Sigrid-Maria Größing

"Wir hätten in einem Rosengarten sitzen können"


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der Herzog übers Eis geschleppt.

      Trotz dieser fröhlichen Abenteuer trieb es Maximilian immer mehr hinaus, wo sich in den Büschen das Wild versteckt hielt. Schon der Vater Marias war ein begeisterter Jäger gewesen, der neben den Jagdfalken auch noch um die viertausend Jagdhunde am Hofe hielt, daneben eine Unzahl von Falken, hervorragenden Pferden und versierten Treibern. Wann immer es möglich war, wurde zum Halali geblasen, und Maria war stets mit von der Partie. Selbst als sie ihre Kinder erwartete, schonte sie sich nicht.

      Doch die schönen Tage in Gent waren bald vorüber, und Maximilian mußte erkennen, daß er mit der Erbin Burgunds auch die Probleme des Zwischenreiches geheiratet hatte. Der böse Nachbar im Westen zögerte nicht, dem jungen Mann das Leben schwer zu machen. Ludwig spekulierte zunächst richtig, als er sich vorstellte, der junge, verliebte Ehemann würde kein großes Interesse an der Politik zeigen. Er intrigierte in den Niederlanden, wo er nur konnte, und fand in einigen Städten bereitwillige Zuhörer, obwohl man sich zunächst noch nicht gegen den Habsburger stellen wollte. Aber die Keime für spätere Auseinandersetzungen waren schon gesät, und es mußte nur die richtige Zeit kommen, damit sie aufgehen konnten.

      Heimtückisch griff Ludwig XI. das burgundische Reich an, brandschatzte und zerstörte, und wenn Maximilian im Süden kämpfte, hetzte er die Städte im Norden auf. Nicht nur einmal lief der arglose Kaisersohn dem raffinierten Gegner ins offene Messer. Aber immer wieder gelang es Maximilian mit persönlicher Tapferkeit, seine Leute mitzureißen, und so manches Mal kam er nur aufgrund seiner Kühnheit aus den mißlichsten Lagen.

      Zwölf Jahre sollte der immer wieder aufflackernde Krieg gegen Frankreich das Schicksal Maximilians bestimmen, er kostete Unsummen, und sogar der burgundische Hausschatz mußte dafür verpfändet werden. Der junge Herzog versuchte in ganz Europa, Hilfe gegen den französischen König zu finden, und es gelang ihm auch, ein Bündnissystem gegen Frankreich aufzubauen, das für die Zukunft die Politik Europas prägen sollte. In England, seit langem verfeindet mit Frankreich, fand er offene Ohren für seine Probleme, und Spanien haßte Frankreich ebenso wie der Herzog der Bretagne. Durch geschicktes Taktieren gelang es Maximilian schließlich, Frankreich einzukreisen, und nach der verlorenen Schlacht bei Guinegate im August 1479 sah sich Ludwig XI. gezwungen, wenigstens vorübergehend den Frieden einzuhalten. Dabei war die Situation für Maximilian bei Guinegate keineswegs eindeutig gewesen, denn nach dem ersten Zusammenstoß flohen seine Reiter Hals über Kopf. Als Maximilian die aussichtslose Lage erkannte, ließ er nach »österreichischer und böhmischer Art« die Wagen vorziehen, um eine Art Wagenburg zu errichten, in deren Schutz er sich mit seinen Fußtruppen behaupten konnte. Das Blatt wendete sich, und Maximilian errang mit den Österreichern und Niederländern einen glänzenden Sieg, der sich wie ein Lauffeuer im ganzen Land herumsprach und ihm große Sympathien unter der Bevölkerung einbrachte. Jetzt hatte man einen Herrscher, der die Interessen des Landes wahren würde, einen, der stark und fähig war, die Gefahr, die immer wieder aus dem Westen drohte, abzuwehren. Überall, wo Maximilian auftauchte, scholl ihm Jubel entgegen, und er genoß es, wenn im Volk der Ruf laut wurde, er solle zeigen, wie er schießen könne: Dann ging er zu den Schießständen der Bürger und schoß die Figuren der Reihe nach von der Stange, so daß es bald im ganzen Land hieß: »Österreich schoß den Vogel ab, das den Franzosen groß Verdrießen gab.«

      Auch das private Glück Maximilians war an einem Höhepunkt angelangt, als Maria im Juli 1478 einem Knaben, Philipp, das Leben schenkte. Und selbst in dieser Situation versuchte Ludwig XI., durch eine perfide Lüge die Freude des jungen Vaters zu trüben. Maximilian war bei der Geburt seines ersten Kindes nicht im Land, und so ließ der König von Frankreich überall das Gerücht verbreiten, daß der Knabe in Wirklichkeit ein Mädchen wäre. Geschickt verteilte er seine Einflüsterer in den niederländischen Städten, so daß die Bevölkerung allmählich mißtrauisch wurde und zu glauben anfing, was der König von Frankreich sagte. Als die Taufpatin des Kindes, die Stiefmutter Marias, Margarete von York, von diesen Intrigen hörte, wickelte sie, resolut und lebensnah wie sie war, kurzerhand das Kind aus den Windeln und zeigte dem Volk, daß es unverkennbar männlichen Geschlechts sei.

      So schnell Maximilian konnte, eilte er nach Gent, wo ihn Maria mit dem Kind auf dem Arm am Stadttor erwartete. Er sprang vom Pferd, umarmte seine Gemahlin und trug seinen Sohn durch die Straßen der Stadt bis zum Palast. Gerührt jubelten die Menschen dem glückstrahlenden Vater zu, und auch die Stadtväter konnten sich der allgemeinen Freude nicht entziehen und machten dem jungen Prinzen ein fürstliches Taufgeschenk von 14 000 Gulden.

      Im folgenden Jahr brachte Maria ein Mädchen zur Welt, das nach ihrer Stiefmutter Margarete benannt wurde; der zweite Sohn Franz starb schon nach ein paar Wochen.

      Das Schicksal Maximillans an der Seite Marias hatte sich beinahe erfüllt. Einen einzigen Sohn hatten ihm die Sterne prophezeit, und die frühe Trennung von einer geliebten Person. Und so geschah es auch: Nach wenigen kurzen Jahren des größten Glücks verlor er seine Frau, seine Kinder und auch das Land. Mitten in den Freuden des Lebens traf ihn der härteste Schlag, den er sein Lebtag nicht mehr verwinden konnte.

      Im März des Jahres 1482 war Maria wieder guter Hoffnung. Trotzdem ließ sie sich nicht davon abhalten, an der Reiherjagd teilzunehmen. Sie ließ sich aufs Pferd heben, setzte ihren Lieblingsfalken auf den Arm, gab dem Pferd die Sporen und sprengte darauflos. Plötzlich flog ein Reiher vor ihr auf: Maria wollte den Falken loslassen, achtete dabei nicht auf das Gelände, und ihr Pferd strauchelte. In hohem Bogen flog die junge Frau durch die Luft, landete in einem Graben, und im nächsten Moment fiel das Pferd auf sie. Schwerverletzt blieb Maria liegen.

      Ihre Getreuen und auch Maximilian waren wie gelähmt vor Schreck. Man hob sie vorsichtig auf, aber erst am nächsten Tag konnte sie ins Schloß gebracht werden, da sie zu starke Schmerzen hatte. Die herbeigerufenen Ärzte stellten schwere Rippenbrüche fest, aber auch innere Blutungen infolge der fortgeschrittenen Schwangerschaft. Maria weigerte sich, schamhaft wie sie war, eine Untersuchung der Ärzte in jenen Körperregionen vornehmen zu lassen, die für andere Männer tabu waren. So verblutete sie langsam: es dauerte Tage, in denen sie elend dahinstarb. Maximilian konnte sich in seiner Verzweiflung kaum fassen, er lief mit Asche auf dem Haupt herum, ließ eine Messe nach der anderen für die geliebte Frau lesen und konnte trotzdem nur zusehen, wie der Tod unerbittlich den Sand durch das Stundenglas rinnen ließ.

      Maria war hoffnungslos verloren. In einem lichten Augenblick, in dem sie merkte, daß sie allmählich in eine andere Welt hinüberglitt, verabschiedete sie sich von dem geliebten Mann und den kleinen Kindern. Dann schickte sie die Familie mit den Worten hinaus: »Bald, ach, werden wir voneinander getrennt sein!« Auch den Rittern des burgundischen Hausordens, des Goldenen Vlieses, und ihren Ratgebern sagte sie Lebewohl und bat alle um Vergebung, wenn sie irgendeinem jemals Unrecht getan haben sollte. Dann schloß sie die Augen für immer. Zurück blieben ein unglücklicher, schluchzender Mann und zwei kleine Kinder in einer feindlichen Welt.

      Von dieser Zeit an trugen die Rosen für Maximilian nur noch Dornen. Von einem Tag zum anderen war sein ganzes Glück gewichen. Ein ganzes Leben lang trauerte der Erzherzog und spätere Kaiser um seine erste Gemahlin, und keine andere konnte sie ihm jemals ersetzen.

       Die Liebe brachte sie um den Verstand

      PHILIPP DER SCHÖNE UND JOHANNA DIE WAHNSINNIGE

      Wo immer er auftauchte, brach er die Herzen der Frauen im Sturm: groß, blond, mit strahlenden blauen Augen und einer athletischen Figur, betörte Philipp, der einzige Sohn Maximilians I. und Marias von Burgund, die Frauen im Reich seines Vaters. So sehr sich Philipp, dem schon die Zeitgenossen den Beinamen »der Schöne« verliehen, auch zur holden Weiblichkeit hingezogen fühlte, so wenig hielt er allerdings von den Plänen seines Vaters, der ihn aus Gründen der hohen Politik mit einer spanischen Prinzessin verheiraten wollte. Der Prinz sträubte sich zwar gegen eine eheliche Verbindung mit der bigotten Spanierin, er konnte aber nicht verhindern, daß der Kaiser intensive Kontakte zu den katholischen Majestäten Isabella von Kastilien und Ferdinand von Aragon aufnahm, um für seinen Sohn und Erben eine der Töchter des Königspaares als Braut zu bestimmen. Dem Kaiser war an einer verwandtschaftlichen Beziehung zum spanischen Königshaus viel gelegen, da die Spanier ebenfalls keine Freunde des französischen Königs waren und