Günter Dönges

Butler Parker Paket 3 – Kriminalroman


Скачать книгу

öffnete deshalb die Tür zum Cottage, stieß sie mit der Spitze seines Regenschirms auf und betrat den Wohnraum. Nach wenigen Sekunden wußte er, daß der Gangsterchef sich abgesetzt hatte.

      Zuerst kümmerte Parker sich um Kathy.

      Sie war unverletzt, aber stark betrunken. Parker konnte sich in etwa vorstellen, wer sie dazu gebracht hatte, denn normalerweise trank Kathy kaum. Gardena hatte sie mit Alkohol außer Gefecht gesetzt.

      Die rothaarige Frau am Boden mußte Helen Winters sein, die Freundin des im Spital wahrscheinlich ermordeten Harry Lancing. Sie lebte, und ihre Verletzung erwies sich nicht als besonders gefährlich. Sie hatte eine starke Fleischwunde davongetragen, die der Butler erst mal versorgte.

      Sie kam zu sich, war noch benommen, starrte ihn an und murmelte Worte, die der Butler zuerst nicht verstand. Dann aber formten ihre Lippen das Stichwort Flugzeug. Dem Butler ging ein Licht auf, er begriff, was sie sagen wollte. Von Melvin Roots wußte der Butler ja von der Existenz einer Piper, die Gardena als Fluchtwerkzeug benutzen wollte.

      „Miß Porter, wie fühlen Sie sich?“ rief er Kathy an, die sich aufgerichtet hatte und ihn jetzt betrunken anlächelte.

      „Wunderbar“, erwiderte sie mit schwerer Zunge.

      „Kommen Sie!“ Er zog sie hoch und sah sie prüfend an. Er wollte sie mit Helen Winters nicht allein im Cottage zurücklassen. Die Freundin von Harry Lancing war unberechenbar und offensichtlich eine Mörderin.

      „Sind Sie wieder einigermaßen klar, Miß Porter?“

      „Wunderbar“, sagte sie und lächelte versonnen. Sie war sich ihrer Nacktheit überhaupt nicht bewußt, fiel dem Butler um den Hals und kuschelte sich dicht an ihn.

      „Miß Porter, aber nicht doch“, sagte der Butler streng. „Seit wann sind Gardena und Agatha Simpson gegangen?“

      Sie wußte es nicht und schlief an seiner Brust fast wieder ein. Parker stand unter Zeitdruck und überlegte, was er machen sollte. Nahm er Kathy mit hinüber zum Flugplatz, von dem Roots gesprochen hatte, dann verlor er vielleicht wertvolle Minuten. Aber durfte er sie allein im Cottage lassen?

      Er nahm Kathy auf seine Arme und beförderte sie zurück ins Bad. Er stellte sie unter die Dusche und betätigte sich als Bademeister. Er sprühte sie mit kaltem Wasser ab, bis sie sich schüttelte. Dabei hatte der Butler ausgiebig Gelegenheit, die Schönheit ihrer Körperlinien wieder mal zu bewundern. Kathy Porter konnte es wirklich mit jedem Top-Mannequin aufnehmen.

      „Kommen Sie jetzt allein zurecht?“ fragte er Kathy, die aus der Duschkabine herausdrängte.

      „Natürlich.“ Ihre Stimme klang bereits bedeutend klarer und konzentrierter.

      „Ich werde mich jetzt um Lady Simpson kümmern“, erklärte Parker ihr. „Warten Sie hier auf mich, Miß Porter! Lassen Sie sich von Helen Winters nicht überraschen, ich weiß nicht, wie aktiv sie in Wirklichkeit ist!“

      „Ich werde schon aufpassen“, versprach Kathy und sah an sich herunter, entdeckte ihre Nacktheit und griff nach einem Handtuch.

      „Ich habe selbstverständlich überhaupt nichts gesehen“, sagte Parker, lüftete seine schwarze Melone und beeilte sich, zum Flugplatz zu kommen.

      Er hatte den Zaun aus Maschendraht noch nicht ganz erreicht, als starkes Motorengeräusch ihn hellhörig werden ließ. Er sah zum nächtlichen Himmel hoch, suchte nach einer Maschine und zog dann unwillkürlich den Kopf ein, als ein Hochdecker aus der Dunkelheit heraus direkt auf ihn herunterstieß.

      Ein Sturzflug war dagegen nur ein sanftes Schweben. Die Maschine schien abzustürzen!

      Parker fühlte instinktiv, daß seine Herrin sich in diesem großen Vogel befand und an diesem rasanten Absturz nicht ganz unbeteiligt war.

      Ihm brach daher, was sehr selten war, der kalte Schweiß aus.

      *

      Lady Agatha, die kriegerische Dame, hatte sich des Flugapparates bemächtigt.

      Walter Gardena hing ohnmächtig in seinen Haltegurten und litt deutlich unter den Nachwirkungen von Myladys „Glücksbringer“. Sie hatte ihm zuerst das Stilett in die Seite gedrückt, seine Haut geritzt und dann den Pompadour über den Schädel geschlagen. Der Bandenchef beteiligte sich seit einigen Minuten nicht mehr an der Führung der Piper.

      Das hatte nun Lady Agatha in die Hand genommen.

      Sie hatte Minuten gebraucht, um die Funktion des Steuerruders und der beiden Pedale zu erkennen. Danach aber begeisterte die Sechzigjährige sich an der Fliegerei, zog den Steuerknüppel dicht an ihren Leib heran und ließ die Piper fast senkrecht hinauf in den nächtlichen Himmel steigen.

      Sie absolvierte daraufhin eine raffinierte Kunstflugfigur, die in keinem Wettbewerb bisher gezeigt worden war. Mylady trat freudig mal auf das linke, dann wieder auf das rechte Seitenruderpedal, Die an sich gutmütige Piper geriet daraufhin in echte Verwirrung und Schwierigkeiten. Die Maschine wußte nicht, was sie tun sollte. Sie entschied sich fürs Trudeln, kippte über die linke Fläche ab und schoß nach unten.

      Mylady fand das ungemein anregend.

      Sie sah die Lichter auf dem Boden rasend schnell näher kommen, stieß und zerrte am Höhenruder herum, als rühre sie einen Pizzateig und erreichte es tatsächlich und ungewollt, daß die Piper in einen steilen Gleitflug überging.

      Lady Agatha schoß mit der Maschine dicht über einen Zaun hinweg und donnerte dann auf den Hangar zu.

      Sie hatte im Grunde keine Ahnung, in welcher Lebensgefahr sie sich befand, und nur den Eindruck gewonnen, daß diese Maschine sich leichter steuern ließ als ein Auto. Sie sah den Hangar, der in Sekundenschnelle größer wurde, riß das Höhenruder wieder an ihren fülligen Leib heran und hüpfte elegant über das Dach hinweg. Mylady spürte den harten Schlag, der durch die Maschine ging, achtete jedoch nicht weiter auf ihn.

      *

      Josuah Parker war fassungslos.

      Er hatte gegen den hellen Hintergrund genau gesehen, daß die Maschine das Dach des Hangars gestreift hatte. Das linke Bein des Fahrgestells wirbelte durch die Luft und schlug krachend nicht weit von Parker entfernt auf den Boden.

      Lady Simpson war wohl kaum noch zu retten.

      Parker kam sich ungemein hilflos vor. Wie sollte er seiner Herrin helfen? Sie hatte doch keine Ahnung, wie man ein Flugzeug steuerte. Früher oder später mußte es zur Katastrophe kommen. Hinzu kam noch die Dunkelheit, die es Mylady unmöglich machte, sich wenigstens einigermaßen zu orientieren.

      Da war sie schon wieder …

      Diesmal hatte die ältere Dame sich eindeutig für den Tiefflug entschieden.

      Sie kam wieder aus der Dunkelheit angerast und donnerte an Parker vorbei. Dazu schien sie noch triumphierend oder grüßend mit den Tragflächen der Piper zu wackeln. Der Abstand zwischen Flugzeug und Piste betrug nur knapp zwei Meter.

      Und schon war sie vorüber und zog steil zum Himmel empor. Josuah Parker verhüllte im übertragenen Sinn sein Haupt. Plötzlich erinnerte er sich eines Fernsehspiels, in dem der Held, der von der Fliegerei keine Ahnung hatte, per Sprechfunk sicher zu Boden gebracht worden war. Ließ sich das in der Realität nachvollziehen?

      Parker sah zu dem kleinen Miniatur-Tower hinüber, setzte auf diese Karte und rannte mit flatterndem Zweireiher quer über die Piste zum Leitturm, um plötzlich wie angewurzelt stehen zu bleiben.

      Das eben noch regelmäßige Motorengeräusch ging in ein Husten und Spucken über, dann herrschte unheimliche Stille …

      Aus!

      Jetzt mußte von irgendwo aus der Dunkelheit heraus der zuckende Feuerschein einer explodierenden Maschine zu sehen sein.

      Doch nichts war zu sehen und zu hören.

      Dann folgte ein Rumpeln, ein blechernes Klappern.

      Parker drehte sich etwas um und hechtete zu Boden, worunter die