Herbert George Wells

H. G. Wells – Gesammelte Werke


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und vom Licht be­schie­nen wur­de, glit­zer­te er wie nas­ses Le­der. Mit sei­nen zwei großen dun­kel­ge­färb­ten Au­gen blick­te das Ge­schöpf mich un­ver­wandt an. Es hat­te un­ter den Au­gen einen Mund, des­sen lip­pen­lo­ser Rand un­aus­ge­setzt zit­ter­te und von Spei­chel troff. Der Rumpf hob und senk­te sich un­ter hef­ti­gem Keu­chen. Ein schlan­kes fühl­horn­ar­ti­ges An­häng­sel hielt den Rand des Zy­lin­ders um­klam­mert, ein an­de­res schlän­gel­te sich in der Luft.

      Wer nie einen le­ben­den Mars­be­woh­ner ge­se­hen hat, wird sich die grau­en­vol­le Häss­lich­keit sei­ner Er­schei­nung kaum vor­stel­len kön­nen. Der selt­sa­me V-för­mi­ge Mund mit sei­nem zu­ge­spitz­ten obe­ren Rand, der Man­gel an Au­gen­brau­en, die Ab­we­sen­heit ei­nes Kin­nes un­ter dem keil­för­mi­gen, un­te­ren Mun­d­rand, das un­auf­hör­li­che Zit­tern des Mun­des, die gor­go­nen­ar­ti­ge Grup­pe der Fühl­hör­ner, das ge­räusch­vol­le At­men der Lun­gen in ei­ner ih­nen frem­den At­mo­sphä­re, die au­gen­fäl­li­ge Schwer­fäl­lig­keit und Müh­se­lig­keit der Be­we­gun­gen — ohne Zwei­fel eine Fol­ge der grö­ße­ren An­zie­hungs­kraft der Erde — vor al­lem aber die au­ßer­ge­wöhn­li­che In­ten­si­tät ih­rer un­ge­heue­ren Au­gen. Al­les das gip­fel­te für den Be­schau­er in ei­ner Wir­kung, die von der See­krank­heit nicht sehr ver­schie­den war. Es war et­was Schwam­mi­ges in ih­rer öli­gen brau­nen Haut, und in der plum­pen Be­däch­tig­keit ih­rer schwer­fäl­li­gen Be­we­gun­gen lag et­was un­be­schreib­lich Er­schre­cken­des. Schon bei die­ser ers­ten Be­geg­nung, bei die­sem ers­ten An­blick wur­de ich von Ab­scheu und Grau­en über­wäl­tigt.

      Plötz­lich ver­schwand das Un­ge­tüm. Es war über den Rand des Zy­lin­ders ge­tau­melt und in die Gru­be ge­fal­len, wo es auf­schlug, als fie­le eine große Men­ge Le­ders zur Erde. Ich hör­te es einen selt­sa­men, dump­fen Schrei aus­sto­ßen, und in dem­sel­ben Au­gen­blick er­schi­en ein zwei­tes die­ser Ge­schöp­fe düs­ter in dem tie­fen Schat­ten der Öff­nung.

      Bei die­sem An­blick ver­ließ mich die Er­star­rung, die der ers­te Schre­cken her­vor­ge­ru­fen hat­te. Ich kehr­te mich um und rann­te wie be­ses­sen nach der nächs­ten Baum­grup­pe, die etwa hun­dert Yard ent­fernt war. Aber ich lief kreuz und quer und stol­per­te alle Au­gen­bli­cke, denn ich brach­te es nicht über mich, mei­ne Au­gen von je­nen Vor­gän­gen ab­zu­wen­den.

      Dort, un­ter ei­ni­gen jun­gen Fich­ten und hin­ter Gins­ter­bü­schen mach­te ich keu­chend Halt, um die wei­te­re Ent­wick­lung der Din­ge ab­zu­war­ten. Die Wei­de rings um die Sand­hü­gel war mit Leu­ten be­sä­et, die wie ich, halb ent­setzt, halb be­zau­bert da­stan­den und auf jene Ge­schöp­fe oder viel­mehr auf die Stein­hau­fen am Ran­de der Gru­be, in der sie la­gen, starr­ten. Dann sah ich, mit er­neu­tem Ent­set­zen, einen run­den, schwar­zen Ge­gen­stand, der am Ran­de der Höh­le bald auf­tauch­te, bald ver­schwand. Es war der Kopf je­nes Kom­mis, der in die Gru­be ge­fal­len war; er hob sich wie ein klei­ner schwar­zer Ge­gen­stand vom west­li­chen Him­mel ab. Jetzt brach­te er Schul­tern und Knie her­auf und wie­der schi­en, er zu­rück­zuglei­ten, bis nur sein Kopf sicht­bar war. Plötz­lich ver­schwand auch die­ser, und mir war, als hät­te ein schwa­cher Schrei mich er­reicht. Ich hat­te einen Au­gen­blick den Im­puls, zu­rück­zu­ge­hen und ihm zu hel­fen. Aber mei­ne Furcht be­hielt die Ober­hand.

      Jetzt war nichts mehr zu se­hen, da al­les von der tie­fen Gru­be und den Sand­hau­fen, die der Zy­lin­der beim Aus­fal­len ge­bil­det hat­te, ver­deckt war. Wer jetzt die Stra­ße ent­lang von Chob­ham oder Wo­king ge­kom­men wäre, den hät­te das Schau­spiel, das sich ihm bot, in Er­stau­nen ge­setzt: Eine ver­streu­te Men­ge von etwa hun­dert oder et­was mehr Leu­ten, in ei­nem großen un­re­gel­mä­ßi­gen Kreis in Gru­ben, hin­ter Bü­schen, hin­ter Zäu­nen und He­cken ste­hend kaum zu ein­an­der re­dend, und dann nur in kur­z­en er­reg­ten Ru­fen, und un­abläs­sig auf ei­ni­ge Sand­hau­fen star­rend. Der Kar­ren mit dem Ing­wer­bier hob sich, ein selt­sa­mes Über­bleib­sel, schwarz von dem glü­hen­den Abend­him­mel ab. Bei den Sand­gru­ben stand eine Rei­he ver­las­se­ner Fuhr­wer­ke, de­ren Pfer­de aus Ha­fer­sä­cken fra­ßen oder un­ge­dul­dig den Bo­den auf­scharr­ten.

      V. Der Hitzestrahl

      Nach dem Blick auf die Mars­leu­te, wie sie aus dem Zy­lin­der, in dem sie von ih­rem Pla­ne­ten auf die Erde ge­kom­men wa­ren, her­vor­kro­chen, lähm­te eine Art Zau­ber mei­ne Fä­hig­keit zu han­deln. Ich ver­harr­te knie­tief im Hei­de­kraut ste­hend, und starr­te auf die Sand­hü­gel, die sie ver­bar­gen. Mei­ne See­le war eine Wahl­statt von Angst und Neu­gier­de.

      Ich wag­te nicht, zur Gru­be zu­rück­zu­ge­hen; aber ich hat­te ein lei­den­schaft­li­ches Ver­lan­gen, einen Blick hin­ein­zu­wer­fen. Ich be­gann da­her, in ei­nem wei­ten Bo­gen her­um­zu­ge­hen, um einen ge­eig­ne­ten Aus­sichts­punkt zu fin­den; da­bei aber be­hielt ich fort­wäh­rend die Sand­hau­fen im Auge, die jene merk­wür­di­gen An­kömm­lin­ge mei­nen Bli­cken ent­zo­gen. Auf ein­mal blitz­te ein Ge­wir­re dün­ner schwar­zer Peit­schen, wie Arme ei­nes Po­ly­pen, ge­gen Son­nen­un­ter­gang auf, um so­fort wie­der zu ver­schwin­den. Dann er­hob sich Glied um Glied ein dün­ner Stab, der an sei­ner Spit­ze eine kreis­run­de Schei­be trug, die sich in schwer­fäl­li­ger Be­we­gung dreh­te. Was konn­te dort vor­ge­hen?

      Die meis­ten Zu­se­her hat­ten sich in zwei Grup­pen ge­sam­melt — die eine, ein klei­ner Men­schen­hau­fen auf Wo­king zu, die an­de­re, ein Knäu­el von Leu­ten in Rich­tung nach Chob­ham. Of­fen­bar mach­ten die Leu­te den­sel­ben see­li­schen Zwie­spalt durch wie ich. Ei­ni­ge wa­ren ganz in mei­ner Nähe. In ei­nem Mann er­kann­te ich einen mei­ner Nach­barn, ob­wohl ich sei­nen Na­men nicht wuss­te. Ich trat auf ihn zu und re­de­te ihn an. Es war aber kaum ein güns­ti­ger Au­gen­blick für eine ver­nünf­ti­ge Un­ter­hal­tung.

      »Was für scheuß­li­che Tie­re!«,sag­te er. »Herr Gott! Was für scheuß­li­che Tie­re!« Er wie­der­hol­te das im­mer wie­der.

      »Ha­ben Sie einen Men­schen in der Gru­be ge­se­hen?«, frag­te ich ihn; aber er gab mir kei­ne Ant­wort. Wir schwie­gen und stan­den eine Zeit lang be­ob­ach­tend ne­ben ein­an­der und emp­fin­gen, glau­be ich, einen ge­wis­sen Trost aus un­se­rer ge­gen­sei­ti­gen Ge­sell­schaft. Dann ver­leg­te ich mei­nen Aus­sichts­punkt auf einen klei­nen Erd­hü­gel, der nur den Vor­teil ei­ni­ger Fuß Er­hö­hung ge­währ­te. Als ich mich nach mei­nem Nach­bar um­wand­te, sah ich ihn schon nach Wo­king zu­rück­keh­ren.

      Der Son­nen­un­ter­gang ver­blich all­mäh­lich zum Zwie­licht, und es er­eig­ne­te sich nichts wei­ter. Die Men­ge in der Fer­ne links ge­gen Wo­king schi­en zu wach­sen und ich ver­nahm ein schwa­ches Ge­mur­mel. Der klei­ne Men­schen­knäu­el ge­gen Chob­ham zu zer­streu­te sich. Bei der Gru­be war kaum ein An­zei­chen ei­ner Be­we­gung wahr­zu­neh­men.

      Mehr als al­les an­de­re, gab das den Leu­ten ih­ren Mut zu­rück. Und ich den­ke, dass auch die Neu­an­kömm­lin­ge aus Wo­king dazu bei­tru­gen, wie­der eine zu­ver­sicht­li­che­re Stim­mung zu we­cken. Je­den­falls mach­te sich, als die Dun­kel­heit her­ein­brach, eine lang­sa­me, bis­wei­len un­ter­bro­che­ne Be­we­gung ge­gen den Sand­hau­fen zu be­merk­bar, die umso mehr an Kraft zu ge­win­nen schi­en, als die Stil­le des Abends rings um den Zy­lin­der un­ge­bro­chen blieb. Auf­rech­te schwar­ze Ge­stal­ten