zurückgerissen. Seine Getreuen nähten ihn in einen Ledersack ein, den sie mit Luft aufbliesen. Auf der Außenseite schrieben sie mit großen Lettern: El Rey Don Felipe. Falls der König über Bord ging und hilflos im Meer trieb, so sollten doch die Fischer, die ihn irgendwo herauszogen, wissen, welch großer Fisch in ihre Netze gelangt sei.
Juana stand dabei und sah zu, wie man ihren Mann, der bis dahin als Held gegolten hatte, in den Sack einnähte. Alle wunderten sich über ihren Gleichmut und ihre Furchtlosigkeit, und als man sie nach dem Grund ihres Verhaltens fragte, antwortete sie: sie habe noch nie von einem König gehört, der im Meer ertrunken sei. Sie selbst zog ihr schönstes Kleid an, niemand mußte ihr dabei Beistand leisten, da alle ihre Dienerinnen seekrank waren und selbst der Hilfe bedurft hätten. Dann suchte sie einen Beutel mit Dukaten hervor und stieg damit an Deck. Als man die Königin sah, bat man sie um eine Opfergabe, denn man hoffte, den Himmel durch eine Kollekte gnädig zu stimmen. Alle hatten viel von ihrem Vermögen geopfert, und als nun Juana auch ihr Scherflein beitragen sollte, kramte sie lange in ihrem Beutel herum und legte schließlich die kleinste Münze auf den Opferteller. Es sei genug, meinte sie, die Unwetter würden auch ohne Geldspenden aufhören. Ihre Reaktion wurde natürlich wieder mißverstanden, man sah in ihr nicht die furchtlose Frau, sondern glaubte, daß nur jemand, der daran war, den Verstand zu verlieren, angesichts des drohenden Todes so reagieren konnte.
Nach den Tagen und Nächten des Grauens wurden die niederländischen Schiffe schließlich an die Küste von England verschlagen, wo ihnen der König, Heinrich VII., freundschaftlich Schutz und Hilfe anbot. Philipp nahm die Einladung des Königs nur zu gerne an, einige Wochen bei ihm als Gast zu bleiben, Juana hoffte darauf, ihre Schwester Catalina (Katharina von Aragon) zu treffen, die Witwe des Thronfolgers Arthur, der zwei Jahre zuvor gestorben war. (Später sollte sie dessen Bruder Heinrich ehelichen, der sie dann wegen Anna Boleyn verstieß.)
Kaum war das Gefolge Heinrichs VII. an der Küste eingetroffen und hatte die Einladung seines Herrn überbracht, als sich Philipp schon auf ein Pferd schwang und auf und davon ritt. Im Schloß des Königs wurde alles vorbereitet, um dem Sohn des Kaisers den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu gestalten. Niemand fragte sich, was eigentlich mit Juana geschehen sollte. Man wußte aus Erzählungen, daß die Ehe der beiden beinahe am Ende war. Ein Fest jagte das andere, die Nächte wurden zum Tag gemacht, dazwischen gab es Turniere und Treibjagden. Alles, was Philipp liebte, wurde ihm hier am englischen Hof geboten, die köstlichsten Speisen, die erlesensten Weine und die schönsten Frauen. Erst nach Wochen entsann sich Philipp seiner Gemahlin, die immer noch in einem feuchten Schloß an der Küste darauf wartete, entweder als Gast des Königs bewirtet zu werden oder ihre Reise nach Spanien fortsetzen zu können. Endlich kam ein Bote, der eine Einladung Heinrichs nach Windsor überbrachte. Und jetzt hatte es Juana nicht mehr eilig. Sie ließ sich Zeit. Als sie schließlich in Windsor ankam, war es, als würde ein Eishauch auf die fröhliche Gesellschaft fallen. Sie erschien in schwarzer Tracht, das Haar streng zurückgekämmt, wie eine Rächerin. Vorbei war es mit Gesang und Tanz, und auch der König erkannte, daß es an der Zeit sei, sich von den Gästen zu verabschieden. Und Philipp beschloß, mit seiner Frau an die Küste zurückzukehren und dort zu warten, bis die schwer mitgenommenen Fregatten wieder in Ordnung gebracht waren.
Juana hatte wieder einmal alle Frauen und Mädchen aus ihrer Nähe verbannt, so daß sie das einzige weibliche Wesen war, das Philipp zu sehen bekam. Nur so ist es wahrscheinlich zu erklären, daß er die Nächte in diesen Tagen ausschließlich mit seiner eigenen Frau verbrachte; mied er auch am Tage Juana, so fiel er doch jede Nacht in ihre offenen Arme.
Es waren die letzten gemeinsamen Stunden, die Juana und Philipp miteinander verbrachten. Als sie die endlich wieder seetüchtigen Schiffe bestiegen, waren sie einander nicht mehr als zwei Fremde, von denen einer den anderen haßte. Juana ahnte, daß es Philipps einziges Ziel war, ihr die Krone von Kastilien zu entreißen, und sie wußte nicht, wem sie in ihrer Not mehr mißtrauen sollte, ihrem Mann oder ihrem eigenen Vater. Aus Gerüchten hatte sie erfahren müssen, daß auch Ferdinand daran interessiert war, die Tochter vom kastilischen Thron zu verdrängen.
Philipp hatte in Spanien gut vorgearbeitet, seine Helfershelfer hatten die mächtigen Adeligen Spaniens überzeugen können, daß ein junger, dynamischer König mehr für das aufstrebende Land erreichen könne als ein Herrscher, der bis dahin jahrzehntelang unter dem Pantoffel seiner Frau gestanden sei. Daß der junge Monarch ein Habsburger war, störte die Landesfürsten kaum, im Gegenteil, wenn Philipp nach seinem Vater die Kaiserkrone erbte, würde er selten Spanien besuchen, dachten sie, und jeder könnte in die eigene Tasche arbeiten, ohne fürchten zu müssen, vom König überwacht zu werden.
Juana und Philipp hatten kaum spanischen Boden betreten, als es zum offenen Konflikt aller gegen alle kam. Juana wollte die Huldigung der Cortes entgegennehmen, aber Philipp hatte dies geschickt zu verhindern gewußt. Alles verzögerte sich, und niemand wußte, was eigentlich in den nächsten Wochen passieren würde. Dazu kam, daß Ferdinand noch einmal geheiratet hatte, eine französische Prinzessin, die weder schön noch gescheit war, aber ihrem Gemahl half, seine Beziehungen zu Frankreich zu verbessern. Im Lande allerdings hatte er sich durch diese Heirat Sympathien verscherzt, da seine erste Frau über alle Maßen beliebt gewesen war.
Philipp und Juana zogen zunächst im Land hin und her, ohne Ferdinand zu treffen. Beide Männer vermieden die offene Konfrontation. Aber Philipp war gezwungen zu handeln, bevor es zu spät war. Sollte die neue Frau dem alternden Ferdinand einen Sohn schenken, war alles verloren und Juanas Anspruch null und nichtig. Und Ferdinand tat auch alles, um noch einen Thronerben zu zeugen, er versäumte keine Gelegenheit, um mit der unattraktiven Germaine die Nächte zu verbringen, es war ihm kein Lager zu schlecht, um es nicht unterwegs mit ihr zu teilen. Auch Germaine ließ kein Mittel unversucht, um den König aufzupeitschen, sie braute aus geheimnisvollen Kräutern und aus den Hoden eines Bullen Liebestränke, die sie unter Beschwörungsformeln ihrem liebesmüden Gatten einflößte.
Sie hätte sich gar nicht so sehr abmühen müssen, denn der Tod übernahm die Rolle des Richters in diesem unseligen Streit. Philipp war schon kurze Zeit, nachdem er den Boden Spaniens betreten hatte, von düsteren Ahnungen befallen worden. Ein altes Weib hatte ihm in Galicien aus der Hand gelesen und ihm prophezeit, er werde als Toter größere Strecken in Spanien zurücklegen denn als Lebender. Hastig hatte Philipp seine Hand zurückgezogen und laut aufgelacht, aber sein Lachen klang gezwungen, und die Umstehenden, die es hörten, schauderten. Wenige Wochen später sah man einen Kometen am Himmel aufflammen, drei Nächte hintereinander. Philipp befragte die Gelehrten nach der Ursache und bekam zur Antwort, daß das Erscheinen des Himmelskörpers entweder Pestilenz oder Fürstentod bedeute. In der brütenden Hitze, die über dem Land lag, vermeinte man den Hauch des Todes leibhaftig zu spüren.
Drückend und schwer hing die Luft über Valladolid, als Philipp mit seinem Gefolge in der Stadt einritt. Juana war die einzige Frau in dem Zug, mit starrem Gesicht und im fünften Monat schwanger ritt sie allein unter den Männern, sie hatte jeder Frau untersagt, im Gefolge Philipps zu verweilen. Ihr genügten schon die jungen Mädchen auf den Balkonen, die einen Blick des schönen Philipp auffangen wollten, was Juana nicht verhindern konnte. Das Paar nahm in Valladolid getrenntes Quartier. Hier in dieser Stadt wollte Philipp ein Exempel statuieren, das beispielhaft für das übrige Spanien sein sollte. Er beantragte vor den versammelten Cortes, daß Juana aufgrund ihres Geisteszustandes für regierungsunfähig erklärt werden solle. Die Cortes sollten ihm, Philipp, stellvertretend sämtliche Rechte übertragen. Aber Juana hatte immer noch Fürsprecher in Spanien, und wütend mußte ihr Mann erkennen, daß es ein diplomatischer Fehler gewesen war, die Katze endgültig aus dem Sack zu lassen und sein wahres Gesicht zu zeigen. Jetzt wartete er nur noch auf die Stunde, da er sich endgültig Juanas entledigen konnte. Er hatte den festen Plan, sie in ein Kloster zu stecken und entmündigen zu lassen. Aber er kam nicht mehr dazu, all dies auszuführen. Der Tod wartete schon auf ihn.
Nach einem Bankett, bei dem Philipp in lustiger Runde gegessen und getrunken hatte, stand eine Partie Pelota auf dem Programm. Alle wußten, daß Philipp ein hervorragender Spieler war, daß keiner so behend und schnell war wie er. Obwohl der König sich den ganzen Tag über nicht wohl gefühlt hatte, wollte er dennoch seine körperliche Schwäche nicht zu erkennen geben und verausgabte sich bis zur völligen Erschöpfung. Außer Atem und schweißüberströmt verlangte er nach