des Geschosses, das dicht an ihrem Kopf vorbeizischte. Hastig nahm Kathy das Glas hoch und nippte an der bernsteinfarbenen Flüssigkeit.
„Leertrinken“, befahl er und grinste.
„Ich kann nicht mehr“, sagte sie mit bereits schwerer Zunge.
„Wetten, daß?“ Er hob die Waffe wieder an. „Bist du auf einen ordentlichen Streifschuß scharf?“
Kathy Porter wußte, daß das keine leere Drohungen waren. Sie setzte das Glas wieder an die Lippen und trank dann, möglichst schnell, um gegen die aufsteigende Übelkeit anzukommen. Aufatmend setzte sie das Glas ab und wollte sich in den Sessel neben dem Wandtisch fallen lassen.
„Stehenbleiben“, kommandierte er aus sicherer Entfernung und sah sie forschend an. „Wie wär’s denn jetzt mit etwas Abwechslung?“
„Ich kann nicht mehr“, stöhnte sie. Der Alkohol überschwemmte ihr Blut, ihr drehte sich alles vor Augen.
„Kommt auf einen Versuch an“, meinte Gardena, „etwas Süßes vielleicht, Hübsche?“
Er hatte sie völlig in der Hand.
Kathy mußte sich ein halbes Glas voll Portwein füllen und es ebenfalls in einem Zug leertrinken. Sie merkte, daß sie die Selbstkontrolle verlor, und konnte sich kaum noch auf den Beinen halten. Kathy fiel zurück gegen die Wand und schloß die Augen. Sie kam sich wie auf einer riesigen und rasend schnellen Achterbahn vor, taumelte und rutschte dann an der Wand langsam zu Boden. Wie durch Watte hörte sie die scharfe Stimme des Mannes, hörte wieder ein „Plopp“.
Sie riß sich zusammen, stemmte sich hoch, schwankte und öffnete mühsam die Augen.
„Noch einen anständigen Kognak“, verlangte er ohne Erbarmen. „Mir soll keiner nachsagen, daß ich ein schlechter Gastgeber bin.“
Sie verschüttete eine gehörige Portion von dem Kognak, als sie sich damit das Glas füllte, trank, schluckte verzweifelt und hatte dann plötzlich einen Aussetzer. Ihr war alles gleichgültig. Sie haßte diesen widerlichen Kerl und schleuderte ihm die Flasche ins Gesicht. Doch der Schwung war zu harmlos, und die Flasche beschrieb nur eine flache Kurve und landete auf dem Teppich knapp vor ihren Füßen. Kathy verdrehte die Augen, fiel förmlich in sich zusammen und blieb in verkrümmter Haltung auf dem Boden liegen. Gardena traute ihr immer noch nicht über den Weg.
Vorsichtig pirschte er sich an die junge Frau heran, bereit, sofort zu schießen. Er hatte vor diesem scheinbar so scheuen Reh einen ungeheuren Respekt. Er warf einige Kissen von der breiten Couch auf sie hinunter und wartete auf weitere Reaktionen. Doch Kathy Porter reagierte nicht mehr. Sie war vom Alkohol überwältigt worden.
Walter Gardena trat gegen ihre Schuhsohlen, wagte sich noch ein wenig näher an die langbeinige Frau heran und genoß den Anblick ihrer langen und schlanken Beine. Das Kleid hatte sich verschoben und gab den Blick frei auf ihre Oberschenkel und einen Teil des knappen Slips. Der Mann mit den weichen Lippen starrte wie hypnotisiert auf die Blöße und mußte sich förmlich zur Ordnung rufen. Noch hatte er sie nicht vollends wehrlos gemacht.
Sich immer wieder nach ihr umdrehend, öffnete er einen antiken, gotischen Schrank und holte aus einem Fach neben den Jagdgewehren ein Hundehalsband und eine lange Führleine. Dann machte er sich daran, Kathy Porter zu fesseln. Er dachte sich etwas aus, was sie nie wieder vergessen sollte.
*
Melvin Roots hatte keine Ahnung, daß er in einer Trickkiste auf Rädern saß.
Er hatte im Fond von Parkers hochbeinigem Wagen Platz genommen und die Trennscheibe hinuntergedrückt. Parker steuerte das Monstrum durch die City in westlicher Richtung. Er hätte Melvin Roots jederzeit überlisten können, doch dazu bestand seiner Ansicht nach kein Anlaß. Er wollte ja zu Gardena gebracht werden. Einen schnelleren und direkteren Weg gab es überhaupt nicht, Kontakt mit Lady Simpson und Kathy Porter aufzunehmen.
Es war bereits dunkel geworden.
Was hatte sich alles in den wenigen Stunden vom Vormittag bis jetzt zugetragen? Durch Zufall auf einen Kriminalfall gestoßen, befand das Team Lady Simpson – Butler Parker – Kathy Porter sich in bösen Schwierigkeiten. Parker hoffte dies bald ändern zu können.
Roots gab sich schweigsam.
Auch er hing seinen Gedanken nach. Innerhalb weniger Stunden hatte sich das von Gardena ausgeklügelte System des Diamantenschmuggels als ziemlich anfällig und brüchig erwiesen. Dort, wo man angefangen hatte, konnte man nicht wieder anknüpfen. Wahrscheinlich war Gardena bereits dabei, seine Organisation aufzulösen. Dabei galt es für ihn, Melvin Roots, fuchsschlau zu sein. Er mußte immer wieder an die Warnungen der beiden Killer Paul und Richie denken. Ein toter Melvin Roots konnte für Gardena nur ein bequemer Roots sein. Er brauchte dann nicht mehr die Prämien zu zahlen und keinen Verrat zu fürchten.
Melvin Roots hatte Gardena am Picadilly Circus getroffen und dort die Anweisung erhalten, in Helen Winters’ Wohnung auf die etwaige Ankunft des Butlers zu warten. Paul und Richie waren zwar ganz in der Nähe gewesen, hatten sich aber im Gegensatz zu ihrer ursprünglichen Absicht vornehm im Hintergrund gehalten. Sie mußten inzwischen wissen, wer der wahre Chef des Schmugglerrings war, doch ob sie damit noch etwas anfangen konnten, bezweifelte Melvin Roots sehr. Seiner Ansicht nach wollte Gardena sich absetzen und das Land verlassen.
In diesem Zusammenhang dachte Melvin Roots automatisch an das große Geld, das Gardena verdient haben mußte. Es mußte sich um ein Vermögen handeln. Befand dieses Vermögen sich in Gardenas Landhaus oder hatte er es bereits außer Landes geschafft? Würde Gardena ihn überhaupt mitnehmen? Wartete nicht eine Kugel auf ihn?
„Sie machen einen ungemein nachdenklichen Eindruck, Mister Roots, wenn ich mir diese Bemerkung erlauben darf“, ließ Josuah Parker sich plötzlich vernehmen.
„Das geht Sie einen Dreck an, Parier!“ Roots war böse, daß er abgelenkt wurde.
„Ich bin gewiß kein Telepath“, schickte der Butler voraus, „aber ich möchte annehmen, daß Sie sich Gedanken über Ihre nähere Zukunft machen.“
„Sie wollen wohl auf den Busch klopfen, wie?“ Roots ging ungewollt auf das Fragespiel ein.
„An Ihrer Stelle, Mister Roots, wäre ich ungemein vorsichtig“, stichelte Josuah Parker höflich weiter. „Glauben Sie wirklich, für Mister Gardena noch interessant zu sein?“
„Halten Sie das Maul, Parker!“
„Wahrscheinlich unternehmen Sie die letzte Ausfahrt Ihres Lebens“, prophezeite der Butler, „wenn ich mal von der Fahrt zum Grab absehe!“
„Sie wollen mich wohl nervös machen, wie?“ Melvin Roots bemühte sich um ein ironisches Lächeln.
„Sie sind es doch bereits, Mister Roots“, stellte der Butler fest. „Sobald Sie mich bei Mister Gardena abgeliefert haben, wird er Sie niederschießen.
Das ist für meine bescheidene Person bereits ein Faktum, wenn ich es so umschreiben darf.“
„Wenn Sie sich nur nicht in den Finger schneiden.“ Melvin Roots’ Stimme klang bereits ein wenig heiser. Dieser Parker sagte das laut und deutlich, was er, Roots, dachte.
„Mister Gardena bereitet doch offensichtlich seine Flucht von der Insel vor“, fügte der Butler hinzu, „allein reist es sich unbeschwerter, finden Sie nicht auch?“
„Sie sollen den Rand halten, Parker!“
„Darf ich denn abschließend wenigstens noch bemerken, daß ich nicht in Ihrer Haut stecken möchte?“ fragte Parker geschickt.
„Noch ein Wort, Parker, und ich werde unangenehm“, brauste Roots auf. Doch er brauchte nicht weiter in die Luft zu gehen. Parker schwieg sich jetzt aus und gab Roots so Gelegenheit, über die düsteren Prophezeiungen nachzudenken.
„Was … Was würden denn Sie an meiner Stelle tun?“ ließ Roots sich nach einigen Minuten vernehmen.
„Ich möchte meinen bescheidenen Rat nicht aufdrängen