John W. Vance

AUSROTTUNG (The Death 2)


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so auszubauen, dass dir hier nichts passieren kann. Ich werde nicht allzu lange fort sein. Sobald ich mit dem Impfstoff zurückgekehrt bin, können wir vielleicht in Erwägung ziehen, dass du Tess gemeinsam mit mir suchst, aber dich jetzt mitzunehmen, käme mir einfach falsch vor.«

      Er legte seine Hand auf ihre und drückte sie. Er hatte Lori zwar gerne um sich und fand sie attraktiv, doch seine Zuneigung hatte sich von simpler Anziehung zu einem Bewusstsein entwickelt, auf sie aufpassen und sich um ihr Wohlergehen kümmern zu müssen.

      Lori biss sich auf die Zunge; sie hatte sich so sehr daran gewöhnt, immer ihren Willen durchzusetzen oder ihren Standpunkt bis zum Erbrechen geltend zu machen. Er war ihr eine große Hilfe und sehr liebenswürdig gewesen, wie konnte sie da seinen Plan anfechten? Eigentlich gab sie ihm ja auch Recht, denn hierzubleiben war für ihr Baby die beste Entscheidung.

      Sie erschraken beide, als plötzlich eine Autotür zugeschlagen wurde.

      Travis drehte seinen Kopf ruckartig in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war, und lauschte angespannt.

      »Hast du …«, begann Lori.

      »Pst«, unterbrach er sie und blies augenblicklich die Kerzen aus.

      Draußen wurden noch mehr Autotüren zugeschlagen. Er sprang vom Tisch auf, griff zu seiner Pistole und dann nach Loris Arm.

      »Was?«

      »Ins Versteck!«

      Sie ließ ihn einfach die Führung übernehmen.

      Die beiden liefen den Flur hinunter und stürzten durch die erste Tür links in einen Büroraum. Dort öffnete er einen Schrank, schob die darin hängenden Kleider beiseite und drückte fest gegen die Hinterwand. Ein Stück von vier mal vier Fuß sprang heraus, denn es war mit einem Magnetgelenk befestigt worden.

      »Schnell, rein da!«, drängte er sie.

      Sie tat, was er verlangte und kroch hastig durch die Öffnung. Travis hatte den Raum aus je einem Teil der Schränke im Büro und einem angrenzenden Schlafzimmer abgetrennt. Die falschen Wände bestanden aus Materialien, die er in der Scheune gefunden hatte. In dem Raum konnte man sich relativ bequem verstecken. Im Boden befand sich eine Falltür, die in einen Tunnel unter das Haus führte. Durch diesen konnte man kriechen, um unbemerkt zu fliehen. Sowohl im Versteck als auch darunter lagen Nahrung, Wasser, Feuerwaffen, Taschenlampen, Decken, zusätzliche Kleidung und Hygieneartikel bereit, allen voran Toilettenpapier und ein Eimer, die bei der Armee auf dem Feld häufig vergessen wurden, wie Travis nur zu gut wusste.

      »Da ist alles drin, was du brauchst, um es bis zu einer Woche lang auszuhalten. Ich komme zurück, sobald die Luft rein ist«, versprach er, bevor er das Wandstück wieder einsetzte.

      »Halt«, rief sie aufgeregt.

      Er stockte und sah Lori an, die in der Nische kauerte. »Was ist denn noch?«

      »Pass auf dich auf!«

      »Immer doch«, antwortete er, zwinkerte und schloss sie ein.

      Sie steckte ihren Kopf zwischen die Knie und fing an zu beten.

      Travis rückte alles so zurecht, dass es wieder wie ein normaler Schrank aussah, und ging ins Wohnzimmer, um dort aus dem großen Fenster zu schauen. Draußen sah er im schwachen Licht des aufgehenden Mondes zwei Pickups neben der Scheune, aber keine Spur von deren Insassen. Sein Herz raste, und sein Instinkt sagte ihm, dass es nur noch eine Frage von wenigen Momenten sei, bis er auf jemanden stieß. Er wusste, eine solche Situation überstand man am ehesten, indem man einfach ruhig abwartete. Die Ausbildung im Marinekorps hatte ihn gelehrt, dass man in der Abwehr neun Mal höhere Chancen hatte als in der Offensive. Mit dieser Kenntnis legte er sich im hinteren Schlafzimmer auf die Lauer. Als er dort im Dunkeln wartete, wünschte er sich ein Nachtsichtgerät, behalf sich aber seiner anderen Sinne und lauschte aufmerksam.

      Er schreckte auf, als er unverständliches Geflüster von der Scheune her hörte. Vermutlich, so dachte er, handelte es sich lediglich um Plünderer, die es nicht auf einen Kampf anlegten.

      Während er geduldig darauf wartete, dass sie sich am Hauptgebäude zu schaffen machten, dachte er an Lori, ihre jüngste Unterhaltung, und nach kurzer Zeit auch an Tess. Kein Tag verging, an dem er sich nicht um sie sorgte. Er vermisste sie und bedauerte gewissermaßen, in Loris Schwierigkeiten verwickelt worden zu sein, doch sein Handeln hatte sich einfach aus einem Bauchgefühl heraus ergeben.

      Nach einiger Zeit – er wusste nicht, wie viele Minuten verstrichen waren – kam der Moment, den er vorausgesehen hatte, und zwar lautstark. Die Eingangstür gab einem kräftigen Schlag nach, woraufhin es im Flur schepperte, als Glas und Holz zu Bruch gingen. Travis bemühte sich, ruhig zu atmen, und legte eine Flinte auf das Fußende des Bettes. Die Waffe, ein Remington 870 Vorderschaft-Repetiergewehr, verfügte über einen zwanzig Zoll langen Lauf mit Magazinrohrverlängerung. Er war auf alles gefasst, womit man ihn angreifen würde.

      Mehrere Stimmen wurden über den Flur und von den Wänden weitergetragen.

      Lori saß zitternd in ihrem Versteck. Als die Tür aufgeflogen war, hatte sie einen Satz gemacht und schnell zu einem Revolver gegriffen, den sie vorher auf einer Kiste gesehen hatte. Der kleine Verschlag war so dunkel, dass sie kaum etwas erkennen konnte, und im Finsteren zu hocken, machte sie umso ängstlicher. Sie konzentrierte sich darauf, nicht panisch zu werden.

      Anhand der Stimmen erkannte Travis, dass es sich um Männer handelte – mindestens vier, schätzte er.

      Sie lachten und polterten durch das Wohnzimmer. Als sie die Küche erreichten, wurden sie plötzlich still.

      Travis sah die Lichtkegel ihrer Taschenlampen über die Wände, den Boden und die Decke entlanghuschen. Warum sie auf einmal schwiegen, war ihm sofort klar: Sie hatten die Teller mit dem frisch zubereiteten, noch warmen Essen auf dem Küchentisch entdeckt!

      »Ist hier jemand?«, rief ein Mann so laut, dass seine Stimme durch den Flur schallte.

      Lori verkrampfte sich, als sie ihn hörte. Wieder betete sie, dieses Mal aber ausschließlich für Travis Unversehrtheit.

      Er bekam mit, dass sich die Männer leise besprachen.

      »Hey, wir wissen, dass jemand da ist«, rief der Mann. »Hier stehen noch warme Nudeln. Kommt raus, wir wollen euch nichts Böses. Die Bransons, denen dieses Land gehört, sind unsere Nachbarn.«

      Travis glaubte ihm nicht.

      »Ihr seid zu zweit, wir zu fünft. Kommt raus!«, verlangte der Fremde.

      Lori presste ihre Lippen fest aufeinander und klammerte sich an die Pistole.

      »Ich schlage euch was vor: Wir lassen euch einfach wieder allein«, sagte der Mann. »Wir wollen keinen Ärger, kommen aber morgen noch einmal zurück, um Hallo zu sagen.«

      Nach weiterem Hin und Her, das Travis nicht verstand, hörte er Schritte. Nicht lange danach sprangen die Motoren der Pickups an.

      Da er sich nicht sicher war, ob sie sich wirklich verzogen hatten, blieb er einfach sitzen.

      ***

      Stunden waren vergangen, seit Travis die Wagen hatte davonfahren hören. Nun, da er glaubte, sich ohne Gefahr umschauen zu können, erhob er sich langsam und verließ vorsichtig den Raum. Langsam, Schritt für Schritt, ging er über den Teppich auf dem Flur. Dort wo er ins Wohnzimmer führte, fiel genügend Mondlicht ein, um zu erkennen, dass dieses wirklich leer war. Er zog eine Taschenlampe hervor und schaltete sie ein, ihr Strahl erhellte den Raum und bestätigte seine Vermutung. Niemand da. Nun untersuchte er die beschädigte Haustür und das durchwühlte Wohnzimmer. Dabei dachte er plötzlich an Lori, die immer noch allein und verängstigt in ihrem dunklen Versteck saß. Als er sich an der Schrankwand zu schaffen machte, schrie sie auf: »Travis?«

      »Ja, ich bin’s, tut mir leid, ich hätte dich vorwarnen sollen.« Nachdem er das Paneel herausgenommen hatte, beugte er sich zu ihr hinein.

      Sie atmete erleichtert auf und nahm seine Hand. Als sie aufstehen wollte, stellte sie fest, dass ihre Beine eingeschlafen waren.