mit dem Gesicht nach unten“, kommandierte der Mann. „Die Hände hübsch auf den Rücken, Miß!“
Kathy gehorchte. Sie hatte keine andere Wahl und ärgerte sich maßlos, daß er ihr keine Chance ließ, sondern ihre hilflose Nacktheit ausnutzte und ausspielte.
Sie hörte leichte Schritte hinter sich, wollte blitzschnell herumfahren und ihre Handkante einsetzen. Doch der Mann war schneller. Kathy wurde ihrerseits von einem nachdrücklichen, aber nicht zu harten Schlag getroffen und stürzte in den immer wieder so oft beschriebenen dunklen und tiefen Schacht der Bewußtlosigkeit.
*
„Ich protestiere noch mal in aller Form gegen diese Behandlung“, grollte Lady Simpson verärgert. Sie saß wie ihr Butler in einem tiefen, äußerst bequemen Ledersessel, der es leider unmöglich machte, schnell aufzustehen. Dazu hätte man sich erst einmal etwas umständlich hochwuchten müssen.
Das Büro, in dem sich Lady Agatha und Butler Parker befanden, war altehrwürdig eingerichtet. Zu der dunklen Holzvertäfelung der Wände paßten der große Schreibtisch aus Mahagoni, die schweren Teppiche und der Bücherschrank an der Stirnseite.
Der Mann neben dem Schreibtisch glich rein äußerlich einem Berufsdiplomaten, wie er im Film gern dargestellt wird. Seine dunkle Kleidung war untadelig und stammte von einem ersten Schneider. Der zweite Mann trug eine Chauffeuruniform und paßte ebenfalls ins Bild. Es handelte sich um jenen Typ, den der Butler draußen im Korridor mit seiner Gabelschleuder aus dem Verkehr gezogen hatte. Der dritte Mann, der sie mit der Automatic empfangen hatte, wirkte in dieser Umgebung ein wenig stilwidrig. Er trug einen lässigen Sportanzug mit einem zu groben Muster.
Der ‚Diplomat‘ war fünfzig Jahre alt, besaß ein gutgeschnittenes Gesicht und verbindliche Manieren.
„Sie sind schneller erschienen, als ich gedacht hatte“, sagte er höflich.
„Sie wollen doch nicht etwa behaupten, daß Sie unsere Verfolgung mitbekommen haben?“ Lady Simpsons Stimme klang ungläubig.
„Sie müssen es ja nicht unbedingt glauben“, erwiderte der ‚Diplomat‘, „nun sind Sie hier. Wir sollten uns in aller Ruhe unterhalten und vielleicht vergleichen.“
„Welches Thema haben Sie Mylady anzubieten?“ erkundigte sich Parker. Er hatte längst herausgehört und gespürt, daß sie es auch hier mit Profis zu tun hatten. Der Auftritt vor dem Leichenschauhaus allein schon sprach Bände dafür.
„Burt Lister“, sagte der ‚Diplomat‘, gelassen, „um ihn dürfte es ja wohl gehen, nicht wahr?“
„Sie sind Agenten?“ Lady Simpson konnte ungemein unkonventionell sein, scheinbar naiv, doch Parker wußte es besser. Er ließ die alte Dame gewähren, verhielt sich ruhig.
„Geschäftsleute“, korrigierte der ‚Diplomat‘, „wieso interessieren Sie sich für Lister?“
„Ja, wer sagt Ihnen denn das?“ wunderte sich Lady Agatha gespielt.
„Sie haben immerhin vor dem Leichenschauhaus gewartet, daraus lassen sich Schlüsse ziehen. Übrigens mit einer Falle hatte ich von vornherein gerechnet, aber das nur am Rande.“
„Sind Sie wenigstens auf Ihre Kosten gekommen?“
„Nein!“ Die Stimme klang böse, nicht mehr verbindlich und höflich.
„Kunststück“, meinte Lady Agatha leichthin, „wir ebenfalls nicht. Mr. Lister scheint selbst nach seinem Tod noch seine Geheimnisse zu wahren.“
„Wie sind Sie an Lister geraten? Ich will jetzt Ihre Geschichte hören.“
„Das wird mein Butler erledigen“, sagte Lady Simpson ungnädig. „Mit Details beschäftige ich mich nicht. Mich interessiert nur die große Linie.“
„Mylady sind dabei, Materialien für einen geplanten Spionageroman zu sammeln“, erläuterte Josuah Parker gemessen, ganz auf die Skurrilität Lady Simpsons eingehend. „Durch einen Zufall, den man nur als ausgesprochen glücklich bezeichnen kann, stieß Mylady auf Dinge, die Anlaß zur Hoffnung geben, daß diese Suche sich als erfolgreich erweisen wird.“
Die drei Männer tauschten schnelle und leicht verwirrte Blicke aus. Sie waren eindeutig unsicher und wußten offenbar nicht, was sie von diesem seltsamen Duo halten sollten. Sie spürten nämlich, daß die Skurrilität im Grunde echt war.
Parker ließ ihnen jedoch keine Zeit.
Fragen zu stellen. Er begann mit seiner Geschichte, der selbst Lady Agatha mit Freude lauschte. Parker entwickelte nämlich einen Spionageroman, wie sie ihn sich schon immer vorgestellt hatte.
Der Butler war ein faszinierender Erzähler.
Er hatte seine beiden schwarz behandschuhten Hände über den Bambusgriff seines altväterlich gebundenen Regenschirms gelegt und war in der Wahl seiner Worte einmalig. Es gab kaum einen Satz, der normal ausgefallen wäre. Parker liebte die barocken Umschreibungen, die es bisher immer noch geschafft hatten, seine Zuhörer restlos zu verunsichern.
Dabei arbeitete er bereits intensiv an der Rettungsaktion.
Keiner der drei Männer merkte, daß der Butler den Bambusgriff gegen den Schirmstock verdrehte. Damit lud er das Blasrohr auf, das als Schirmstock getarnt war. Im Bambusgriff des Schirms befand sich eine Kohlensäurepatrone, die Munition nach Wahl durch das Blasrohr jagte.
In diesem speziellen Fall hatte der Butler sich für ein fast schon bösartig zu nennendes Reizpulver entschieden. Die drei Gegner mußten schlagartig außer Gefecht gesetzt werden. Es durfte dabei zu keiner Verzögerung kommen.
An dieser Stelle sollte gesagt werden, daß das revolverartige Magazin im Bambusgriff des Schirms außerdem noch zwei stricknadelgroße Giftpfeile und schließlich eine Art Nebelbombe enthielt. Parker hatte seinen Universal-Regenschirm den Anforderungen angepaßt und dementsprechend umgestaltet. Er war ein Mann, der mit der Zeit ging.
Die drei Zuhörer unterbrachen ihn nicht mal, sie hörten schweigend zu, zeigten keine Langeweile und schwiegen selbst dann, als der Butler seinen Bericht abgeschlossen hatte.
Daß dieser Bericht in gewissen Einzelheiten absolut nicht mit den Tatsachen übereinstimmte, war natürlich klar. Der Butler wollte die drei Männer nicht unnötig verwöhnen.
„Nun ja“, sagte der ‚Diplomat‘ schließlich und räusperte sich. „Sie waren also zufällig Zeugen des Unfalls von Lister, waren die ersten Personen an der Unfallstelle und wurden dann Stunden später von zwei Gangstern überfallen. Darauf läuft die Geschichte doch hinaus, oder?“
„So hätte ich sie natürlich auch erzählen können“, antwortete Josuah Parker, „aber dann wären Ihnen mit einiger Sicherheit gewisse Feinheiten entgangen.“
Er war gespannt, ob der „Diplomat“ auf Kathy Porter zu sprechen kam.
Wußte er von ihrer Existenz?
„Und danach hatten Sie den Eindruck, Mylady, es könnte sich um einen Spionagefall handeln?“
„Liegt das nicht auf der Hand?“ fragte Agatha Simpson begeistert zurück. „Die beiden Lümmel, die Mr. Parker und mich überfielen, suchten nach irgendwelchem Material von Mr. Lister, wie sie sich ausdrückten. In diesem Moment wußte ich, daß es sich um Spionage handelt.“
„Als Laie haben Sie aber sehr richtig geschaltet, und vor dem Leichenschauhaus gewartet.“
„Und darauf bin ich jetzt noch stolz“, redete Mylady weiter. „Sie sind doch der Beweis, daß ich richtig vermutet habe. Auch Sie sind doch hinter diesen ‚Materialien‘ her, nicht wahr, sonst wären Sie doch nicht in das gräßliche Leichenschauhaus eingedrungen.“
„Sie reden immerzu von Spionage“, lockte der „Diplomat“ beiläufig. „Was könnte Lister denn ausspioniert haben?“
„Geheimnisse aus seiner Forschungsabteilung“, sagte Lady Agatha nachdrücklich, „ich habe mit Chefinspektor Sounders gesprochen, den Sie ja wohl in diesem