seine Schußwaffe bereits in der Hand.
„Blasrohrpfeile“, sagte Paul und trat gegen den am Boden liegenden Parker.
Es war die reinste Zauberei.
Fast schwerelos erhob Parker sich vom Schotter der schmalen, unbefestigten Straße, tat einen weiten Sprung nach oben, richtete sich voll auf, torkelte schwebend in der Luft wie ein Ballon und kam dann im Zeitlupentempo wieder zurück auf den Straßenbelag.
„’ne Gummipuppe“, stellte Richie fassungslos fest.
„’ne Falle!“ präzisierte Paul.
„Nichts wie weg“, schrie Richie und rannte zurück zum VW.
„Dieser listige Hund“, beschwerte sich Paul, während er seinem Partner folgte. Sie erreichten fast gleichzeitig den VW, Richie klemmte sich hinters Steuer und schob den Gang ein. Er fühlte eine seltsame Lähmung und Schwäche in sich aufsteigen. Er sah plötzlich zwei, dann drei und schließlich vier Straßen vor sich und wußte nicht, auf welcher er sich befand.
Das Gift der Blasrohrpfeile tat bereits seine Wirkung.
Paul brabbelte Worte ohne Sinn und Verstand vor sich her, lachte unvermittelt auf und wollte aussteigen.
Richie entschied sich für die Straße, die genau vor seinen Augen lag, womit er sich prompt falsch entschied. Er steuerte den VW zielgerecht in den Graben, worauf Paul aussteigen konnte. Nach ein paar Schritten blieb der junge Killer mit den grünen Augen regungslos im Gras liegen.
Richie beschwerte mit dem Oberkörper das Steuerrad und schnarchte bereits. Parkers Spezialgifte waren eben das Beste, was auf diesem Gebiet zu bekommen war. Seine listenreichen Täuschungsmanöver ließen sich ohnehin kaum nachahmen. Darin war er einsame Klasse.
Dieser Josuah Parker erschien jetzt aus den Nebelschwaden, die sich bereits verflüchtigten, und untersuchte die beiden Killer. Er trug bereits wieder Melone und Universal-Regenschirm. Wohlgefällig betrachtete er die beiden außer Gefecht gesetzten Gangster, von deren Verfolgung er natürlich gewußt hatte. Der VW war ihm in der vergangenen halben Stunde nachdrücklich aufgefallen. Darauf hatte der Butler sich dann seinen Reim gemacht.
Er entwaffnete die Burschen und trug sie hinüber in das kleine Wäldchen jenseits des Straßengrabens. Dabei zeigte sich wieder mal recht deutlich, wie stark und fit Parker war, dem so etwas überhaupt nichts ausmachte.
Er opferte zwei seiner privaten Handschellen, setzte die beiden Killer um einen ansehnlichen Baumstamm herum und ließ sie diesen Stamm umarmen. Dann kettete er die Handgelenke aneinander und war sicher, daß die Kerle ohne die Verwendung einer Baumsäge nicht mehr loskamen. Nach getaner Arbeit machte der Butler sich auf den Weg, seinen beiden Damen einen Besuch abzustatten.
Er wußte nicht, was sich im Cottage bisher ereignet hatte, und war noch recht guter Dinge.
*
Der Zaun aus starkem Maschendraht besaß ein schmales Tor, durch das man den privaten Flugplatz betreten konnte.
Es war zwar dunkel, doch das Streulicht reichte aus, um Einzelheiten zu erkennen. Das kleine Städtchen in der Nähe von Gardenas Cottage lieferte genug Helligkeit.
Agatha Simpson marschierte voraus, stets bedroht von der schallgedämpften Waffe Gardenas. Sie trug die an sich leichte Reisetasche, in der sich die Beute des Bandenchefs befand. Lady Simpson hatte unterwegs immer wieder mit dem Gedanken gespielt, Gardena anzugreifen, doch das Risiko war einfach zu groß. Dieser Mann würde schießen, das wußte sie.
Also trabte die resolute Dame grimmig weiter und steigerte sich in Rage hinein. Es paßte ihr überhaupt nicht, den Kofferträger dieses Gangsters zu spielen. Sie hätte ihm die Reisetasche am liebsten um die Ohren geschlagen.
Der private Sportflugplatz bestand aus einer weiten Rasenfläche, deren Grenzen sich in der Dunkelheit verliefen. Die einfache Befeuerung war natürlich nicht eingeschaltet. Nur über dem Hangartor brannte ein einsames Licht.
Neben dem Hangar standen einige Sportmaschinen.
Mit dem Schalldämpfer stieß Gardena nachdrücklich gegen Lady Simpsons Rücken und bugsierte seine Gefangene auf eine einmotorige Maschine zu.
„Wollen Sie damit etwa fliegen?“ fragte sie entsetzt.
„Los, steigen Sie schon ein!“ Er führte sie an die Maschine heran und zwang sie auf den Sitz. Prustend und keuchend ließ die ältere Dame sich nieder und betrachtete mißtrauisch das kleine, halbkreisförmige Ruder, das aus dem Instrumentenbrett auf ihrer Seite hervorragte.
Schnell und geschickt schwang Gardena sich auf den Pilotensitz und betätigte den Anlasser.
Hustend und spuckend setzte der Motor sich in Bewegung. Die Schraube drehte sich und wurde zu einer flimmernden Scheibe.
Lady Agatha starrte in die Dunkelheit und fühlte sich gar nicht wohl.
„Wohin fliegen wir?“ fragte sie kleinlaut, was bei ihr höchst selten vorkam. Dann aber raffte sie sich zusammen. Sie hatte nicht die geringste Lust, in diesem für ihre Begriffe zerbrechlichen Etwas in die Lüfte zu steigen. Sie fingerte nach ihrer Lorgnette, die an einer Silberkette um ihren Hals hing und klappte sie auf. Der Stiel dieser Brille konnte zu einem sehr scharfen Stilett werden, wie sie schon häufig demonstriert hatte.
Es war bereits zu spät …
Die Maschine setzte sich in Bewegung und rollte auf die Startpiste. Gardena machte einen sehr konzentrierten Eindruck, beugte sich vor, um besser sehen zu können, korrigierte das Anrollen und richtete den großen Vogel dann aus.
Er gab Gas.
Der Motor donnerte auf, ein nervöses Vibrieren ging durch die Maschine, die noch von den Bremsen gehalten wurde. Dann aber löste Gardena die Bremsen und ließ den Vogel losmarschieren.
Agatha Simpson schloß die Augen und holte tief Luft. Sie hielt sich krampfhaft fest und stemmte sich mit ihren stämmigen Beinen gegen den Boden.
Dabei stellten sich ihre nicht gerade kleinen Schuhe auf die Seitenruderpedale.
Und das sollte Folgen haben!
Die Maschine kam aus dem geplanten Kurs, denn Gardena hatte mit diesem Gegendruck nicht gerechnet. Die Piper brach nach rechts aus und wollte sich um ihre Längsachse drehen.
„Füße weg!“ schrie Gardena wütend. Lady Simpson gehorchte augenblicklich, zog die Beine an und wurde hart in den Sitz zurückgedrängt.
Gardena brachte die Piper wieder auf Kurs, steigerte die Geschwindigkeit und donnerte in die Dunkelheit hinein. Lady Simpson schloß sicherheitshalber wieder die Augen und hielt die Luft an.
Und dann waren sie auch schon in der Luft.
Gardena lachte schallend auf und wandte sich abrupt an seine ältere Kopilotin.
„Na, wer sagt’s denn?“ rief er ihr zu, „alles in bester Ordnung!“
„Ich weiß nicht recht“, erwiderte Lady Simpson.
„Wieso, was soll sein?“
„Ich habe die Reisetasche vergessen“, bekannte die Detektivin. „Hoffentlich macht Ihnen das nichts aus!“
*
Josuah Parker war sehr betroffen.
Er schaute durch eines der kleinen Fenster in den Wohnraum des Cottage und entdeckte zuerst eine rothaarige Frau am Boden, die ganz eindeutig schwer verletzt war.
Kathy Porter?
Nein, sie lag rücklings auf der breiten Couch. Doch war auch sie verletzt worden?
Von Gardena und Agatha Simpson war nichts zu sehen.
Wartete der Chef der Schmugglerbande mit gezogener Waffe auf ihn? Hatte Gardena mitbekommen, daß er Besuch erhielt?
Die Sorge um seine beiden Damen trieb den Butler an.
Mit dem bleigefütterten Griff seines Universal-Regenschirms