Georg Markus

Was uns geblieben ist


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wohnte Otto mit seiner Frau und seinen beiden ehelichen Söhnen – unter ihnen der spätere Kaiser Karl – im Augartenpalais, tatsächlich aber mit Marie Schleinzer und den unehelichen Kindern Alfred und Hildegard in einer Villa in der Anton-Frank-Gasse in Wien-Währing.

      Marie Schleinzer hat im Übrigen den Beweis erbracht, dass sie mehr als eine Mätresse war: Sie pflegte den Erzherzog in seinen letzten Lebensjahren aufopfernd, ehe er im November 1906 qualvoll an den Folgen seiner Syphiliserkrankung zugrunde ging.

      Dabei hatte die Tänzerin noch zu Ottos Lebzeiten den angesehenen, in Abbazia ordinierenden Kurarzt Julius Hortenau geheiratet, der später von Kaiser Franz Joseph in den erblichen Adelsstand erhoben wurde. Derartige »Vorgänge« waren durchaus üblich, um den Konkubinen des Kaiserhauses und ihren Nachkommen eine gutbürgerliche Existenz zu ermöglichen. Den Namen »von Hortenau« nahmen dann auch Ottos und Marie Schleinzers Kinder an.

       Stammbaum (Auszug)

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      Lisa Lanett hat ihre Großmutter Marie Schleinzer noch in guter Erinnerung, »schon weil ich nach der Scheidung meiner Eltern bei ihr aufwuchs. Sie kannte Gott und die Welt, und als ich zwölf war, besuchten wir gemeinsam ihre Freundin Katharina Schratt in deren Villa in der Gloriettegasse, wo sie uns eine Jause mit Guglhupf servierte, genau wie früher dem Kaiser, wie sie uns sagte.«

      Lisas Vater Alfred von Hortenau »führte ein ähnlich unstetes Leben wie sein Vater, Erzherzog Otto. Er hat sein ganzes Geld auf dem Spieltisch verloren und soll sogar mein Gitterbett verspielt haben. Wie der Erzherzog hatte auch er zahllose Affären. Die Ehe meiner Eltern wurde geschieden, als ich zwei Jahre alt war, danach war er zwei weitere Male verheiratet.«

      Kaum hatte ich Lisa Lanetts Aussage, dass John F. Kennedy der Vater ihres Sohnes war, in meiner Kolumne im Kurier am 22. März 2009 veröffentlicht, berichteten Medien aus aller Herren Länder darüber: amerikanische Blätter und Fernsehstationen ebenso wie die Süddeutsche Zeitung, der Daily Telegraph, The Sun, Le Soir, La Repubblica und Le Figaro, ja sogar eine chinesische Zeitung vermeldete das Auftauchen von »John F. Kennedy’s Austrian Son«. Während der Name Lisa Lanett vor Erscheinen meines Artikels in der Internet-Suchmaschine Google kein einziges Mal aufschien, findet er sich danach in rund 40 000 Einträgen.

      Jetzt einmal abgesehen von ihren Verbindungen zu den Häusern Kennedy und Habsburg, hat Lisa Lanett auch sonst ein spannendes Leben hinter sich. Der erste ihrer sechs Ehemänner war Mexikaner, der letzte hieß Joe Lanett und fand ein tragisches Ende: »Er wurde am 4. März 1974 in einer Bar in der kalifornischen Stadt Sacramento erschossen. Er saß dort zufällig als Gast, als eine Schießerei losging, mit der er absolut nichts zu tun hatte.«

      In Mexiko hat Lisa Lanett als Schauspielerin unter dem Namen Isabel del Puerto zwölf Spielfilme gedreht, ohne eine große Karriere zu schaffen. Und doch: Ihre betörende Schönheit und ihr Sexappeal waren wohl der Grund, dass der Frauenheld Kennedy bei ihr Feuer fing. Er hatte ein Faible für Schauspielerinnen und solche, die es werden wollten – wobei die anderen wesentlich berühmter waren als Lisa. Sie hießen Sophia Loren, Zsa Zsa Gabor, Lee Remick, Marilyn Monroe …

      Dass Kennedy keine Schauspielerin, sondern Jacqueline Bouvier heiratete, lag wohl auch daran, dass sich in den Fünfzigerjahren sein politischer Höhenflug abzuzeichnen begann und »Jackie« aus einer erstklassigen Familie stammte. »Sie war die ideale Frau für ihn«, sagt Lisa Lanett, »ich wäre als seine Frau ungeeignet gewesen, ich war ein bunter Vogel und hätte ein Leben am Rande der Politik nicht ertragen. Abgesehen davon hätte er nie Präsident werden können, wenn bekannt geworden wäre, dass wir ein uneheliches Kind haben. Daher haben wir unsere Affäre immer privat gehalten. Dass ich mit Ihnen darüber spreche, ergab sich nur, weil ich über meine Beziehungen zur Familie Habsburg reden wollte.«

      Einen Nachweis für John F. Kennedys Vaterschaft gibt es bis zum heutigen Tag nicht, zumal kein Mitglied der First Family in den USA bereit ist, sich einem DNA-Test zu stellen.

      Eigentlich schade. Käme es bei einer solchen Analyse zu einem positiven Ergebnis, wäre dieses wohl auch mit einer kleinen genealogischen Sensation verbunden.

      Dann wären nämlich die Habsburger mit den Kennedys verwandt.

      »AUCH SEIN BETT SOLLTE

      RÄDER HABEN«

       Vom Entstehen des Porsche-Clans

      Autos galten in jenen Tagen als übelriechende Ungeheuer, vor denen die Menschen mehr Angst als Respekt hatten und an deren Zukunft kaum jemand glauben wollte. »Wird aa wieder abkommen«, murrten die Dorfbewohner, wenn so ein stinkendes Gefährt unter enormer Lärm- und Staubentwicklung die Landstraße hinaufzuckelte.

      In Maffersdorf freilich, einem Vorort der sehr früh vom industriellen Zeitalter erfassten Stadt Reichenberg in Böhmen, gab es einen kleinen Buben, der sich nicht satt sehen konnte an den sonst so misstrauisch beobachteten Kraftfahrzeugen. Sie übten eine Faszination auf ihn aus, und er träumte von nichts anderem, als selbst einmal so einen Wagen fahren – oder gar bauen zu können.

      Da er mit vierzehn noch keine Autos chauffieren, geschweige denn konstruieren konnte, tröstete sich Ferdinand Porsche vorerst mit einer anderen technischen Spielerei, der die Menschen damals ähnlich skeptisch gegenüberstanden. Mit der Elektrizität. Und so brachte er auf dem Dachboden seines Elternhauses durch eine Batterie kleine Lämpchen zum Glühen. Mit unheilvollem Ausgang, denn als ihn sein als cholerisch verschriener Vater bei der Herstellung einer solchen Lichtquelle ertappte, zertrampelte er den »Firlefanz«, nannte seinen Sohn einen elenden Nichtsnutz und untersagte ihm jedwedes weitere Experiment.

      Ferdinand Porsche nahm diese Anordnung nicht besonders ernst, er setzte seine Experimente fort – und das für den Rest seines Lebens. Der Grund für die unbarmherzige Reaktion des Vaters Anton Porsche war sein Wunsch, dass der 1875 geborene Ferdinand das Spenglerhandwerk erlernen und später einmal seinen Betrieb übernehmen würde, statt unsinnige Flausen wie Autos und elektrisches Licht im Kopf zu haben, die ohnehin keine Zukunft hätten. Hinter der strengen Forderung des Vaters stand eine Familientragödie: Ferdinands für die Übernahme der Spenglerei ursprünglich vorgesehener älterer Bruder war bei einem Unfall in der familieneigenen Werkstatt ums Leben gekommen, weshalb nun der Zweitgeborene verpflichtet wurde, eine Spenglerlehre zu absolvieren.

      Kaum hatte sein Vater jedoch ein paar Tage außerhalb von Maffersdorf zu tun, wurden sie von Ferdinand genützt, um im ganzen Haus heimlich elektrischen Strom zu installieren. Als er heimkam, verfügten Wohnung und Werkstatt nicht nur über eine Klingel, sondern auch über elektrisches Licht. Das war der Moment, in dem Anton Porsche erkannte, dass der Bub für das »möglicherweise doch« anbrechende technische Zeitalter wie geschaffen – und für den Familienbetrieb verloren war. Und er ließ ihn schweren Herzens aus der Spenglerei ziehen, in der nun sein dritter Sohn Oskar ausgebildet wurde.

      Ferdinand Porsche ging in die Haupt- und Residenzstadt, mietete sich in einem kleinen Zimmer nahe der Matzleinsdorfer Kirche ein und wurde Praktikant der Vereinigten Elektrizitäts-AG, aus der später die Brown Boveri Werke hervorgingen. Béla Egger, der Chef des Unternehmens, zählte zu den technischen Pionieren der Gründerzeit und hatte sich auf die Elektrifizierung von Eisenbahnen, Fabriken sowie die Errichtung von Kraftwerksanlagen spezialisiert. Porsche beschäftigte sich als einer seiner dreihundert Mitarbeiter mit der Entwicklung des Radnabenmotors, einem revolutionären Elektroantriebssystem, nach dessen Prinzip siebzig Jahre später das erste Mondauto bewegt werden sollte.

      Wenn der junge Ferdinand Porsche von seinen Biografen als Workaholic beschrieben wird, der nichts anderes als die Konstruktion von Automobilen im Kopf hatte, dann stimmt das nur bedingt.