Лев Толстой

Auferstehung


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zu nehmen, doch sofort besann er sich eines anderen, richtete mutig seinen noch müden Körper in die Höhe, streckte seine weißen, mit Haaren übersäeten Beine aus dem Bette und zog seine Pantoffeln an. Dann bedeckte er seine breiten Schultern mit einem seidenen Schlafrock und ging mit schwerfälligem, aber doch lebhaftem Schritte in ein neben dem Schlafzimmer liegendes Toilettenkabinet.

      Hier begann er sich zunächst sorgfältig mit einem Pulver seine an mehreren Stellen plombierten Zähne zu bürsten und spülte sie dann mit einem wohlriechenden Wasser aus; dann ging er zu der Marmortoilette und wusch sich mit einer parfümierten Seife die Hände, wobei er mit ganz besonderem Eifer seine langen Nägel reinigte und bürstete, hierauf öffnete er den Hahn der Wasserleitung und wusch sich Gesicht, Ohren und Hals. Darauf ging er in ein drittes Zimmer, in welchem ein Doucheapparat angebracht war; der kalte Wasserstrahl erfrischte seinen muskulösen Körper, der bereits Fett ansetzte. Als er sich mit dem Frottierlaken abgetrocknet hatte, wechselte er das Hemd, zog seine Schuhe an, die wie ein Spiegel leuchteten, setzte sich vor einen Trumeau und begann mit Hilfe einer Doppelbürste zuerst seinen schwarzen Bart und dann seine auf dem Schädel schon recht spärlichen Haare glattzustreichen. Alle Gegenstände, die er bei seiner Toilette benutzte, Wäsche, Kleidungsstücke. Schuhwerk, Kravatte, Nadeln, Manschettenknöpfe, alles war prima Qualität, sehr einfach, durchaus nicht auffällig, sehr solid und sehr teuer.

      Ohne sich zu beeilen, beendete Nechludoff seine Toilette; dann begab er sich in den Eßsaal, ein langes Gemach, dessen Parquetboden drei Mann am vorigen Abend gebohnert hatten. In diesem Eßzimmer stand ein ungeheuer großes Büffet aus Eichenholz und ein nicht weniger großer Ausziehtisch, ebenfalls aus Eiche, der mit seinen vier breit ausgedehnten, geschnitzten Füßen, die die Form von Löwenklauen hatten, einen etwas feierlichen Eindruck machte. Auf diesem Tisch, auf dem eine kleine, mit großem Monogramm verzierte Decke lag, hatte man eine silberne Kaffeekanne mit duftendem Kaffee, eine silberne Zuckerschale, ein Milchtöpfchen und einen Korb mit frischen Brötchen, Zwiebäcken und Biscuits gestellt. Endlich lag noch neben dem Gedeck die Morgenpost: Briefe, Zeitungen und eine Lieferung der » Revue des Deux Mondes«. Nechludoff schickte sich an, die Briefe zu öffnen, als durch die auf das Vorzimmer führende Thür eine dicke Frau reiferen Alters in schwarzem Kleide und einer Spitzenhaube auf dem Kopfe ins Zimmer trat. Das war Agrippina Petrowna, die Kammerfrau der alten Fürstin, Nechludoffs Mutter, die kurz vorher in demselben Hause gestorben war. Die Kammerfrau der Mutter war als Haushälterin bei dem Sohne geblieben.

      Agrippina Petrowna hatte sich zu wiederholten Malen mit Nechludoffs Mutter längere Zeit im Auslande aufgehalten; sie hatte daher das Auftreten und die Manieren einer Dame. Sie wohnte seit ihrer Kindheit in dem Hause Nechludoff und hatte Dimitri Iwanowitsch gekannt, als er noch »Mitenko« genannt wurde.

      »Guten Morgen, Dimitri Iwanowitsch!«

      »Guten Morgen, Agrippina Petrowna! Was giebt's?« fragte Nechludoff.

      »Da ist ein Brief für Sie. Die Zofe der Kortschagins hat ihn schon vor längerer Zeit gebracht; sie wartet in meinem Zimmer,« sagte Agrippina Petrowna und reichte ihm mit bedeutungsvollem Lächeln einen Brief.

      »Es ist gut; gleich!« sagte Nechludoff, den Brief nehmend. Noch er bemerkte, daß Agrippina Petrowna lächelte und zog die Stirn kraus.

      Agrippina Petrownas Lächeln bedeutete, daß sie wußte, der Brief käme von der jungen Prinzessin Kortschagin, mit der sich ihr Herr, wie sie vermutete, verheiraten sollte, und diese Vermutung mißfiel Nechludoff.

      »Sagen Sie der Zofe, sie solle noch warten!«

      Agrippina verließ das Zimmer, nachdem sie zuvor eine Tischbürste wieder an den richtigen Platz gehängt hatte.

      Nechludoff zerriß das parfümierte Kouvert, das ihm Agrippina Petrowna gebracht, und öffnete den Brief, der auf dickem, grauem Papier mit ungleichen Linien in englischer Schrift mit spitzen Buchstaben geschrieben war.

      »Hiermit erfülle ich die Verpflichtung, die ich auf mich genommen, Ihnen als Gedächtnis zu dienen,« las er in diesem Briefe, »und erinnere Sie daran, daß Sie heute, am 28. April der Geschworenensitzung beiwohnen müssen und es Ihnen infolgedessen ganz unmöglich sein dürfte, mit uns und Kolossow die Galerie von Z. ... zu besichtigen, wie Sie es uns gestern mit Ihrer gewöhnlichen Leichtfertigkeit versprochen hatten, wenn Sie nicht dem Gericht die 300 Rubel Strafe bezahlen wollen, die Sie sich für Ihr Pferd nicht leisten. Ich habe gestern, als Sie fortgegangen waren, gleich daran gedacht. Vergessen Sie es also nicht!«

      Auf der andern Seite stand:

      »Mama läßt Ihnen sagen, daß Ihr Gedeck bis zur Nacht für Sie liegen bleibt. Kommen Sie auf jeden Fall, wann es auch sein mag!

      M. K.«

      Nechludoff zog die Stirn kraus. Dieses Billet war eine Fortsetzung des Feldzuges, den die Prinzessin Kortschagin schon seit zwei Monaten unternahm, um ihn in immer schwerer zu lösende Bande einzuschnüren. Andererseits aber hatte er außer der Unentschlossenheit, die an das Cölibat gewöhnte, nur wenig verliebte Männer reiferen Alters stets vor der Ehe empfinden, noch einen andern Grund, weshalb er sich, selbst wenn er zur Ehe entschlossen gewesen wäre, nicht in diesem Augenblick hätte entscheiden können. Dieser Grund hatte natürlich mit der Thatsache, daß Nechludoff Katuscha vor acht Jahren verführt und verlassen, nichts zu thun; er dachte nicht gern daran, und nie wäre es ihm in den Sinn gekommen, hierin ein Hindernis zu seiner Heirat mit der jungen Prinzessin zu suchen. Der Grund war der, daß Nechludoff geheime Beziehungen zu einer verheirateten Frau unterhielt, die zu brechen er sich allerdings kürzlich entschlossen hatte.

      Nechludoff war sehr schüchtern den Frauen gegenüber; und gerade diese Schüchternheit hatte Maria Wassiljewna, der Frau eines Adelsmarschalls, den Wunsch eingegeben, ihn zu ihrem Sklaven zu machen. Sie hatte ihn tatsächlich in eine Liaison verstrickt, die Nechludoff täglich mehr in Anspruch nahm und ihm tagtäglich drückender wurde. Noch zuerst hatte er der Verführung nicht widerstehen können, und später konnte er sich, weil er sich ihr gegenüber schuldig fühlte, nicht entschließen, die Fesseln zu brechen, ohne daß sie damit einverstanden war. Aber anstatt sich damit einverstanden zu erklären, sagte sie ihm, sie würde sich sofort töten, wenn er sie jetzt, da sie ihm alles geopfert, im Stiche ließe.

      Unter Nechludoffs Post befand sich gerade an diesem Morgen ein Brief ihres Gatten; der Fürst erkannte die Handschrift und das Siegel. Er errötete und empfand jene Aufwallung, die er beim Nahen der Gefahr stets verspürte. Doch seine Erregung legte sich, als er den Brief geöffnet hatte. Maria Wassiljewnas Gatte, der Adelsmarschall des Bezirks, in welchem die hauptsächlichen Besitzungen der Familie Nechludoff lagen, schrieb dem Fürsten, gegen Ende Mai würde eine außerordentliche Sitzung des Rates, dem er präsidierte, abgehalten werden; er bitte ihn, derselben auf jeden Fall beizuwohnen und ihm »ein bißchen behilflich zu sein«; denn man wollte zwei sehr ernste Fragen beraten, die Schulfrage und die der Bicinalwege, und in beiden Punkten dürfte man sich auf eine lebhafte Opposition von seiten der reaktionären Partei gefaßt machen. Dieser Adelsmarschall war in der That liberal gesinnt; mit einigen anderen Liberalen derselben Art kämpfte er gegen die Reaktion, die immer stärker zu werden drohte; und dieser Kampf nahm ihn vollständig in Anspruch, so daß, er nicht einmal zu bemerken Zeit hatte, daß seine Frau ihn hinterging.

      Nechludoff erinnerte sich, welche Angst er schon so oft durchgemacht; er erinnerte sich, wie er sich eines Tages eingebildet, der Mann habe alles entdeckt und sich auf ein Duell mit ihm vorbereitet, bei dem er die Absicht gehabt, in die Luft zu schießen; er durchlebte wieder die schreckliche Szene, die er mit der Frau an jenem Tage gehabt, als sie in ihrer Verzweiflung nach dem Garten gestürzt und auf den Teich zugelaufen war, um sich darin zu ertränken.

      »Ich kann jetzt nicht hingehen und nichts unternehmen,« dachte er. Vor acht Tagen hatte er ihr einen Brief geschrieben, in welchem er sich schuldig bekannte und sich zu allem bereit erklärte, um seinen Fehler wieder