Sigrid-Maria Größing

"Wir hätten in einem Rosengarten sitzen können"


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Königskinder vornahm.

      Der Hochzeitsschmaus wurde im alten Palast der Herzöge von Brabant eingenommen, aber es stellte sich bald heraus, daß die Räumlichkeiten für die vielen geladenen Gäste zu klein waren. So wandelte man in aller Eile einen in der Nähe gelegenen Getreidespeicher zum Bankettsaal um, Tische und Bänke wurden hereingeschleppt, einige Teppiche eilig aufgelegt, um den kahlen Raum etwas gemütlicher zu gestalten, und dann flossen Wein und Bier in Strömen. Alles, was Küche und Keller zu bieten hatten, wurde aufgetragen, die Silberschüsseln gingen über von all den Köstlichkeiten, die Hunderte von Köchen zubereitet hatten. Juana und Philipp saßen inmitten der fröhlichen Schar und warteten nur auf den Augenblick, in dem sie sich ungesehen zurückziehen konnten. Die Prinzessin war kaum fähig, ein paar Bissen zu sich zu nehmen, und auch Philipp lehnte dankend die ihm angebotenen Becher Weines ab. Das Feuer der Liebe und Begierde brannte in ihnen beiden lichterloh, und das konnte kein Wein löschen. Juana war wie in einem Bann, ihre Zurückhaltung und Schüchternheit waren einer rauschhaften Leidenschaft und Besitzgier gewichen, die für die Zukunft nichts Gutes versprachen. Die Flammen, die sie beide zu Beginn ihrer Ehe verzehrten, mußten sie im Laufe der Zeit verbrennen.

      Noch war Philipp an Juana interessiert, noch konnte sie ihn durch ihre Leidenschaft verzaubern, und er glaubte sogar, das feurige Mädchen für alle Zeit zu lieben. Er verwechselte Leidenschaft mit Liebe, da er aber die wahre Liebe nicht kannte, glaubte er sie nun gefunden zu haben.

      Aber Philipp war kein Mann fürs Leben, kein Ehemann, den man an sich binden konnte, der zu Hause blieb und keine andere mehr ansah. Dazu hatte er zu leichtes Blut in den Adern und zu viele Erfahrungen mit anderen Frauen hinter sich. So konnte es nicht ausbleiben, daß er sich bald nach der Hochzeit eingesperrt, eingeengt und umklammert fühlte und sich mit allen Mitteln zu befreien suchte. Es kam zu lautstarken Auseinandersetzungen zwischen den beiden, zu Vorwürfen, Ausflüchten, Versprechungen und Tränen. Und danach stürzte man gemeinsam ins Bett und feierte ausgiebig Versöhnung. Dabei verstand es Philipp meisterlich, die Sehnsüchte und Zweifel seiner jungen Gemahlin zu zerstreuen.

      Aber allmählich wurde selbst dem liebesdurstigen Philipp die Raserei seiner Frau zuviel, und er bemerkte wieder, daß es außer Juana nach wie vor auch andere schöne Mädchen gab, die er, wenn sie ihn nicht beobachtete, wohlgefällig betrachtete. Und er wußte, daß die blonden und blauäugigen flandrischen Frauen für ihn jederzeit zu haben waren und daß sie ihn nach einer gemeinsam verbrachten Nacht nicht an sich ketten wollten. Juana erkannte instinktiv diese Gefahr und wachte eifersüchtig darüber, daß an ihrem Hof kein hübsches weibliches Wesen zu finden war. Sie bedachte dabei allerdings nicht, daß sie Philipp auf diese Weise noch eher aus dem Haus treiben würde. Er hatte immer wieder andere Vorwände, um den Palast zu verlassen: einmal war es eine Jagd mit Freunden, das nächste Mal ein ritterlicher Wettkampf, zu dem nur die Männer geladen waren. Dazu kam, daß Juana schon bald ein Kind erwartete, so daß ihr beschwerliche Reisen nicht zuzumuten waren. Der Prinz war froh und glücklich, wenn er sich im Kreise seiner alten Freunde aufhalten konnte, die lustigen Zeiten waren noch lange nicht vorüber, und meist endeten diese Ausflüge im Bett eines schönen Mädchens. Der spanische Gesandte Gomez de Fuersalida schilderte den jungen Habsburger: »Er ist ein guter Mensch, aber willensschwach, ist ganz und gar seinen Gelüsten ausgeliefert, die ihn im Trubel eines leichtfertigen Lebens von Bankett zu Bankett, von einem Weib zum anderen schleppen …«

      Es konnte Juana nicht verborgen bleiben, wo sich Philipp tage- und wochenlang aufhielt, sie hatte ihre Informanten, die ihr von den amourösen Abenteuern ihres Mannes berichteten. Kehrte er dann zu ihr zurück, kam es zu den häßlichsten Eifersuchtsszenen, die darin gipfelten, daß er Juana auf seine Art strafte und nicht mit ihr schlief. Er ließ sich von seinen Dienern ein eigenes Zimmer für die Nacht zurechtmachen und zog sich unter dem lauten Geschrei seiner liebesdurstigen Frau dorthin zurück.

      Wahrscheinlich wäre das Leben beider in anderen Bahnen verlaufen, hätte Juana Philipp nicht ständig auf Schritt und Tritt bewachen lassen und versucht, Toleranz zu üben, wäre sie ein wenig gelassener und großzügiger gewesen. So aber trieb sie ihn mit ihrer Eifersucht aus dem Haus. Wenn er sich dann heimlich zurückschlich und versuchte, abseits von ihren Räumlichkeiten in Ruhe die Nacht zu verbringen, bezog Juana, kaum hatte sie von seiner Rückkehr erfahren, ein Zimmer im Stockwerk über seinem Raum und begann mit den Fäusten auf den Boden zu trommeln und immerfort seinen Namen zu rufen. Als Philipp einmal nicht reagierte, begann sie die Bretter des Fußbodens herauszureißen und flehte ihn weinend an, doch zu ihr zu kommen. Philipp blieb in seinem Raum und machte ihr nach dieser schlaflosen Nacht am nächsten Tag vor sämtlichen Dienern und Gefolgsleuten eine fürchterliche Szene.

      Aus der leidenschaftlichen Liebe war ein schrecklicher Kampf geworden. Und je mehr Juana sich Philipp unterwarf, desto mehr fühlte er sich von ihr abgestoßen, je leidenschaftlicher sie ihn umarmte, desto mehr erkaltete er in ihren Armen.

      In jeder Frau, in jedem Mädchen, das in die Nähe Philipps kam, erblickte Juana eine mögliche Rivalin, die sie mit dem größten Mißtrauen verfolgte. Einmal beobachtete sie ein blondes Mädchen, das einen Brief für Philipp in Händen hielt. Juana stürzte sich auf das Mädchen und versuchte ihm den Brief zu entreißen. Wahrscheinlich war es auch wirklich ein Liebesbrief, denn die Besucherin zerriß das Schreiben vor den Augen Juanas und schluckte die Papierfetzen hinunter. Das war zuviel für die rasende Frau, es war ein Eingeständnis und mußte schwer bestraft werden. Juana lief ins nächste Zimmer, ergriff eine Schere und stürzte sich auf die Ahnungslose. Vor den Augen aller schnitt sie dem Mädchen das lange, blonde Haar bis zur Kopfhaut ab und begann es mit Fäusten ins Gesicht zu schlagen. Philipp war durch den Lärm aufmerksam geworden, entriß Juana die Schere und versuchte die beiden Frauen zu trennen. Als Juana nicht von dem Mädchen lassen wollte und es mit Fußtritten attackierte, schrie der Prinz seine Frau an und versetzte ihr mehrere Hiebe, dazu schleuderte er ihr unflätige Worte ins Gesicht. Der Skandal war perfekt.

      Wochen der Trennung folgten, die schlimmste Strafe, die Philipp seiner Frau antun konnte. Nachdem ihr Zorn verraucht war, versuchte Juana jedes Mittel, um die Aufmerksamkeit ihres Gemahls wieder zu erringen. Das war nun doppelt schwer, da sie fast ständig schwanger war und in diesem körperlichen Zustand einen Mann wie Philipp kaum reizen konnte. Juana gebar ihrem Mann im Laufe ihrer Ehe sechs Kinder, aber auch diese schufen keine Verbindung mehr zwischen den beiden; ebenso wie Philipp betrachtete Juana die Söhne und Töchter bloß als Notwendigkeit für den Fortbestand der Dynastie, entwickelte aber keine besondere Beziehung zu ihnen (außer zu ihrer jüngsten Tochter Katharina).

      Es gab niemanden in den Niederlanden, dem Juana wirkliches Vertrauen schenkte. Sie war einsam in dem fremden Land, das düster und kalt geworden war und ihr feindselig vorkam. Daß sie selber durch ihr Wesen und ihren Charakter die Bevölkerung gegen sich aufbrachte, kam ihr nicht in den Sinn. In ihrer schwarzen Tracht, die sie schon in jungen Jahren bevorzugte, wirkte sie auf die lebensfrohen Niederländer, die sich gerne farbenprächtig kleideten, wie das leibhaftige schlechte Gewissen, die personifizierte ewige Mahnung. Alle, die sie sahen, wichen vor ihr zurück, vor ihrem flackernden Blick und den hastigen Gesten. Man fand die junge Frau unheimlich und konnte Philipp gut verstehen, wenn er sie mied. Es dauerte nicht lange, da tauchte das Gerücht auf, Juanas Großmutter sei im Wahnsinn gestorben. War etwa sie auch …?

      Philipp versuchte, wo es nur ging, seine Frau zurückzulassen, wenn er verreiste; von Zeit zu Zeit aber mußte er sie aus politischen Rücksichten wohl oder übel mitnehmen, so auch bei einer Reise nach Spanien, während der er seine Schwiegereltern kennenlernen und sich ein Bild der Lage verschaffen wollte. Es galt, Thronforderungen geschickt anzumelden.

      Da sich Philipp zeit seines Lebens vor Seereisen fürchtete, beschloß er, den Weg durch Frankreich zu nehmen. Dieser Plan erregte ungeheures Aufsehen, war sein Vater, der Kaiser, doch jahrzehntelang aus politischen und persönlichen Gründen mit dem französischen Königshaus verfeindet gewesen, und auch die katholischen Majestäten Ferdinand und Isabella betrachteten Frankreich als Erbfeind. Und jetzt wollte der junge Prinz die Traditionen brechen und in Freundschaft das französische Königspaar aufsuchen! Aber Philipp hatte ganz andere Absichten für die Zukunft, er wollte nicht den dauernden Krieg, er wollte Annäherung und Ausgleich.

      Juana wehrte sich, so gut sie konnte, gegen die Absicht ihres Mannes, den König von Frankreich aufzusuchen.