

      »Natürlich. Tut mir leid, dass ich Ihre Zeit in Anspruch genommen habe«, entschuldigte sich Anneka mit riesengroßem schlechten Gewissen.

      Obwohl die Schmerzen keine Spur besser geworden waren, rappelte sie sich vom Stuhl hoch und floh nach einem kurzen Gruß aus dem Sprechzimmer.

      Schwester Carina sah ihr zweifelnd nach.

      »Sind Sie sicher, dass Sie die richtige Diagnose gestellt haben?«, fragte sie und drehte sich zu der neuen Ärztin um.

      Zu ihrem großen Erstaunen war Lauras Stuhl leer. Die Gynäkologin hatte die andere Tür genutzt, um das Sprechzimmer durch den Behandlungsraum zu verlassen. Keine Sekunde länger hätte sie es dort ausgehalten und musste die erstbeste Gelegenheit nutzen, um sich Gewissheit zu verschaffen.

      *

      »Desinfizieren und versorgen, bitte!«, bat Dr. Daniel Norden und richtete sich stöhnend auf. Während er den schmerzenden Rücken rieb, ruhte sein Blick auf seinem Sohn Danny, der ihm gegenüber an der Behandlungsliege stand. Auch Janine war als ehemalige Krankenschwester mit von der Partie und half, die oberflächlichen Schnittwunden zu versorgen, die sich der ältere Herr bei der Gasexplosion durch herumfliegende Splitter am ganzen Körper zugezogen hatte. Mit Hilfe von Beruhigungsmitteln hatten sie ihn in einen leichten Schlaf versetzt, damit er möglichst wenig von der mitunter schmerzhaften Prozedur mitbekam. »Damit sind wir hier oben fertig.«

      »Bleiben noch die Beine«, stellte Danny lakonisch fest und lüftete die Decke von einer der Extremitäten. Die größeren Wunden waren bereits von Janine und Wendy provisorisch versorgt und verbunden worden. Die vielen kleinen und größeren Pflaster ließen an einen Streuselkuchen denken.

      »Bei Ihnen alles klar? Können wir weitermachen?«, erkundigte sich Daniel bei Janine, die eben Puls, Blutdruck und Atmung des Patienten überprüfte. Neben der Liege stand ein Gestell mit Ringerlösung, ein dünner Schlauch führte vom Beutel ins Handgelenk des Patienten.

      »Herr Aurich ist stabil. Von mir aus spricht nichts dagegen«, gab sie grünes Licht.

      Danny beugte sich über die Wunden. Er entfernte den nächsten provisorischen Verband und betrachtete die darunterliegende Verletzung.

      »Pinzette, bitte!«

      Janine griff nach einem der frisch sterilisierten Bestecke, mit denen Wendy sie vorhin versorgt hatte, und legte das Gewünschte in Dannys Hand.

      »Da haben wir ja den Übeltäter«, erklärte er kurz darauf und zog