Лев Толстой

Auferstehung


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Ausbleiben der Antwort erschien ihm übrigens als ein gutes Zeichen. Wäre sie nicht auf den Bruch eingegangen, so hätte sie ihm schon lange geschrieben oder wäre selbst gekommen, wie sie es schon einmal gethan hatte. Nechludoff hatte von einem Offizier gehört, der Maria Wassiljewna den Hof machte und der Gedanke an diesen Nebenbuhler bereitete ihm Qualen der Eifersucht. Gleichzeitig aber freute er sich darüber, denn er hatte dadurch die Hoffnung, sich endlich von einer ihn drückenden Lüge befreien zu können.

      Ein anderer Brief, den Nechludoff unter seiner Post fand, war von dem ersten Inspektor der Güter seiner Mutter, die jetzt ihm gehörten. Dieser Inspektor schrieb, Nechludoff müßte um jeden Preis nach seinem Gute kommen, um die Bestätigung seiner Erbschaftsrechte in Empfang zu nehmen, wie auch, um die Frage zu entscheiden, in welcher Weise seine Güter in Zukunft geleitet werden sollten. Die Frage bestand darin, ob die Güter weiter so geleitet werden sollten, wie sie es zu Lebzeiten der verstorbenen Fürstin wurden, oder ob man, wie der Inspektor es dieser geraten und wie er es jetzt dem jungen Fürsten riet, nicht besser that, die Verträge aufzulösen und den Bauern alle Güter, die man ihnen verpachtet hatte, wieder fortzunehmen. Der Inspektor behauptete, die direkte Ausbeutung der Güter würde bedeutend einträglicher sein. Er entschuldigte sich dann, daß er die Absendung der Rente von 3000 Rubel, die dem Fürsten zukam, etwas verzögert habe, er würde diese Summe mit der nächsten Post erhalten; die Verzögerung kam daher, daß der Inspektor die größte Mühe von der Welt hatte, das Geld von den Bauern einzubekommen, die ihre Gewissenlosigkeit so weit trieben, daß man, um sie zur Zahlung zu veranlassen, seine Zuflucht zur Gewalt nehmen mußte.

      Dieser Brief war Nechludoff gleichzeitig angenehm und unangenehm. Er empfand es als etwas Angenehmes, sich als Herrn eines Vermögens zu wissen, das sein bisheriges übertraf. Andererseits dagegen erinnerte er sich, daß er sich in seiner ersten Jugend mit der Großherzigkeit und Entschlossenheit seines Alters für die soziologischen Theorien von Spencer und Henry George begeistert hatte; er hatte nicht allein gedacht, erklärt und geschrieben, daß die Erde kein Gegenstand individuellen Eigentums sein dürfe, sondern hatte sogar den Bauern ein kleines Gut geschenkt, das er von seinem Vater ererbt, um seine Handlungen seinen Grundsätzen anzupassen. Jetzt aber, da der Tod seiner Mutter ihn zum Großgrundbesitzer gemacht, hatte er zwischen zwei Entschlüssen zu wählen. Er konnte entweder auf alle seine Güter verzichten, wie er es vor zehn Jahren bei den 200 Hektaren gethan, die er von seinem Vater ererbt, oder er konnte, indem er von seinen Gütern Besitz nahm, die Grundsätze, die er einst aufrecht erhalten, stillschweigend, aber ausdrücklich, als falsch und lügnerisch hinstellen.

      Den ersten dieser beiden Entschlüsse zu fassen, war ihm unmöglich, denn seine Besitzungen bildeten sein ganzes Vermögen. Wieder in den Dienst zu treten, hatte er nicht den Mut; und er war zu sehr an sein müßiges und luxuriöses Leben gewöhnt, um darauf verzichten zu können. Dann wäre das Opfer auch unnütz gewesen, denn Nechludoff fühlte nicht mehr die Kraft der Ueberzeugung und die Entschlossenheit, die er in der Jugend besessen hatte.

      Doch der zweite Entschluß, die uneigennützigen und großherzigen Vorsätze, auf die er einst so stolz gewesen, ausdrücklich zu verleugnen, dieser Entschluß war ihm unangenehm, und deshalb berührte ihn der Brief seines Inspektors peinlich.

      Als Nechludoff sein Frühstück beendet hatte, ging er in sein Kabinet. Er wollte aus der Vorladung ersehen, um wieviel Uhr er im Gerichtsgebäude sein mußte, und außerdem hatte er auch der Prinzessin Kortschagin zu antworten. Er ging, um sich in sein Kabinet zu begeben, durch sein Atelier, wo ein angefangenes Gemälde auf einer Staffelei stand und verschiedene Studien an den Wänden hingen. Der Anblick dieses Bildes, an dem er seit zwei Jahren arbeitete, ohne es vollenden zu können, dieser Studien und des ganzen Ateliers belebte das unaufhörlich stärker werdende Gefühl seiner Ohnmacht, Fortschritte in der Malerei zu machen, und das Bewußtsein seines Talentmangels aufs neue. Er schrieb dieses Gefühl allerdings seinem übertrieben fein entwickelten künstlerischen Geschmack zu; doch er konnte sich des Gedankens nicht erwehren, daß er die Armee vor fünf Jahren verlassen hatte, weil er ein großes Talent als Maler in sich zu entdecken geglaubt.

      So kam er denn in melancholischer Gemütsverfassung in sein ungeheuer großes Arbeitszimmer, das mit jedem möglichen Zierrat und allen Bequemlichkeiten versehen war. Er schritt auf einen großen Schreibtisch mit etiquettierten Schubladen zu, öffnete die Schublade, die die Bezeichnung »Vorladungen« trug und fand darin sofort die Anzeige, die er suchte. Diese Anzeige sagte ihm, daß er um 11 Uhr im Justizgebäude sein mußte. Nechludoff setzte sich, schloß die Schublade und begann einen Brief, in dem er der Prinzessin sagen wollte, er danke ihr für ihre Einladung, und hoffe, am Nachmittag zum Diner kommen zu können. Nachdem er aber den Brief geschrieben, zerriß er ihn; er war zu intim. Der zweite, den er schrieb, war zu kühl, fast unhöflich, und er zerriß, ihn wieder. Er klingelte, und ein Lakai trat in das Zimmer, ein älterer Mann, mit ernster Miene und rasiertem Gesicht, der eine Schürze von grauem Kaliko trug.

      »Lassen Sie mir einen Fiaker kommen.«

      »Sofort, Exzellenz!«

      »Und sagen Sie der Person, die noch wartet, es ist gut, ich danke, und würde kommen.«

      »Es ist nicht sehr passend,« dachte Nechludoff, »aber ich kann nicht schreiben, jedenfalls werde ich sie heute sehen.«

      Er kleidete sich an und trat auf die Freitreppe. Der Wagen, den er gewöhnlich nahm, ein eleganter Wagen mit Gummirädern, stand bereits da, und wartete, auf ihn. »Gestern abend,« sagte der Kutscher, sich halb zu ihm wendend – »waren Sie kaum von dem Fürsten Kortschagin weggegangen, als ich ankam. Der Portier meinte: ›Er ist eben fort.‹«

      »Sogar die Kutscher kennen meine Beziehungen zu den Kortschagins,« dachte Nechludoff und legte sich von neuem die Frage vor, ob er sich mit der jungen Prinzessin verheiraten sollte oder nicht. Noch immer konnte er sich über diese Frage nicht entscheiden. Zwei Argumente sprachen zu gunsten der Ehe im allgemeinen. Erstens sicherte ihm die Ehe mit der ruhigen Behaglichkeit des häuslichen Herdes ein anständiges, moralisches Leben; zweitens hoffte Nechludoff vor allen Dingen, eine Familie und Kinder würden seinem Leben ein Ziel geben, dem ein solches jetzt fehlte. Gegen die Ehe im allgemeinen sprach andererseits das Gefühl, das wir bereits erwähnt, die Furcht, die den Junggesellen in einem bestimmten Alter die Aussicht, ihre Freiheit zu verlieren, einflößt, sowie auch die unbewußte Angst vor dem Geheimnis, das eine Frauennatur stets umgiebt.

      Zu gunsten der Ehe mit Missy im besonderen (Missy war der Beiname, den die junge Prinzessin Kortschagin, deren richtiger Name Marie war, in intimem Kreise trug) sprach zunächst der Umstand, daß das junge Mädchen aus guter Familie war und sich in allem, von ihren Toiletten angefangen bis zu der Art und Weise, wie sie sprach, ging und lachte, von den »gewöhnlichen« Frauen unterschied, und zwar nicht durch etwas Außergewöhnliches, sondern durch ihre »Vornehmheit«. Er fand keinen andern Ausdruck, um diese Eigenschaft zu bezeichnen, auf die er ganz besonderen Wert legte. Das zweite Argument bestand darin, daß die junge Prinzessin ihn besser zu schätzen wußte, als sonst jemand, und ihn besser verstand; und gerade in der Thatsache, daß sie ihn verstand, das heißt, seine hohen Vorzüge anerkannte, fand Nechludoff den Beweis ihrer Intelligenz und ihres sicheren Urteils. Doch es sprachen auch sehr ernste Argumente gegen die Heirat mit Missy im besonderen; erstens hätte Nechludoff aller Wahrscheinlichkeit nach ein anderes junges Mädchen finden können, das noch »vornehmer« als Missy war; zweitens zählte diese bereits 27 Jahre und hatte wahrscheinlich schon andere Männer geliebt. Dieser Gedanke aber war eine Qual für Nechludoff. Seine Eitelkeit konnte es nicht dulden, daß das junge Mädchen selbst früher einen andern als ihn geliebt hatte. Allerdings konnte er nicht verlangen, sie solle im voraus wissen, daß sie ihm eines Tages im Leben begegnen würde; doch schon der Gedanke, sie hätte einen andern Mann vor ihm lieben können, war für ihn eine Demütigung. So standen die Argumente für und wider gleich; und Buridan verglich sich lachend mit Buridans Esel. Doch trotzdem trieb er es genau so weiter, wie der Esel und wußte nicht, welchem der beiden Heubündel er sich zuwenden sollte.

      »Außerdem kann ich ja, solange