Georg Markus

Was uns geblieben ist


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Werksgelände eine junge Mitarbeiterin namens Aloisia Kaes auf, die 1895 im Alter von siebzehn Jahren als Lager-Buchhalterin bei der Vereinigten Elektrizitäts-AG begonnen hatte.

      Porsche zog es nun nicht nur auffallend oft ins Lager, sondern auch vor Aloisias Elternhaus, um das er seine Runden drehte. Zwei Kolleginnen machten die junge Buchhalterin auf den offensichtlichen Verehrer aufmerksam, der zu schüchtern war, sie anzusprechen. Stattdessen besorgte sich Ferdinand Porsche eine Fotografie, auf der alle weiblichen Mitarbeiter der Vereinigten Elektrizitäts-AG abgebildet waren und ließ daraus das Porträt der von ihm angehimmelten Aloisia vergrößern. Er zeigte es ihr – und sie war beeindruckt, dass der junge Mann sich so viel Mühe gegeben hatte, um mit ihr in Kontakt zu kommen. Der Bann war gebrochen, und in den nun folgenden Monaten konnten die beiden einander näherkommen.

      Aloisia Kaes war die Tochter eines in Wien ansässigen Schneidermeisters, der aus einer böhmischen Weberfamilie stammte, und auch ihre Mutter Margaretha war böhmischer Herkunft. Wie es sich gehörte, brachte Aloisia ihren Galan bald mit nach Hause, um ihn den Eltern vorzustellen. Ferdinand Porsche, der die nicht besonders zukunftsträchtige Position eines Montagetechnikers innehatte, wurde im Hause Kaes skeptisch betrachtet und von Aloisias Mutter mit den Worten empfangen: »Den hab ich schon öfter gesehen, er schleicht ja immer um unser Haus herum. Ich erkenne ihn an seinem steifen Kragen.«

      Tatsächlich legte Porsche mit seinen 22 Jahren Wert auf ein gepflegtes Äußeres, er kleidete sich eleganter als seine Kollegen in der Werkstatt und wurde, weil man ihn meist in schwarzem Anzug und weißem Kragen sah, von Aloisias Brüdern für einen Pfarrer gehalten. Das war er aber ganz sicher nicht, Ferdinand Porsche hatte ernste Absichten und besiegelte am 30. Mai 1897 auf einer Parkbank im Wiener Prater mit einem Kuss die Verlobung mit seiner Aloisia.

      In Maffersdorf hatte das heimliche Eheversprechen einen neuerlichen Wutausbruch zur Folge, da Anton Porsche seinen Sohn bereits einer Tochter der in Reichenberg beheimateten Familie Ginzkey versprochen hatte. Doch Ferdinand war nicht bereit, von seiner Aloisia zu lassen, und die beiden heirateten am 17. Oktober 1903 entgegen dem väterlichen Befehl in der Pfarrkirche von Maffersdorf. Die Hochzeitsreise führte das junge Paar durch Österreich, Frankreich und Italien und wurde vom frischgebackenen Ehemann zur Vorsprache bei diversen Automobilunternehmen genützt, bei denen er für seine technischen Innovationen warb.

      Das junge Paar bezog eine Wohnung in der Berggasse 6, was sich insofern als praktisch erwies, als Ferdinand Porsche mittlerweile bei der k. u. k. Hof-Wagenfabrik Jacob Lohner in der nahegelegenen Porzellangasse angeheuert hatte, die gerade dabei war, ihre Produktion von Pferdekutschen auf elektrisch betriebene Kraftwagen umzustellen. Nun war Ferdinand dort, wo er seit seinen Kindheitstagen hinwollte. Nach wenigen Monaten in den Lohner-Werken erregte er bereits bei der Pariser Weltausstellung des Jahres 1900 mit einem Elektromobil großes Aufsehen. Bald sprach sich seine außerordentliche Begabung als Konstrukteur, aber auch als Renn- und Herrenfahrer herum, sodass ihn der Thronfolger Franz Ferdinand aufforderte, ihn zu den Kaisermanövern zu chauffieren.

      In diesen Jahren wurde der Grundstein für den Aufbau des legendären Porsche-Clans gelegt, der heute zu den bedeutendsten und reichsten Dynastien der europäischen Industrie zählt: 1904 durch die Geburt der Tochter Louise, fünf Jahre später durch Sohn Ferry, die beide ein wesentliches Stück Automobil- und Unternehmensgeschichte schreiben sollten. Wie sehr Porsche den Automobilsport liebte, zeigt die Tatsache, dass er am 19. September 1909 – dem Tag, an dem sein Sohn in Wiener Neustadt zur Welt kam – ein Rennen am Wiener Exelberg absolvierte.

      Im Alter von 31 Jahren technischer Direktor der Austro-Daimler-Werke in Wiener Neustadt geworden, entwickelte Porsche bahnbrechende Auto- und Flugmotoren. Die beiden Kinder wurden auf dem Fabrikgelände groß, wodurch ihr Weg in die Fahrzeugindustrie vorgezeichnet war. »In dieser Welt des Automobils wuchs ich auf«, schreibt Ferry Porsche in seiner Autobiografie, »schon als Knirps fühlte ich mich zum Automobil hingezogen. Waren wir mit dem Auto unterwegs, dann hatte ich in Gedanken vor mir ein Lenkrad, mit dem ich während der ganzen Fahrt mitlenkte.«

      Als Porsche 1916 Generaldirektor der Austro-Daimler-Werke wurde, bot sich den beiden Kindern mehr denn je die Gelegenheit, den steten Fortschritt des Automobilbaues zu beobachten. »Wir wohnten in unmittelbarer Nähe des Werks, und es verging kein Tag, an dem ich dort nicht herumspazierte«, erinnert sich Ferry, der »mit allen Meistern gut Freund war und Zutritt zu den Werkstätten hatte. Am Sonntag ging mein Vater stets in das Konstruktionsbüro und nahm mich mit. Ich war noch ein kleiner Bub, von dem man annehmen hätte können, er wollte am Sonntag lieber spielen gehen; aber mich hat dieser sonntägliche Werksbesuch in keiner Weise gelangweilt, obwohl die Erwachsenen, die mit meinem Vater technische Angelegenheiten besprachen, der Meinung waren, ›der Bub versteht eh nix‹. Ich verstand aber eine ganze Menge von dem, was da diskutiert wurde.«

      Die Ehe von Ferdinand und Aloisia Porsche galt als vorbildlich – abgesehen davon, dass der Patriarch kaum Zeit für seine Familie hatte. Ruhelos in seiner Arbeit, war Porsche Tag und Nacht unterwegs, eilte von einer Sitzung in Wiener Neustadt zu Besprechungen nach Wien, Berlin und von dort zu einem Rennen am Nürburgring. Aloisia drückte die Rastlosigkeit ihres Mannes mit dem treffenden Satz aus: »Am besten wär’s, auch sein Bett hätte Räder.« Was das Ehepaar verband, war die Liebe zum Theater – auch wenn sie für die Opern Richard Wagners und er für die leichte Muse schwärmte. Musik und Inhalt waren ihm dabei nicht so wichtig, da er in jeder Vorstellung schon nach wenigen Minuten einzuschlafen pflegte.

      Es war klar, dass Aloisia samt Kindern ihrem Mann überallhin folgen würde, wo er eine neue Aufgabe fand. So auch 1923, als er Chefkonstrukteur bei Mercedes-Benz in Stuttgart wurde und dann fünf Jahre später, als er wieder nach Österreich zurückkehrte – diesmal, weil die Steyr-Daimler-Werke riefen. Dass er in den meisten Autofabriken nur kurze Zeit blieb, hatte oft wirtschaftliche Gründe, lag aber auch an Ferdinand Porsches Hang zu Wutausbrüchen. Wie sein Vater neigte auch er zu Jähzorn.

      Ehemalige Mitarbeiter berichteten, dass er – wenn nicht alles nach seinem Kopf lief – zuweilen seinen Hut auf den Boden warf und auf ihm herumtrampelte. Nachdem Porsche mit fast allen großen Automobilerzeugern zerstritten war, blieb ihm 1931 nichts anderes übrig, als sich selbständig zu machen. Die Familie ging einmal mehr nach Stuttgart, wo der Senior – nun schon assistiert von Sohn Ferry – sein eigenes Konstruktionsbüro eröffnete und die Entwicklung von Rennwagen vorantrieb, in denen dann spätere Legenden wie Hans Stuck, Rudolf Caracciola und Bernd Rosemeyer Weltrekorde fuhren.

      Gleichzeitig erkannte Porsche aber auch, dass die Zukunft des Autos nicht in der Produktion von ein paar Renn- und Luxuslimousinen liegen könne, sondern im Fortbewegungsmittel für die Massen. Deshalb erdachte er einen kleinen, billigen Pkw, wie ihn die Autoindustrie bis dahin abgelehnt hatte: den späteren Käfer, der der Familie Porsche zu Reichtum und Macht verhalf.

      Die Folgen des Pakts mit dem »Führer« waren schwerwiegend, zumal Porsche 1945 von den Alliierten verhaftet wurde, weil er mit Hilfe von 20 000 Zwangsarbeitern an der Rüstungsindustrie der Nazis erheblich profitiert hatte.

      Während der 22 Monate, die Ferdinand Porsche im Gefängnis saß, übernahm sein Sohn – nachdem auch er kurz in Haft gewesen war – die Leitung der Betriebe. Nun setzte der unvergleichliche Aufstieg des Käfers als Symbol des Wirtschaftswunders ein: Er wurde insgesamt 21 Millionen Mal verkauft – nicht zum Schaden der Familie Porsche, die ab 1945 an jedem einzelnen Exemplar mit fünf Mark beteiligt war.

      Ferdinand Porsche wollte nach seiner Freilassung aus der Gefangenschaft, obwohl bereits 72 Jahre alt, nicht untätig bleiben. Er siedelte sich mit seiner Frau am familieneigenen Schüttgut in Zell am See an und begann in zwei winzigen Baracken der Kärntner Ortschaft Gmünd mit der Konstruktion jenes Sportwagens, der heute noch – in modifizierter