Herbert George Wells

H. G. Wells – Gesammelte Werke


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färb­te. Die flie­hen­de Men­ge zu Fuß und im Wa­gen wur­de je­den Au­gen­blick zahl­rei­cher. »Schwar­zer Rauch!«, hör­te er die Leu­te ru­fen, im­mer wie­der »Schwar­zer Rauch!«, die An­ste­ckung ei­ner so ein­mü­tig ge­fühl­ten Furcht war un­ver­meid­lich. Als mein Bru­der an der Tor­schwel­le zö­ger­te, sah er einen an­de­ren Zei­tungs­ver­käu­fer her­aus­kom­men und kauf­te ihm ein Blatt ab. Der Mann eil­te mit sei­ner Ware wie­der wei­ter und ver­kauf­te die Blät­ter zu ei­nem Schil­ling das Stuck — ein gro­tes­kes Ge­misch von Hab­gier und Angst.

      Und in je­ner Zei­tung las mein Bru­der jene ver­häng­nis­vol­le Mel­dung des Ober­kom­man­dan­ten:

      »Die Mars­leu­te sind im­stan­de, ver­mit­tels ei­ner Art von Ra­ke­ten un­ge­heu­re Wol­ken ei­nes schwar­zen und gif­ti­gen Damp­fes zu ver­sen­den. Sie ha­ben un­se­re Bat­te­ri­en er­stickt, Rich­mond, King­ston und Wim­ble­don zer­stört und rücken nun lang­sam ge­gen Lon­don vor, in­dem sie un­ter­wegs al­les ver­nich­ten. Es ist un­mög­lich, sie auf­zu­hal­ten. Es gibt kei­ne an­de­re Ret­tung vor dem schwar­zen Rauch als un­ver­züg­li­che Flucht.«

      Das war al­les, aber es war ge­nug. Die gan­ze Be­völ­ke­rung der Sechs­mil­lio­nen­stadt schreck­te auf, lief und stürz­te in tol­lem Wirr­warr durch­ein­an­der; in Kür­ze wür­de sie sich wohl in Mas­sen nord­wärts er­gie­ßen.

      »Schwar­zer Rauch!«, hall­te es von al­len Sei­ten. »Feu­er!«

      Die Glo­cken der be­nach­bar­ten Kir­che ver­ur­sach­ten einen bim­meln­den Lärm, ein acht­los ge­lenk­ter Kar­ren zer­schell­te un­ter Schrei­en und Flu­chen an ei­nem Was­ser­trog auf der Stra­ße. Mat­te Lich­ter tanz­ten auf und ab in den Häu­sern, und auf man­chen der vor­über­ei­len­den Drosch­ken schie­nen noch die nicht ge­lösch­ten La­ter­nen. Und über uns wuchs die Däm­me­rung zur Hel­le, klar und ru­hig und mild.

      Mein Bru­der hör­te in den Stu­ben und hin­ter ihm trepp­auf und trepp­ab ei­li­ge Schrit­te. Sei­ne Haus­frau, nur in einen Schlaf­rock und einen Schal gehüllt, trat ans Tor; un­ter kräf­ti­gen Aus­ru­fen folg­te ihr Gat­te.

      Als mein Bru­der an­fing, sich die Be­deu­tung al­ler die­ser Din­ge klarzu­ma­chen, ging er has­tig auf sein Zim­mer zu­rück, steck­te al­les vor­rä­ti­ge Geld — al­les in al­lem etwa zehn Pfund — in sei­ne Ta­sche und trat wie­der hin­aus auf die Stra­ße.

      1 Eine nur durch eine Häu­ser­rei­he vom Them­seu­fer ge­trenn­te Ver­gnü­gungs­stra­ße in Lon­don. Sie ist die Fort­set­zung der oben er­wähn­ten Fleet­street, in der sich fast sämt­li­che Lon­do­ner Zei­tungs­re­dak­tio­nen be­fin­den. <<<

      2 St Pan­cras ist ei­ner der Haupt­bahn­hö­fe von Lon­don. Er be­fin­det sich im Stadt­be­zirk Lon­don Bo­rough of Cam­den. <<<

      XV. In Surrey

      Wäh­rend der Ku­rat da­saß und an der He­cke auf der ebe­nen Wie­se bei Hal­li­ford ver­wirr­te Re­den führ­te, wäh­rend mein Bru­der den Flücht­lin­gen zu­sah, wie sie über die West­mins­ter-Brücke ström­ten, hat­ten sich die Mars­leu­te zum An­griff ent­schlos­sen. So­weit man aus den wi­der­spre­chen­den Be­rich­ten, die dar­über ab­ge­fasst wur­den, klug wer­den kann, blieb die Mehr­heit, eif­rig mit Vor­be­rei­tun­gen be­schäf­tigt, bis neun Uhr abends in der Hor­sell-Gru­be. Sie ar­bei­te­ten mit großer Hast; und rie­si­ge Men­gen grü­nen Rau­ches wur­den aus­ge­schie­den.

      Ge­wiss aber ist, dass drei Mars­leu­te etwa um acht Uhr aus der Gru­be her­aus­ka­men und, lang­sam und be­hut­sam vor­rückend, sich ih­ren Weg durch Byfleet und Py­r­ford nach Ri­pley und Wey­bridge bahn­ten. So ka­men sie, die sin­ken­de Son­ne im Rücken, in den Be­reich der ih­rer har­ren­den Bat­te­ri­en. Die­se Mars­leu­te rück­ten nicht ge­schlos­sen vor, son­dern in ei­ner Li­nie, je­der etwa an­dert­halb Mei­len vom an­de­ren ent­fernt. Sie setz­ten sich durch ein si­re­nen­ar­ti­ges Ge­heul mit­ein­an­der in Ver­bin­dung, das auf- und nie­der­stei­gend alle No­ten der Ton­lei­ter um­fass­te.

      Die­ses Ge­heul und das Feu­ern der Ge­schüt­ze in Ri­pley und auf dem St.-Ge­or­g’s-Hü­gel wa­ren es, was wir in Ober-Hal­li­ford ge­hört hat­ten. Die Ka­no­nie­re in Ri­pley, un­er­fah­re­ne Ar­til­le­rie-Frei­wil­li­ge, de­nen man die­se Auf­ga­be nie zu­wei­sen hät­te sol­len, feu­er­ten eine wil­de, vor­zei­ti­ge und wir­kungs­lo­se Sal­ve ab und flo­hen dann zu Pferd und zu Fuß kopf­über durch das ver­öde­te Dorf. Der Mars­mann stieg ganz ge­mäch­lich über ihre Ge­schüt­ze hin­weg, ohne von sei­nem Hit­ze­strahl Ge­brauch zu ma­chen, fuhr sach­te zwi­schen ih­nen hin­durch, über­hol­te sie und kam so ganz un­ver­mu­tet zu den Ge­schüt­zen in Pains­hill Park, die er ver­nich­te­te.

      Die Leu­te auf dem St.-Ge­or­g’s-Hü­gel aber stan­den un­ter bes­se­rer Füh­rung oder wa­ren von bes­se­rer Art. Da sie hin­ter ei­nem Fich­ten­ge­hölz ver­bor­gen wa­ren, schie­nen sie von dem Mars­mann, der ih­nen am nächs­ten war, gar nicht be­merkt wor­den zu sein. Sie rich­te­ten ihre Ge­schüt­ze mit so­viel Über­le­gung, als ob sie sich bei ei­ner Trup­pen­schau be­fän­den, und ga­ben auf etwa tau­send Yard Schuss­wei­te Feu­er.

      Die Ge­schos­se blitz­ten alle um den Mars­mann her­um; man sah ihn ei­ni­ge Schrit­te vor­wärts­ma­chen, tau­meln und stür­zen. Ein all­ge­mei­nes gel­len­des Ge­schrei, und die Ge­schüt­ze wur­den in wil­der Hast von Neu­em ge­la­den. Der nie­der­ge­wor­fe­ne Mars­mann stimm­te ein lang­ge­dehn­tes Kla­ge­ge­heul an und im Nu tauch­te ein zwei­ter blin­ken­der Rie­se, der ihm ant­wor­te­te, bei den Bäu­men im Sü­den auf. Es hat­te den An­schein, als sei ein Bein des Drei­fu­ßes von ei­nem der Ge­schos­se zer­schmet­tert wor­den. Die vol­le La­dung der zwei­ten Sal­ve fiel weit vor dem Mars­mann zur Erde und im sel­ben Au­gen­bli­cke rich­te­ten sei­ne bei­den Ge­fähr­ten ihre Hit­ze­strah­len auf die Bat­te­rie. Die Mu­ni­ti­on flog auf, alle die Fich­ten­bäu­me um die Ge­schüt­ze her­um lo­der­ten in Feu­er und nur ei­ner oder zwei von der Mann­schaft, die be­reits über den Kamm des Hü­gels lie­fen, ent­ka­men.

      Dann schi­en es, als ob die drei eine ein­ge­hen­de Be­ra­tung ab­hiel­ten; die Spä­her, die sie be­ob­ach­te­ten, be­rich­ten, dass sie, ohne sich zu rüh­ren, die nächs­te hal­be Stun­de dort ge­blie­ben sei­en. Der nie­der­ge­stürz­te Mars­mann kroch vor­sich­tig aus sei­nem Ge­häu­se her­aus. Eine klei­ne brau­ne Ge­stalt, die wun­der­lich ge­nug, bei die­ser Ent­fer­nung wie ein Rost­fleck aus­sah. Er war au­gen­schein­lich da­mit be­schäf­tigt, sei­ne Stüt­ze wie­der aus­zu­bes­sern. Um neun Uhr war er da­mit zu Ende, denn sei­ne Kap­pe tauch­te wie­der über den Bäu­men auf.

      Ei­ni­ge Mi­nu­ten wa­ren nach neun Uhr ver­stri­chen, als sich die­sen drei Wach­pos­ten vier an­de­re Mars­leu­te bei­ge­sell­ten, von de­nen je­der ein dickes schwar­zes Rohr trug. Ein ähn­li­ches Rohr wur­de je­dem der drei an­de­ren ein­ge­hän­digt, und alle sie­ben rück­ten nun vor, um sich in glei­chen Zwi­schen­räu­men in ei­ner ge­krümm­ten Li­nie zwi­schen dem St.-Ge­or­g’s-Hü­gel, Wey­bridge, und dem Dor­fe Send süd­west­lich von Ri­pley zu ver­tei­len.

      Ein Dut­zend Ra­ke­ten fuhr von den Hü­geln vor ih­nen auf, so­bald sie sich