Stephanie von Deyen

Mami Staffel 9 – Familienroman


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unverwüstlichen Kahn.

      Es roch nach Tang, Teer und Tran. Sara schien das alles nichts auszumachen, und auch der hohe Seegang an diesem Morgen legte sich ihr nicht auf den Magen.

      Ganz anders war’s bei ihrer Mami. Kaum war Klaus Harmsen ein Stück vom Stand weg, wurde ihr auch schon übel. Und der wortkarge Fischer machte keinerlei Anstalten, das schwankende Boot anzuhalten.

      »Wie weit geht es denn noch aufs Meer hinaus?« flüsterte Isabel Jens zu.

      Der Junge machte eine unbestimmte Handbewegung. »Noch weit. Dahinten sind unsere Netze. Aber Sie müssen still sein, sonst wird Papa böse!«

      Die ›Molli‹ schwankte wie eine Nußschale, Wasser spritzte über die Reling. Isael hüllte sich fester in ihre gelbe Gummijacke und sandte ein Stoßgebet gen Himmel. Hoffentlich hatte diese Fahrt bald ein Ende!

      Aber Fischer Harmsen ließ den Motor seiner ›Molli‹ auf Hochtouren laufen und schwenkte in die offene See ein.

      Sara und Jens kicherten, natürlich leise. Beiden machte das Unternehmen einen riesigen Spaß.

      »Du siehst ja ganz grün aus, Mami!« flüsterte Sara. Und Jens fügte mit Kennermiene hinzu: »Sie ist seekrank!«

      Zum Umkehren war es zu spät. Irgendwann – Isabel kam es endlos vor – drosselte Klaus Harmsen den Motor seines ächzenden alten Fischkutters. Nun machten die Wellen mit dem kleinen Schiff erst recht, was sie wollten. Verzweifelt starrte Isabel auf den Horizont, der wenigstens nicht hin und her schwankte.

      Klaus Harmsen zog die Netze ein, murmelte etwas von einem guten Fang und fluchte leise über den Seegang, der heute morgen unruhig sei. Isabel hörte und sah alles nur am Rande. Wenigstens wendete der gute Mann nach einer Weile, während Sara die armen Fische bedauerte, die ihr Leben lassen mußten. Und nur, damit man sie später in Butter braten und mit Zitronenscheiben servieren konnte!

      »Es gibt so viele Fische!« meinte der kleine blonde Jens tröstend. »Wenn wir nicht ein paar von denen essen, dann fressen sie eines Tages noch uns!«

      Sara leuchtete das ein, und bald kicherte sie mit Jens zusammen wieder über irgend etwas. Unterdessen hob und senkte sich Isabels Magen im Gleichtakt mit dem Kutter, der wieder Richtung Hohensand fuhr.

      »Ist Ihnen nicht gut, junge Frau?« fragte Klaus Harmsen in aller Ruhe. »Ja, man muß das gewohnt sein. Wenn Sie ein paar Mal mitfahren, dann merken Sie den Seegang gar nicht mehr.«

      Endlich wieder an Land, weigerte sich Saras Mutter entschieden, auch noch den kleinen Hohensander Fischmarkt zu besuchen.

      »Aber es war doch abgemacht!« bettelte Sara. Sie hatte rote Wangen, und daß sie jemals gehustet hatte, mochte man nicht glauben. So gesund sah sie aus, daß man sie für ein Werbefoto eines Ostsee-Reiseprospektes hätte ablichten können!

      »Geh nur mit… Herr Harmsen ist sicher so nett und bringt dich nachher zurück. Ich kann keinen Fisch mehr riechen!« stöhnte Isabel.

      »Wird gemacht, junge Frau!« erwiderte Klaus Harmsen knapp. »So, ihr beiden Sprotten, dann kommt mal mit.«

      Während Sara und Jens davonhüpften, stieg Isabel rasch in ihr Auto, das sie an der Mole geparkt hatte. Schnell zurück ins Möwennest Nummer drei!

      Nach einem heißen Tee und einem Apfelschnaps – Gero hatte ihr kürzlich eine Flasche vorbeigebracht – fühlte sie sich halbwegs wieder als Mensch und mußte fast über sich selbst lachen. Sie mußte wirklich ein Bild des Jammers geboten haben, grünweiß im Gesicht auf dem schwankenden Fischkutter!

      Gegen elf Uhr kam Sara zurück und plapperte: »Der Vater von Jens ist nett, auch wenn er nicht viel sagt. Heute Abend bringt er uns eine kleine Kiste Kieler Sprotten, die räuchert er nämlich selbst. Einfach so, als Geschenk.«

      »O nein! Bitte keinen Fisch mehr!« lachte Isabel. »Na ja… wir können ja Gero zum Essen einladen, er wird einiges vertilgen. Die Sprotten halten sich auch noch ein, zwei Tage. Wo warst du denn so lange, Maus?«

      »Na… auf dem Fischmarkt, da war es ganz super, und dann hat mich der Jens zu sich nach Hause eingeladen. Zum Frühstück. Seine Mutter ist auch nett. Sie arbeitet auch, hat sie gesagt, fünf Stunden am Tag in dem großen Hotel Dünenhof als Zimmermädchen, weil sie doch das Geld brauchen. Mami, das Haus, in dem sie wohnen, ist klein und ein bißchen kaputt, aber sie wollen es ausbessern.«

      »Und das kostet Geld!« seufzte Isabel und nahm sich vor, Fischer Harmsen eine »Kostenbeteiligung« für den heutigen Ausflug zuzustecken!

      Punkt zwölf machten sich Mutter und Tochter auf den Weg zu Gero, um Kiki abzuholen. Ein Stück den Dünenweg entlang, dann nach rechts und geradeaus, schon waren sie da.

      Ein fremdes Auto stand vor dem Reetdachhaus, rot mit Kieler Kennzeichen. Drinnen empfing Thea Keller die beiden Urlauberinnen. Sie hatte sich bereits ihre Jacke übergestreift und war im Begriff, nach Hause zu gehen.

      »Frau Sievers!« flüsterte sie. »Ich weiß nicht, ob es gut ist, daß Sie jetzt reingehen… weil…«

      »Warum denn nicht, Thea? Ich klopfe an.« Verwundert schüttelte Isabel den Kopf. Thea verschwand eilig, als sei der Teufel hinter ihr her.

      Isabels Klopfen wurde glatt überhört, statt dessen drangen aus dem Wohnzimmer laute Stimmen: Die eine war weiblich, die andere gehörte zweifellos Gero. Und dazwischen – oh Schreck! – hörte man Kiki in höchster Aufregung kreischen: »Klabautermann! Wo ist der Kapitän?«

      Sekunden später standen Isabel und ihre Tochter im Zimmer, und Kiki segelte sofort auf Saras Schulter.

      »Mein Gott… warum hast du ihn aus dem Käfig gelassen, Gero?« rief Isabel aus »Was ist denn eigentlich los?«

      »Gut, daß du kommst, Liebes!« erwiderte er grimmig und warf einen wenig freundlichen Blick auf die perfekt gestylte junge Frau, die mit zornblitzenden Augen vor ihm stand. »Kiki ist mir entwischt, als ich ihm ein paar Sonnenblumenkerne in den Käfig legen wollte. Aber er ist kein Problem. Marita ist das Problem… sie begreift einfach nicht, daß sie hier fehl am Platze ist!«

      Kein Zweifel… Marita Kraus von Immibolien Reiter aus Kiel war es, die hier ein heilloses Durcheinander produzierte.

      »Jetzt verstehe ich!« kreischte sie. »Also in diese Frau hast du dich verliebt, Gero? Eine Urlauberin… lächerlich! Warum hält dieser gräßliche Vogel nicht wenigstens für einen Moment den Schnabel?«

      Marita trug ein grünes Kostüm, das überhaupt nicht hierher nach Hohensand paßte, elegante Schuhe und große goldene Ohrclips, die verlockend funkelten. So verlockend, daß Kiki mit seinem aufgeregten Gekreische innehielt. Neugierig beäugte er von Saras Schulter aus die glänzenden Schmuckstücke, die ihn an seine geliebten Knöpfe im Kölner Haus erinnerten.

      »Marita… schon bevor ich Isabel kennengelernt habe, war es aus zwischen uns, das weißt du doch!« Geros Stimme klang schneidend scharf. »Und jetzt kommst du einfach her mit einem Koffer im Auto, um dich für zwei Wochen bei mir im Haus einzuquartieren… unmöglich! Wenn du in Hohensand bleiben willst, dann steht dir doch das Appartement in der Wohnanlage zur Verfügung. Aber mich wirst du wohl verschonen, du störst mich und Isabel!«

      Marita lief rot an. »So, so!« zischte sie. »Na gut. Aber ich werde Herrn Reiter senior aufsuchen und ihm raten, dich künftig nicht mehr mit Bauvorhaben einzudecken. Er hört nämlich auf mich…«

      »… und auf mich erst recht!« schrie Gero, der jetzt die Beherrschung verloren hatte. »Du kannst mich doch nicht erpressen, Marita! Was würde Herr Reiter wohl sagen, wenn ich ihm Einzelheiten über dein unverschämtes Auftauchen bei mir erzähle?«

      Maritas Augen funkelten so wütend, daß Sara laut und vernehmlich fragte: »Mami… warum ist die Frau denn so böse?«

      Das war zuviel. Zornig wollte Marita das kleine Mädchen am Arm packen, aber sie hatte nicht mit Kiki gerechnet.

      Mit einem entrüsteten, schrillen Krächzen stürzte sich der Kakadu auf Marita. Wenn es um seine