Sigrid-Maria Größing

"Wir hätten in einem Rosengarten sitzen können"


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zu den Habsburgern, die auf Gegenseitigkeit beruhte: das Geld spielte hier wie dort die Hauptrolle. Danach zogen der Bräutigam und seine Getreuen weiter nach Regensburg, wo sie als Gäste des Bischofs verweilten. Zu Schiff setzten sie ihren Weg fort gen Linz und kamen am Dreifaltigkeitssonntag an.

      Dicht gedrängt standen die Menschen am Ufer der Donau, um den Kaiserenkel zu begrüßen. Bischof Georg Slatkonia, der schon die Trauung in Wien vorgenommen hatte, holte den achtzehnjährigen Prinzen und seine Begleiter ab. Eine schier endlose Zahl von weltlichen und geistlichen Würdenträgern hatte den oft weiten Weg nach Linz nicht gescheut, um durch ihre Anwesenheit das Hochzeitsfest zu verschönern. So sah man unter den Gästen den Kardinal und Bischof von Trient, Bernhard von Cles, den Bischof von Laibach, Bischof Berthold Pistinger von Chiemsee, Johann von Brandenburg, Herzog Ernst von Bayern, seinen Bruder Herzog Wilhelm, Kasimir von Brandenburg, den kaiserlichen Gesandten Andreas de Burgo, den Probst von Preßburg, Hieronymus Balbi, der sich schon als Unterhändler bei den Heiratsplänen Karls V. einen Namen gemacht hatte, die Grafen von Gradisca und Siegmund Herberstein. Der Bruder der Braut, König Ludwig von Ungarn, war nicht erschienen, und auch seine Vertreter hatten nur zögernd den Weg nach Linz angetreten, brachten aber um so reichlichere Hochzeitsgeschenke mit. Der ungarische Adel stattete die Braut überreichlich mit Gold, Silber und Seidenballen, Perlen und Juwelen aus. Allein das Geschenk des Bischofs von Fünfkirchen soll einen Wert von 10 000 Dukaten besessen haben. Ferdinand hatte mit Anna nicht nur eine schöne, junge, liebenswürdige Braut bekommen, auch ihre Aussteuer konnte sich sehen lassen und besserte die beinahe leeren Kassen des Bräutigams gehörig auf. Ferdinand und sein Bruder Karl hatten ja noch für Jahre an den Schulden des Großvaters zu tragen.

      Schon am Tag nach dem ersten Zusammentreffen der beiden jungen Leute – auch die Braut zählte achtzehn Lenze – nahm der Erzbischof von Salzburg, Matthäus Lang, die Trauung in der Pfarrkirche von Linz vor. Als hätte die Stadt das große Ereignis schon Jahre vorher geahnt, hatte man die Pfarrkirche nach dem großen Brand von 1509 vollkommen erneuern lassen, die dreischiffige Basilika erstrahlte in vollem Glanz.

      Vielleicht war es Liebe auf den ersten Blick, was die Königskinder zusammenführte, und diese Liebe hielt bei beiden ein Leben lang an. Obwohl Ferdinand vorher keine besonderen Beziehungen zu Mädchen oder jungen Damen aus dem Adel gehabt hatte, war er von Anna vom ersten Augenblick an fasziniert. Was ihre Väter und Großväter als politische Eheschließung gedacht hatten, wurde zu einer echten Liebesheirat und im Laufe der Jahre zu einer der glücklichsten Ehen im Hause Habsburg. Auf die Vorhaltungen seiner Ratgeber, die Ferdinand überreden wollten, nicht ohne sexuelle Erfahrungen in die Ehe zu gehen, hatte der Prinz nur kurzerhand geantwortet: »Natura sagax satis docebit« (Die weise Natur weiß sich zu helfen). Und er sollte recht behalten, er brauchte keine vorehelichen Abenteuer, um mit seiner Anna glücklich zu werden. Im Laufe der Zeit schenkte ihm seine Gemahlin fünfzehn Kinder, die alle (bis auf zwei, die im Kindesalter starben) in einer harmonischen Familie aufwuchsen, weil die Eltern einander liebten.

      Drei Tage lang wurde ununterbrochen gefeiert, eine Lustbarkeit löste die andere ab, und der Wein floß in Strömen. Die erlesensten Delikatessen waren nach Linz gebracht worden, um auch die verwöhnten Spanier aus Ferdinands Gefolge zufriedenzustellen. Alles hatte man bei den Speiseplänen bedacht, nur nicht, daß das Geschirr knapp werden könnte: Es gab eine solche Menge von Köstlichkeiten für die riesige Zahl von Gefolgsleuten und geladenen Gästen, daß man sich aus dem benachbarten Steyr 200 Zinnschüsseln ausleihen mußte.

      Nach dem üppigen Essen und reichlichen Trinken ergötzte man sich an vielfältigen Ritterspielen. Der Erzherzog war in dieser Kunst ein besonderer Experte. Er hatte nicht nur am spanischen Hof eine ganze Anzahl von ritterlichen Turnieren gesehen und selbst daran teilgenommen; in Burgund war er ein begeisterter Mitstreiter gewesen, und auch im deutschen Raum galt er als hervorragender Ritter. Am Linzer Hauptplatz waren Tribünen für die adeligen Herren und Damen errichtet worden, um die Turniere gut beobachten zu können. Schon damals galt der Hauptplatz von Linz, der sich fast bis zu den Ufern der Donau zog, als einer der schönsten in den österreichischen Ländern. Von der Schmalseite her ritten nun in bunter Folge die Kämpfer auf ihren prächtig geschmückten Pferden ein. Der Jubel kannte keine Grenzen, wenn ein siegreicher Ritter sich vor den Ehrengästen verneigte. Aber der Wein, den sowohl die Gäste als auch die Österreicher wie Wasser in sich hineingegossen hatten, hätte das prunkvolle Fest beinahe zu einer Bluthochzeit werden lassen. Vielleicht unterschätzten die Spanier, die mit Ferdinand gekommen waren, die österreichische Mentalität und glaubten sie weniger hitzig als das südländische Temperament: Mitten in den Festlichkeiten begannen einige Spanier ihre österreichischen Gastgeber zu provozieren und zum Kampf auf Leib und Leben herauszufordern. Sie ließen ihr Ansinnen öffentlich am Rathaus anschlagen, und als die österreichischen Kontrahenten auf diese Aufforderung nicht reagierten, um die fröhlichen Feiern nicht durch einen blutigen Kampf zu stören, schmähten die Spanier die Österreicher und bezichtigten sie der Feigheit.

      Nun mußten die Einheimischen, ob sie wollten oder nicht, handeln. Sebastian von Losenstein wurde dazu ausersehen, die Ehre seiner Landsleute wiederherzustellen und den Kampf aufzunehmen. Er wich mit geschickter Taktik den Attacken seines Gegners so lange aus, bis der Südländer Anzeichen von Müdigkeit zeigte. Dann schlug Losenstein zu, gab seinem Pferd die Sporen, daß das Tier ganz nahe an das Roß des Spaniers herankam. Das Pferd Losensteins war abgerichtet und verbiß sich sofort in das des Spaniers. Losenstein selbst schwang einen Bihänder (ein langes, schweres Schwert) mit solcher Wucht auf den Helm des Gegners, daß das Metall wie Zunder zerbrach. Mit dem nächsten Schlag hätte der Österreicher dem Gegner den Kopf vom Leibe getrennt, wäre nicht Ferdinand schnell dazwischengesprungen. Die Spanier wußten nun, daß sie sich nicht als großmäulige Fremde aufzuführen hatten, daß sie, wollten sie nicht nach der Hochzeit mit Gewalt aus der Stadt gejagt werden, sich wie Gäste zu verhalten hatten und das Gastrecht nicht mißbrauchen durften. Auch den Österreichern war durch die Tat Losensteins Genugtuung gegeben.

      Auf die Hochzeitsfeierlichkeiten von Linz folgten unruhige Zeiten für den jungen Ehemann. Die Türken bedrohten erneut die Ostgrenze des Reiches. Nach dem Fall von Belgrad wandte sich Ludwig von Ungarn hilfesuchend an seinen Schwager, aber der Kaiser hatte weder Truppen noch Geld, um ein schlagkräftiges Heer gegen den Feind aufstellen zu können. In ganz Europa verkannte man die Gefahr, die von den Osmanen drohte, und nach Aussagen eines Zeitgenossen gab es keine Hoffnung, denn ein jeder wartete, bis ihm »selbst die Wand heiß« wurde.

      Für Ferdinand sollte der Kampf gegen die Türken zur Lebensaufgabe werden, die ihn aber zugleich seinen Ländern, in die er als Fremder gekommen war, näherbrachte. Er sah seine Bestimmung darin, die österreichischen Gebiete und damit letztlich das ganze Abendland vor diesen Feinden zu schützen und versuchte sein Bestes, um seinen neuen Staat zur Zufriedenheit aller zu regieren.

      Seine Frau Anna stand ihm, wo immer es ging, mit Rat und Tat zur Seite. Er trennte sich selten von ihr, nur wenn es unumgänglich notwendig war. Selbst auf schwierigen und gefahrvollen Reisen begleitete sie ihn, und allen kam dies so ungewöhnlich vor, daß verschiedene Ratgeber des Erzherzogs und späteren Kaisers ihren Herrn daraufhin ansprachen. Man meinte, es sei eine teure Angelegenheit, wenn die Gemahlin des Herrschers ihrem Mann immer Gesellschaft leiste. Denn Anna reiste selbstverständlich nicht allein, ihre Kammerfrauen und Bediensteten bildeten ein umfangreiches Gefolge. In einer Zeit, die den Reisenden wenig Annehmlichkeiten bot, vor allem einer jungen Frau, die beinahe immer in gesegneten Umständen war, war es notwendig, daß wenigstens die Diener und Dienerinnen mitzogen. Natürlich kostete dies alles Geld, und die Kassen Ferdinands waren meist bedenklich leer. Aber er nahm allen Vorwürfen die Spitze, wenn es um seine geliebte Frau ging und meinte, « es sei besser, die Unkosten auf seine Gattin zu verwenden als auf Buhlerei«.

      So oft es ging, kehrte das Herrscherpaar in Linz ein. Ferdinand hatte die Burg als Witwensitz für seine Schwester Maria ausbauen lassen. Annas erstes Kind kam hier zur Welt, und vier Jahre später wurde in Linz der zweite Sohn Ferdinand geboren, der Lieblingssohn des Kaisers und wohl auch seiner Frau, die darauf bestanden hatte, einen Sohn nach dem Vater zu nennen. Der erstgeborene Sohn war aus Verehrung für den berühmten Großvater Maximilian getauft worden. Jedes Jahr erwähnen Urkunden den Aufenthalt Ferdinands und seiner Familie in der Stadt an der Donau, hier fand er Ruhe und Geborgenheit vor den Türken oder vor der Pest in Wien. Die Burg hatte man komfortabel