Günter Dönges

Butler Parker Paket 3 – Kriminalroman


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die Ledermappe mit den Kreditkarten. Das kleine Päckchen mit der Brosche war vorhanden und schließlich auch einige Banknoten und Münzen.

      „Haben Sie einen speziellen Verdacht?“ erkundigte sich der „Diplomat“ lächelnd und ein wenig herablassend-spöttisch. Er wollte die alte Dame weiter herausfordern.

      „Selbstverständlich!“ Sie schien in die Falle zu gehen, freudig und todesbereit. „Meiner Ansicht nach handelt es sich um Mikrofilme, die Mr. Lister hierher nach London zu seinem Geldgeber bringen wollte. So werde ich es wenigstens in meinem Spionageroman schreiben.“

      „Nicht schlecht, Mylady.“ Der „Diplomat“ nickte. „Und wo können diese Mikrofilme versteckt sein?“

      „Das wissen Sie nicht?“ Lady Simpson lachte spöttisch, wirkte dabei eifrig und naiv. „Sehen Sie sich doch mal die Taschenuhr an, das klassische Versteck für so etwas! Öffnen Sie den Zwischendeckel, dann werden Sie Augen machen!“

      Und was für Augen die drei Männer machten!

      Wie auf ein geheimes Kommando hin sahen sie auf den Schreibtisch und vergaßen vielleicht für eine Sekunde Lady Simpson und Butler Parker. Diese eine Sekunde reichte dem Butler, um das Reizpulver aus dem Lauf des Blasrohrs zu schießen.

      Das Ergebnis war frappierend.

      Die drei Männer sahen sofort im wahrsten Sinn des Wortes rot, husteten sich die Seele aus dem Leib und waren ab sofort nicht mehr ansprechbar.

      Der „Diplomat“ wollte wahrscheinlich noch seine Schußwaffe ziehen, doch ein bellendes Husten lenkte ihn ab und machte ihn gebrauchsunfähig. Der Mann riß die Hände hoch, rieb sich die höllisch brennenden Augen und tastete wie ein Blinder durch die Gegend.

      Dabei geriet er an seinen Chauffeur der sich angegriffen fühlte. Da dieser Mann aber nichts Genaues sah und sich wehrte, drosch er auf seinen Chef ein, der sofort Wirkung zeigte und niederkniete.

      Der dritte Mann lag bereits flach über einem Beistelltisch, den er übersehen hatte, ruderte wie ein Trockenschwimmer mit Armen und Beinen herum und fiel in den Chor der Huster ein.

      Parker hatte Lady Simpson ein Taschentuch gereicht, das er aus der Innentasche seines schwarzen Zweireihers hervorgeholt hatte. Es war speziell präpariert und absorbierte die Reizstoffe, sofern man dieses Tuch fest gegen das Gesicht preßte und Augen, Nase und Mund schützte. Er hatte sich mit einem zweiten Spezialtuch versorgt und sah dem fröhlichen Leben und Treiben der drei Männer gelassen zu.

      Sie wanden sich bereits auf dem Teppich und merkten nicht, wie der Butler aufstand und dafür sorgte, daß sie endlich zur Ruhe kamen. Er benutzte den bleigefüllten oberen Teil des Bambusgriffs und legte ihn nacheinander auf die Hinterköpfe der drei Männer.

      „Ich hoffe, Mylady waren mit meiner bescheidenen Wenigkeit zufrieden“, sagte er dann, sich an Lady Simpson wendend.

      „Es geht“, mäkelte sie ein wenig. „Sie hätten vielleicht ein wenig fester zuschlagen können. Ich kann Ihre Rücksicht einfach nicht verstehen. Geben Sie mir mal den Schirm, Mr. Parker! Versäumtes läßt sich nachholen.“

      „Mylady sollten vielleicht ein wenig Menschlichkeit üben“, bat Josuah Parker. „Ich darf zudem darauf verweisen, daß der anschließende Katzenjammer der Betroffenen recht erheblich sein wird.“

      „Ich verlasse mich auf Sie“, lenkte Lady Simpson ein. „Rufen Sie jetzt endlich Chefinspektor Sounders an, Mr. Parker! Wir haben noch sehr viel zu tun. Ich hoffe, daß Sie Kathy nicht vergessen haben!“

      *

      Sie durfte sich endlich aufrichten und sah ihn böse an.

      Er hatte Kathys Hände mit der Kordel des Rollos gefesselt, und sie hatte sofort gemerkt, daß er sich darin auskannte. Eine Möglichkeit der Selbstbefreiung war ausgeschlossen.

      „Jetzt fühle ich mich schon bedeutend wohler“, sagte der Mann und schaute auf sie hinunter. „Wildkatzen Ihrer Größe legt man besser an die Leine.“

      „Was haben Sie mit mir vor? Wer sind Sie eigentlich?“

      „Zuerst mal zu Ihnen, Miß“, meinte er ironisch. „Erzählen Sie mir eine hübsche Geschichte, ja? Wir haben viel Zeit!“

      „Warum liefern Sie mich nicht gleich an Ihre Nachbarn aus? Worauf warten Sie noch?“

      „Nehmen Sie doch nicht so übel!“ Seine Ironie war unverkennbar. „Man muß auch mal verlieren können.“

      Kathy Porter wußte nicht, was sie tun sollte.

      Trotz ihrer Wut war der Mann ihr nicht unsympathisch, von ihm ging eine ruhige Gelassenheit und Überlegenheit aus. Ein Gangster konnte er kaum sein. Er war einfach nicht der Typ, der zur Unterwelt gehörte. Doch darin konnte man sich natürlich gründlich täuschen. Sie hatte das schon häufig erlebt.

      „Kennen Sie Ihre drei Nachbarn?“ fragte sie.

      „Natürlich. Angenehme Leute.“ Er nickte.

      „Sie haben mich zu verrückten Aufnahmen zwingen wollen, darum bin ich geflüchtet.“

      „Und wie sind Sie an die Adresse gekommen, Miß?“

      „Durch eine Zeitungsannonce“, schwindelte Kathy. „Dieser Cranford suchte Fotomodelle. Ich meldete mich, und er lud mich zu einer Besprechung ein. Was ich dann erlebte, spottet jeder Beschreibung. Sie fielen wie die Tiere über mich her.“

      „Sie haben doch gewiß eine Adresse, Miß. Könnte ich die mal erfahren? Irgendwelche Ausweise haben Sie ja leider nicht bei sich. Oder erfreulicherweise, ganz wie man will.“

      Er sah sie gelassen an und schmunzelte dann ein wenig. Kathy preßte wütend die Lippen zusammen. Sie hatte keine Möglichkeit, ihre Blöße zu verbergen.

      „Ich bin Sekretärin“, erwiderte sie, sich halb abwendend, um seinen kühlen, grauen Augen zu entgehen, in denen unentwegt die Ironie schimmerte. „Ich wollte etwas erleben, verstehen Sie? Mein augenblicklicher Job ist mir einfach zu langweilig.“

      „Und für wen arbeiten Sie?“

      „Für Lady Agatha Simpson, doch der Name wird Ihnen nichts sagen.“

      Er drehte sich um und ging aus dem Zimmer. Vielleicht wollte er anrufen, vielleicht wollte er auch nur diesen verrückten Cranford verständigen. Sie wußte es nicht. Kathy zerrte wie rasend an der dünnen Kordel, die ihre Handgelenke zusammenhielt, stand auf und suchte nach irgendeinem scharfen Gegenstand, um diese Fessel zu durchtrennen.

      Er kam bereits wieder zurück und hielt zwei Drinkgläser in Händen.

      „Trinken wir auf Lady Agatha“, sagte er. „Oh, warten Sie, ich muß ja erst noch Ihre Hände aufbinden.“

      „Sie … Sie kennen Lady Agatha?“ Kathy schluckte vor innerer Aufregung.

      „Flüchtig“, gab er zurück. „Sie sind Kathy Porter, nicht wahr? Und Mr. Josuah Parker dürfte Ihr Lehrmeister sein.“

      Sie hatte die Hände bereits frei und starrte ihn verblüfft an. Er reichte ihr das zweite Glas und prostete ihr zu.

      „Gießen Sie mir den Whisky nicht gleich ins Gesicht, und verzichten Sie auf alle Tricks“, bat er lächelnd. „Wär’ doch schade um den guten Stoff. Auf unsere Begegnung, Kathy!“

      „Wer, zum Teufel, sind Sie eigentlich?“

      „Wollen Sie es ganz genau wissen?“

      „Natürlich“, gab sie zurück, nachdem sie einen kräftigen Schluck aus dem Glas genommen hatte.

      „Dann will ich Sie nicht enttäuschen“, sagte der Mann und nahm sie wie selbstverständlich in seine Arme. Sein Kuß war fordernd, aber nicht brutal. Seine Lippen schmeckten nach Tabak und Whisky, eine Mischung, die Kathy eigentlich schon immer geschätzt hatte.

      „Puhhh!“ Sie machte sich von ihm frei und schnappte nach Luft. Sie trat einen halben Schritt zurück und nahm noch einen Schluck.