Sigrid-Maria Größing

"Wir hätten in einem Rosengarten sitzen können"


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worden und stammte wahrscheinlich aus der Edelsteinsammlung Friedrichs III. Der Kaiser war ein Sammler von wertvollen Pretiosen, die er zum Teil selbst aus dem Orient mitgebracht hatte. Und obwohl er sich beinahe nie von einem seiner Stücke trennte, war die burgundische Hochzeit seines Sohnes doch Anlaß genug. Das Festbankett war für Punkt Mitternacht angesetzt, es dauerte aber nur eine Stunde, da sich Braut und Bräutigam bald zurückzogen, worauf auch die übrigen Gäste keine besondere Lust mehr hatten, die Feiern fortzusetzen.

      Es existieren (zunächst heimlich aufgezeichnete) Berichte, wonach das Verlangen und die Leidenschaft des Brautpaares nicht durch kirchliche Vorschriften aufzuhalten gewesen seien und sie sich noch in der gleichen Nacht angehört hätten, ohne auf den Segen der Kirche zu warten. Freilich hätten in einem solchen Fall nur wenige Getreue davon wissen können, denn die offiziellen Hochzeitsfeierlichkeiten waren in allen Details geplant und mußten in aller Form durchgeführt werden.

      Schon sehr früh am Morgen des nächsten Tages, am 19. August 1477, fand die kirchliche Trauung statt. In der Burgkapelle legte der Legat die Hände der beiden jungen Leute ineinander, so wie es die Sitte seit alters her vorschrieb. Dann übergab Maximilian der Braut dreizehn Goldstücke, die symbolisieren sollten, daß er immer für sie sorgen wolle. Nach diesen Förmlichkeiten schritten beide zur Hochzeitsmesse, Maximilian in glänzender silberner Rüstung, jung, schön, stark, ein echter Ritter eines sterbenden Zeitalters, und Maria im goldbestickten Damastkleid, mit einem edelsteinblitzenden Gürtel, an dem ein Geldbeutel hing, einen Hermelinmantel um die Schultern, die Krone Burgunds auf den braunen Locken. Vor dem Altar knieten sie nieder und erflehten, jeder in seiner Sprache, den Segen des Himmels für die gemeinsame Zukunft. Alle geladenen Hochzeitsgäste, Niederländer und das österreichische Gefolge des Kaisersohnes, waren gerührt von dem Anblick der beiden jungen Menschen, die einander verliebt und glücklich ansahen. Nach dem Ja-Wort küßte der Legat Maximilian, und der Bräutigam gab diesen Kuß an Maria weiter. Am Ende der Messe wurde dem Legaten nach altem Brauch eine Semmel gebracht, von der er ein Stück abbiß, worauf sich das Brautpaar den Rest teilte und ebenfalls verzehrte. Auch ein Becher Wein durfte nicht fehlen, aus dem Maximilian und Maria je einen Schluck nahmen.

      Damit war die Trauung zu Ende, aber Maximilian und Maria waren fast nicht in der Lage, die Kirche zu verlassen. Sie hielten sich fest umschlungen und waren beide vor Aufregung blaß; man mußte vor der Kirche auf sie warten.

      Es folgte ein prunkvolles Hochzeitsfest nach den Sitten des Landes. Die Tische bogen sich von feinstem Silber, Damastdecken und den erlesensten Genüssen aus der damals bekannten Welt. Den ganzen Tag währte die Ausgelassenheit und Fröhlichkeit, und als man genug getrunken hatte, begann der Tanz bis spät in die Nacht hinein. Erst als Maximilian und Maria von ihren Rittern und Edelfrauen zu ihrem Schlafgemach geleitet wurden, begann sich die Hochzeitsgesellschaft zu zerstreuen. »Wie es da gangen ist, wais ich nit«, meinte ein Ritter aus Maximilians Gefolge später. Im Brautgemach war das Paar allein, aber obwohl die Chronisten nur diskrete Andeutungen machen, kamen die Ritter und Edelfrauen, die zumindest im Nebenraum Zeugen dieser – vielleicht zweiten – Hochzeitsnacht wurden, doch auf ihre Rechnung, denn Maximilian war kein unbedarfter Liebhaber und hatte in seiner Heimat schon reichlich Erfahrung gesammelt. So erzählte man sich am burgundischen Hof bald pikante Geschichten von der Manneskraft des jungen Habsburgers, und er wurde weithin im Lande als »Begatter und richtiger Mann« bezeichnet.

      Das junge Paar verbrachte abwechslungsreiche Tage und leidenschaftliche Nächte miteinander, und bald sprach sich die Kunde herum, daß Maria ein Kind erwarte.

      Maximilian mußte sich hier in Gent wie im Schlaraffenland fühlen, er, der als Kind Hunger und Not kennengelernt hatte, lebte nun in einem unvorstellbaren Überfluß, der sich von Tag zu Tag noch steigerte. Seine Frau wurde nicht müde, ihren geliebten Mann mit immer phantastischeren Kostbarkeiten zu überraschen, sie ließ prachtvolle Kleider in ihre Privaträume bringen. Die Seiden- und Samtstoffe waren eigens aus Florenz gekommen, und oft geschah es, daß Maximilian morgens erwachte und auf seinem Bett diese schönen Dinge fand. Die Tische waren überreich gedeckt, und Maria befahl, Leckerbissen aufzutragen, von denen Maximilian nicht einmal den Namen kannte. Tanz und Spiel unterhielten das junge Paar und sein Gefolge bis spät in die Nacht hinein, und Maximilian, der eine bekannt schöne Stimme hatte, trat als viel gefeierter Sänger auf, dem man besonders applaudierte, wenn er ein Lied aus seiner österreichischen Heimat vortrug.

      An manchen Tagen fanden Scharaden statt, man verkleidete sich, um dann unter lautem Jubel doch erkannt zu werden. Maria und Maximilian waren die Hauptpersonen in all den Stücken, und man wurde nicht müde, sich immer neue allegorische Figuren einfallen zu lassen. Einen Abend lang wurde die römische Geschichte lebendig, Cäsar und Cleopatra zogen durch den Palast, gefolgt von Titus und Nero.

      Vieles, was zum Wohl des jungen Paares beitragen sollte, bestimmte schon das burgundische Hofzeremoniell. Hier waren die einzelnen Handgriffe für jeden Diener genau festgelegt. So entstand im Laufe der Zeit eine unübersehbare Schar von dienstbaren Geistern, die alle für die beiden jungen Leute zu sorgen hatten. Freilich waren die Vorschriften noch nicht so erstarrt und streng wie später im spanischen Hofzeremoniell, denn in Gent war es vielen erlaubt, auch unangemeldet das Herzogspaar aufzusuchen, was in späteren Zeiten undenkbar gewesen wäre.

      Maximilian mußte sich erst an das Heer von Dienern gewöhnen: So gab es einen, der am Morgen die Vorhänge zum Himmelbett zurückzog, einen anderen, der die Pantoffeln reichte, ein dritter sorgte für genügend Licht, und so stand den ganzen Tag einer bereit, um dem Herzogspaar jeden Wunsch von den Augen abzulesen, bis ein letzter am Abend die Vorhänge des Bettes wieder zuzog.

      Maximilian und Maria genossen die traute Zweisamkeit wie ein Geschenk, als hätten sie geahnt, daß das gemeinsame Leben nur kurz sein würde. Sie konnten lange am Abend beisammensitzen, um Sagen und Geschichten zu hören oder zu lesen. Beide waren an den Erzählungen von Troja, an den Sagen von König Artus und der Tafelrunde oder von Parzival interessiert. Jeder hatte begonnen, die Sprache des anderen zu lernen; Abende lang wiederholten sie die Worte, die der Partner sprach, um sie nie mehr zu vergessen. Maximilian lernte schnell und viel, er war ein sprachbegabter junger Mann, der außer dem Französischen, das ihm Maria liebevoll beibrachte, auch noch von einer Hofdame Flämisch lernte.

      Der junge Herzog lernte in Wort und Bild, denn was er aus den Büchern und Anleitungen nicht verstand, das konnte er, wenn die Texte von Sagen handelten, auch aus den prachtvollen Tapisserien ablesen, die an den Wänden hingen. Die riesigen Gobelins, die die Räume zierten, stellen vielfach mythologische Motive dar und faszinierten den jungen Mann besonders. Vielleicht erinnerte sich Maximilian, als er die Geschichte des trojanischen Königs Priamus betrachtete, an die Versuche seines Vaters, das Geschlecht der Habsburger bis auf diesen König zurückzuführen. Viel später, als Maximilian schon ruhelos durch Europa zog und den Beinamen »der Kaiser mit den fliehenden Sohlen« trug, beschäftigte er selbst einen ganzen Stab von Gelehrten, die ebenfalls nachweisen sollten, daß sich die Habsburger bis zu den Wurzeln der Menschheit zurückverfolgen ließen.

      Maria und Maximilian liebten besonders die traulichen Abende am flackernden Kamin, wenn draußen schon leise die Flocken fielen und nur ab und zu die Ankündigung eines Zuges beim Schachspiel die Stille unterbrach. Beide hatten das Spiel der Könige schon in früher Jugend gelernt, und so war einer dem anderen ein idealer Partner im Kampf um die Macht auf dem karierten Brett. Sie fanden sich nicht nur im Gleichklang der Charaktere, sie entdeckten auch, daß ihre Interessen wunderbar übereinstimmten. Maximilian hatte von klein auf eine besondere Vorliebe für die Jagd entwickelt, und Maria galt im ganzen Land als ausdauernde und exzellente Reiterin und Jägerin. Sie war mit den schnellsten Pferden und den kräftigsten Hunden vertraut, damals keine Seltenheit für ein Mädchen. Karl der Kühne hatte seine einzige Tochter schon als Kind auf Treibjagden mitgenommen, und sie war es gewohnt, den Wildschweinen nachzuhetzen, über Gräben zu springen und die Reiher im Flug zu erlegen. Sie stand ihrem Mann in nichts nach, und Maximilian war glücklich, wenn Maria ihn begleitete. Er allerdings konnte es seiner Frau nicht gleichtun, denn in einer sportlichen Disziplin war sie ihm bei weitem überlegen: im Schlittschuhlaufen. So sehr sich Maximilian auch bemühte, auf den schmalen Kufen anmutig übers Eis zu gleiten, er mußte bald erkennen, daß er kein großes Talent dazu hatte. Aber er gab die Hoffnung nicht auf, den Volkssport der Niederländer zu erlernen, und Maria war eine