Sigrid-Maria Größing

"Wir hätten in einem Rosengarten sitzen können"


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Interessen auch gebührend durchsetzen zu können. So sehr er auch stets versuchte, seine finanziellen Verhältnisse zu verbessern, so schwierig war es für ihn, Geldgeber zu finden. Er hatte keine glückliche Hand in diesen Dingen. Mehr Geschick bewies er, wenn es galt, günstige Heiraten abzuschließen, eine Voraussetzung, um die Vormachtstellung des Hauses Habsburg für die Zukunft zu sichern. Seine beiden Kinder Philipp und Margarete hatte er nach Spanien verheiratet, seine Enkel sollten verwandtschaftliche Beziehungen zu halb Europa knüpfen. »Andere mögen Kriege führen, du, glückliches Österreich, heirate!« Ein Motto, das über den letzten Lebensjahren Maximilians geschrieben stand. Gelang es ihm, seine beiden Enkel Karl und Ferdinand günstig zu verheiraten, so konnten sie das Riesenreich noch vergrößern.

      Schon Maximilian selbst hatte durch seine erste Gemahlin einen reichen Gebietszuwachs – Burgund mit seinen Nebenländern – erzielt. Sein Sohn Philipp erbte durch eine unvorhergesehene Fügung des Schicksals Spanien, Neapel, Sizilien und damit auch die neuentdeckten Länder, die zur spanischen Krone gehörten. Nach dem frühen Tod Philipps waren minderjährige Kinder und eine geisteskranke Witwe zurückgeblieben. Maximilian als Haupt der Großfamille traf weiterhin alle wichtigen Entscheidungen selbst. Das Weltreich, das in den Händen Juanas lag, war zuviel für einen einzelnen Menschen, nicht beherrschbar für einen Mann, eine Unmöglichkeit für eine gemütskranke Frau.

      Der älteste Sohn Philipps, Karl, der in den Niederlanden aufgewachsen war, sollte Maximilians Erbe als Kaiser antreten. Karl hatte man bewußt in den Niederlanden erzogen, um aus ihm, in dessen Adern spanisches, burgundisches und österreichisches Blut floß, einen populären Herrscher zu machen. In seiner grüblerischen, bigotten Art hätte Karl aber wohl besser nach Spanien gepaßt, wo sein Bruder Ferdinand als Spanier erzogen werden sollte, der aber in den Niederlanden eher am Platze gewesen wäre. Dem vierten Kind aus der leidenschaftlichen Ehe zwischen Philipp dem Schönen und Johanna der Wahnsinnigen, dem jungen Ferdinand, schenkte man auch im Reich besondere Aufmerksamkeit. Im allgemeinen waren zwar später geborene Kinder nicht so interessant wie die Erstgeborenen, aber Philipp hatte nur diese beiden Söhne, so daß man immer zittern mußte, ob nicht einer eines plötzlichen Todes starb. Dann würde der andere in die Fußstapfen des Bruders treten müssen.

      Ferdinand war am 10. März 1503 im spanischen Schloß Alcalá de Henares bei Madrid geboren worden und blieb lange Zeit zusammen mit seiner jüngsten Schwester Katharina in Spanien. Das fröhliche Kind war der Liebling seines Großvaters mütterlicherseits, nach dem er auch getauft worden war. Ferdinand von Aragon hatte keine besonders gute Beziehung zu seinem schönen Schwiegersohn gehabt, gar bald hatte er erkannt, daß Philipp ein machtgieriger, ziemlich rücksichtsloser, vor allem auf seinen Vorteil bedachter junger Mann war. Daß die Ehe seiner Tochter Juana nicht zum besten stand, war auch nicht zu übersehen.

      Auch hier hatte der Tod Philipps so manchen Konflikt gelöst, bevor er zum Ausbruch gekommen war. Ferdinand sah deutlich, daß Juana auf keinen Fall die Regentschaft über Spanien antreten konnte. Einer der Söhne mußte der zukünftige König von Spanien sein. Für den Kaiser war es klar, daß der älteste Sohn Karl alle Macht in seinen Händen vereinigen würde, Ferdinand von Aragon allerdings hoffte auf seinen jüngeren Enkel.

      Zunächst hatte man den kleinen Sohn und seine Schwester bei der Mutter gelassen, um ihr einen Trost zu gönnen. Als man aber sah, wie sehr sich Juana geistig und körperlich vernachlässigte, mußte man eine neue Obhut für die Kinder suchen.

      Der junge Ferdinand wurde ganz im spanischen Sinn erzogen, er lernte Spanisch, Französisch, Italienisch und Flämisch. Schon bald erkannte man die große Aufgeschlossenheit des Knaben, der sich für Literatur und die schönen Künste interessierte. Dazu kam sein heiteres, sonniges Wesen, das im Gegensatz zu der eher mißtrauischen, verschlossenen Art seines älteren Bruders stand. Es gab Pläne, ihn mit einer französischen Prinzessin zu verloben, der Kaiser aber hatte anderes vor. Maximilian war mit dem Jagiellonenkönig Wladislaw II. von Ungarn (als König von Böhmen Wladislaw V.) übereingekommen, dessen Tochter Anna mit einem habsburgischen Prinzen zu vermählen; Maria, die Enkelin Maximilians I., sollte den jungen Ludwig, den Sohn Wladislaws, heiraten. Nach intensiven Verhandlungen von beiden Seiten wurde beschlossen, daß Maximilian stellvertretend für einen seiner Enkel die blutjunge Anna zum Altar führen, während ihr Bruder Ludwig Maria sein Ja-Wort geben sollte. Der Kaiser wußte nämlich zu dieser Zeit, man schrieb das Jahr 1514, noch nicht, welcher seiner Enkel die ungarische Prinzessin zur Frau bekommen sollte. Wladislaw setzte zwar alles daran, daß der zukünftige Kaiser Karl seine Tochter ehelichen sollte, aber Maximilian wollte noch einige Zeit verstreichen lassen, um die politischen Konstellationen abzuwarten und dann erst eine endgültige Entscheidung zu treffen.

      Nachdem sich die beiden Herrscher geeinigt hatten, zog man mit großem Gefolge nach Wien, um dort 1515 die Doppelhochzeit zu feiern. Dieses Ereignis sollte als der erste Wiener Kongreß in die Geschichte eingehen. Die Chronisten berichteten von einem riesigen Fest, das mit eindrucksvollem Gepränge abgehalten wurde. Man verstand in dieser Zeit zu feiern, und die Lustbarkeiten dehnten sich über viele Wochen aus. In den Quellen findet man ausführliche und anschauliche Berichte über die Hochzeitsfeierlichkeiten: Der enge Vertraute Maximilians, Johann Spießhammer, der im Stil der Zeit seinen Namen latinisiert hatte und sich als Chronist Cuspinianus nannte, schildert in anschaulichen Worten das große Ereignis, das zu einem einmaligen Fest für Wien und den Kaiser werden sollte. Es war ein Treffen von drei mächtigen Herrschern, hinter dem das Ziel des Kaisers stand, die drei Länder Böhmen, Ungarn und Österreich durch ein Ehebündnis zu vereinen.

      Die Könige aus Ungarn und Polen zogen zum Schloß Trauttmansdorff in der Nähe von Wien, wo die erste Zusammenkunft stattfinden sollte. König Wladislaw war schon sechzig Jahre alt und ließ sich in einer Sänfte tragen, während Anna in einem von sechs Schimmeln gezogenen Prunkwagen beim Schloß vorfuhr. Der polnische König hingegen, der Bruder Wladislaws, dem man Lebenslust und Frohsinn ansah, ritt auf einem edlen Roß, dessen Geschirr von Gold und Edelsteinen strotzte. Auch der junge Ludwig kam zu Pferde, umgeben von den Mächtigen des Reiches. Alles erwartete die Ankunft des Kaisers, viel Volk war gekommen, um das Schauspiel mit eigenen Augen sehen zu können, man hatte den weiten Weg aus Böhmen, Ungarn und Polen, ja selbst aus der Tartarei nicht gescheut, um das einmalige Fest miterleben zu können. Gaukler und Taschenspieler, Traumdeuter und Handleserinnen tummelten sich hier und unterhielten die Wartenden mit ihrer Kunst. Endlich ertönte von ferne heitere Musik, glänzende Reiter in blinkenden Rüstungen galoppierten heran, und dann sah man auch ihn, den Kaiser.

      Maximilian war nicht mehr jung, als er zum glanzvollsten Fest des Jahrhunderts nach Wien kam. Er war sechsundfünfzig, und die Jahre hatten tiefe Furchen in seinem einstmals männlich schönen Gesicht hinterlassen. Jetzt aber strahlte er, als er seiner mit Gold und Purpur verzierten Sänfte entstieg. Er stand auf dem Höhepunkt seiner Macht, nach einem Leben voller Geldsorgen, voller Auseinandersetzungen mit dem französischen König, mit Bürgern und Bauern. Alles schien jetzt vergessen. Die Gesandten der mächtigsten Staaten Europas waren nach Wien gekommen, um ihm zu huldigen und die Hochzeit seiner Enkelin zu verschönern. Die Abgesandten Spaniens, Englands, Bayerns, Württembergs, Mecklenburgs und anderer Länder gaben dem Fest durch ihre Anwesenheit ein feierliches Gepräge. Dazu kamen noch die Adeligen aus dem Reich und aus Österreich, die es nicht versäumen wollten, hier in Wien dem Kaiser die Ehre zu erweisen.

      Nachdem Maximilian seiner Sänfte entstiegen war, ging er auf die Kinder zu und reichte ihnen freundlich die Hand. In lateinischer Sprache rief er laut aus: »Dies ist der Tag, den der Herr gesendet. Lasset uns freudig und fröhlich sein.« Als die große Menge des Volkes die Worte des Kaisers hörte, brach ein unwahrscheinlicher Jubel aus, die Kinder schmiegten sich an Maximilian, und Wladislaw konnte vor Rührung kein Wort herausbringen. Man war sich der bedeutungsvollen Stunde bewußt, die Zeichen der Zeit standen gut für eine endgültige Vereinigung der drei Länder im Osten. Freilich konnten die Anwesenden damals noch nicht erahnen, wie eng Böhmen und Ungarn in den nächsten vier Jahrhunderten mit dem Schicksal Österreichs verknüpft sein sollten. Die Weichen hiezu wurden bei der Wiener Doppelhochzeit gestellt.

      Heiraten, bei denen die zukünftigen Eheleute gar nicht anwesend waren, entsprachen ganz dem Stil der Zeit. Wenn man bedenkt, daß es in den bedeutenden europäischen Herrscherfamilien durchaus üblich war, Söhne und Töchter im Kleinkinderalter zu verheiraten, kann man sich