Georg Markus

Was uns geblieben ist


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zur Finanzierung der Serienproduktion fanden, verlegte er sie nach Stuttgart.

      Nach Ferdinand Porsches Tod im Jahre 1951 wurde sein Erbe zwischen seiner in Österreich lebenden Tochter Louise – die seit 1928 mit dem Wiener Rechtsanwalt Anton Piëch verheiratet war – und Sohn Ferry Porsche aufgeteilt. Während Louise die Porsche Holding in Salzburg leitete – sie ist mit 17 000 Mitarbeitern heute Österreichs größtes privat geführtes Unternehmen – besteht Ferry Porsches Leistung darin, das Stuttgarter Ingenieurbüro seines Vaters zu einem Großkonzern ausgebaut zu haben.

      Wie ihre Vorfahren haben auch Louise Piëch und Ferry Porsche ihr auf komplizierte Weise miteinander verbundenes Firmengeflecht sehr emotional geführt. Hatte Anton Porsche noch am Dachboden seines Hauses in Maffersdorf Lämpchen zerstört und Ferdinand Hüte zertrampelt, soll es zwischen Ferry und Louise sogar zu Handgreiflichkeiten gekommen sein.

      Ferry Porsche starb 1998 in Zell am See, Louise Piëch im Jahr darauf ebendort. Während er vier Söhne als Erben hinterließ, hatte sie drei Söhne und eine Tochter. Die unausbleiblichen Machtkämpfe wurden nun mit wesentlich subtileren Mitteln ausgetragen: 1972 waren die Familien Porsche und Piëch dermaßen zerstritten, dass es keine andere Möglichkeit gab, als alle Clan-Mitglieder von der operativen Leitung des Volkswagen-Werks abzuziehen.

      Zuweilen nahmen die Familienstreitigkeiten in der dritten Generation auch skurrile Züge an, als sich nämlich in den Machtkampf auch Liebe und Eifersucht einzuschleichen begannen: Als Höhepunkt des Krieges zwischen den Cousins Ferdinand Piëch und Gerd Porsche fing der eine mit der Frau des anderen eine Affäre an: Ferdinand Piëch und Marlene Porsche wurden ein Paar. Den Vorwurf, dies sei aus Verbitterung über den Rückzug der Familie aus der Konzernspitze geschehen, wies Piëch zurück. Es sei auch nicht sein Plan gewesen, dass sich die Mehrheitsverhältnisse durch die folgende Scheidung der Eheleute Gerd und Marlene Porsche verändern würden.

      Aber praktisch war die neue Konstellation allemal. Piëch, auch sonst kein Kind von Traurigkeit – er hat zwölf Kinder aus vier Beziehungen – war zwölf Jahre lang mit der Frau seines Cousins liiert und übernahm 1993 als Vorstandsvorsitzender die Hebel der Macht bei VW. All der Streit und auch der Liebes-Reigen konnten aber nichts daran ändern, dass das Haus Piëch-Porsche mit einem geschätzten Vermögen von dreißig Milliarden Euro zu den reichsten Familien im deutschsprachigen Raum zählt. Europas größte Automobil-Dynastie besteht aus rund sechzig Mitgliedern, allesamt leibliche und angeheiratete Nachfahren des Konzern-Vaters Ferdinand Porsche. In ihrem Besitz befinden sich die (deutsche) Porsche Fabrik und die (österreichische) Porsche Holding, weiters kontrolliert die Familie das größte Aktienpaket am Volkswagen-Werk, dessen Aufsichtsratsvorsitzender seit 2002 Ferdinand Piëch ist.

      NICHT IMMER IM DREIVIERTELTAKT

       Bekannte und weniger bekannte »Sträuße«

      Wer hätte das gedacht. Neben den berühmten Strauß-Brüdern gab es noch zwei Schwestern. Doch von denen weiß man bislang wenig, obwohl es sogar den Plan gab, auch sie im Walzergeschäft unterzubringen.

      Anna und Therese Strauß waren um vier beziehungsweise sechs Jahre jünger als der Walzerkönig und im Gegensatz zu Johann, Josef und Eduard nicht besonders attraktiv. Auch sie hatten die damals übliche musikalische Ausbildung erfahren und sollten nach dem Willen ihrer Brüder Dirigentinnen werden. Der Grund war ein kommerzieller: Der Name Strauß hatte zur Mitte des 19. Jahrhunderts eine solche Popularität erreicht, dass es weit mehr Konzert-Angebote gab, als die »Firma Strauß« annehmen konnte. So entstand 1862 die Idee, auch die Schwestern in die Leitung des Strauß-Orchesters mit einzubeziehen. Das war zu der Zeit, als Johann sich verstärkt aufs Komponieren konzentrierte und neben Josef und »Nachzügler« Eduard weitere Kapellmeister gesucht wurden, die man als der Familie Strauß zugehörig verkaufen konnte. Einmal tauchte sogar die Idee auf, die »Strauß-Mädeln« auf das Podium des Musikpavillons im Volksgarten zu stellen.

      Sie wurde wieder fallengelassen, als man erkannte, dass die Konzertbesucher eigentlich nur den »Schani«, den »Pepi« oder den »schönen Edi« sehen wollten. Therese und Anna, genannt Netti, blieben unverheiratet und ohne Beruf. Sie wurden zeitlebens vom Walzerkönig finanziell unterstützt, der die engste Beziehung zu ihnen hatte. »Der Johann«, schrieb Therese nach dessen Tod im Illustrierten Wiener Extrablatt, »hat ein Herz wie Gold gehabt. Wie er ein berühmter Mann geworden ist, da hab ich müssen jeden Freitag bei ihm speisen.«

      Anna sollte noch eine delikate Rolle in Johanns Leben spielen. Als ihr nämlich im Herbst 1881 die undankbare Aufgabe zufiel, ihren Bruder darüber zu informieren, dass seine zweite Frau Lili ein Verhältnis mit Franz Steiner, dem Direktor des Theaters an der Wien, hatte. Das wusste zwar »ganz Wien« – nur Johann Strauß Sohn selbst hatte keine Ahnung davon. Der Walzerkönig war zutiefst enttäuscht, nicht nur von seiner Frau, sondern auch von Steiner, der ihm einige der größten Publikumserfolge seiner Direktionszeit zu verdanken hatte.

      Als wenige Tage nach Bekanntwerden der Affäre just im Theater an der Wien die neue Strauß-Operette Der lustige Krieg Premiere hatte, kursierte der Witz: »Der häusliche Krieg mit Lili, der lustige Krieg mit Girardi.«

      Johann Strauß zog, als Anna ihn informiert hatte, die Konsequenzen. Er trennte sich von Lili und heiratete 1887 ein drittes Mal und fand in Adele die Partnerin für den Rest seines Lebens.

      Wenn schon nicht als Dirigentinnen, so gingen die Strauß-Schwestern dennoch in die Musikgeschichte ein, als Johann sie in seiner Komposition Traumbilder charakterisierte, über die er 1895 an Bruder Eduard schrieb: »Du kommst auch dran, niemand ist vor meiner Grausamkeit gefeit. Denke an das Portrait der Netti und der Therese.«

      Während die Schwestern in Johanns Testament mit einem lebenslangen Nutzungsrecht seiner Häuser bedacht wurden, verlief sein Verhältnis zu den Brüdern nicht immer im Dreivierteltakt. Da muss in der Kindheit viel passiert sein, was bei den schwierigen Familienverhältnissen nicht weiter verwundert.

      Der durch die Schöpfung des Radetzkymarschs selbst unsterblich gewordene Vater der Strauß-Brüder und -Schwestern stammte aus einer Gastwirtsfamilie und war erst sieben, als seine Mutter starb und zwölf, als sein Vater – hoch verschuldet – in der Donau ertrank. Bis dahin hatte er in den elterlichen Schänken Zum heiligen Florian und Zum guten Hirten die dort aufspielenden Musiker beobachtet und sich oft einfach dazugesetzt, um sie zu begleiten.

      Johann Strauß Vater hatte vierzehn Kinder, sechs mit seiner Ehefrau Anna geborene Streim und vermutlich acht mit seiner Geliebten, der Modistin Emilie Trampusch. Neben den drei berühmt gewordenen Musikern Johann, Josef und Eduard und den Töchtern Anna und Therese gab’s aus der Ehe noch einen Sohn, Ferdinand, der im Jahr seiner Geburt an einem »hitzigen Wasserkopf« starb.

      Strauß Vaters Abgang aus der ehelichen Wohnung zu der 21-jährigen Emilie war nicht gerade nobel. Nur zwei Monate nachdem seine Frau im März 1835 ihren jüngsten Sohn Eduard zur Welt gebracht hatte, gebar die Geliebte bereits ihr erstes Kind.

      Johann Strauß Vater hatte die schöne Hutmacherin auf einem Ball, dessen musikalischer Leiter er war, kennen gelernt. Er zog aus der ehelichen Wohnung in der Taborstraße 17 aus, um mit Emilie zunächst in ein anderes Haus in der Leopoldstadt und später in die Kumpfgasse zu ziehen. Da er sich von seiner Frau nach dem für Katholiken geltenden Recht nicht scheiden lassen konnte, kamen die acht Kinder der Emilie Trampusch in den Jahren 1835 bis 1844 unehelich zur Welt, wobei eines wie Johanns ältester Sohn den Namen Johann erhielt und ein anderes wie eine der beiden ehelichen Töchter den Namen Therese. Auch darüber war man in der »verlassenen Familie« empört: Josephine Streim, die Schwester der sitzengelassenen Anna, bezeichnete ihren Schwager verächtlich nur noch als den »Bettgeher der Trampusch«.

      Für die drei genialen Strauß-Buben war die eheliche Krise ein persönliches Drama – musikalisch jedoch ein Glücksfall. Denn während der Vater gegen Johanns Wunsch, Berufsmusiker zu werden, ankämpfte und ihm sogar die Geige weggenommen haben soll,