galt einem untersetzten Mann von etwa vierzig Jahren, der gerade die Straße überquerte und auf Lady Simp-sons Haus zuhielt.
Dieser Mann hatte sie in einem kleinen Minicooper seit dem Verlassen des Parkplatzes in Kew Gardens ausgesprochen hartnäckig verfolgt. Wahrscheinlich hatte er aus nächster Nähe beobachtet, wie Agatha Simp-son ihren Pompadour durch die Luft schleuderte. Der Mann wollte jetzt wohl feststellen, mit wem er es zu tun hatte.
Josuah Parker benötigte nur wenige Schritte bis in den Vorflur des Hauses. Er baute sich dicht vor der Tür auf und beobachtete durch einen Spion den Mann, der den säulengeschmückten Vorbau des Hauses inzwi-schen erreicht hatte.
Sein Gesicht war durch den Spion klar und deutlich zu erkennen.
Es wirkte ein wenig gedunsen und schlaff. Die Augen des Mannes waren grau und aufmerksam.
Er kam über die Stufen des Vorbaus nahe an die Tür heran. Er suchte nach einem Namensschild.
»Darf ich mir erlauben, Ihnen meine Hilfe anzubieten?« fragte der Butler, nachdem er überraschend und blitzschnell die Tür aufgezogen hatte. Er sah den Mann mit dem schlaffen Gesicht gemessen und distanziert an.
Die Reaktion des Fremden war eindeutig.
Seine rechte Hand schoß hoch und verschwand unter dem linken Revers seines Jacketts. Dort befand sich wahrscheinlich eine Schulterhalfter samt Inhalt.
Der Mann schaffte es, diese Bewegung nicht bis zur letzten Konsequenz auszuführen. Er stoppte seine Hand unter dem Revers und bemühte sich um Harmlosigkeit.
Und versuchte anschließend einen uralten Trick.
»Hier wohnt doch Mister Cadswill, oder?« fragte er, einfach einen Namen verwendend, der ihm gerade einfiel. Er rechnete selbstverständlich mit einer negativen Anwort.
Doch Parker tat ihm diesen Gefallen nicht.
»In der Tat«, reagierte der Butler gemessen und trat einen halben Schritt zurück. »Ich werde Sie sofort bei Mister Cadswill anmelden, Sir. Wenn Sie bitte näher treten wollen.«
Der Mann sah den Butler völlig entgeistert an. Mit dieser Antwort hatte er wirklich nicht gerechnet. Er schnappte nach Luft, hüstelte ein wenig und suchte krampfhaft nach einem Ausweg.
»Bitte, Sir!« Parker wies mit seiner schwarz behandschuhten Rechten in den Vorflur. »Wen darf ich mel-den?«
»Äh … Ich … Also, das ist so …« Der Besucher stotterte verlegen herum. »Wissen Sie was, ich werde später noch mal vorbeikommen.«
»Mister Cadswill wird Ihnen mit Sicherheit zur Verfügung stehen«, behauptete der Butler höflich.
»Möglich … ja, wahrscheinlich … Aber ich komme später noch mal vorbei. Ich bin in Eile …«
Er wandte sich hastig um und lief zurück zur Straße. Dort angekommen, sah er sich noch mal konsterniert nach Parker um. Natürlich wußte er inzwischen, daß dieser Butler ihn auf den Arm genommen hatte. Der Mann mit dem schlaffen Gesicht fühlte sich durchschaut.
Parker blieb völlig ungeniert in der geöffneten Tür stehen und sah dem Mann nach.
Dieser steuerte auf seinen Minicooper zu, legte sich dann allerdings in eine Art Kurve und marschierte weit um den Wagen herum. Er wollte offensichtlich nicht, daß Parker merkte, daß er zu diesem Wagen ge-hörte.
Der Mann stiefelte ein Stück die Straße hinunter und verschwand dann in einer schmalen Gasse.
Worauf der Butler sich ins Haus zurückbegab und die Tür schloß. Durch den Spion aber beobachtete er weiter den kleinen Wagen. Es dauerte nicht lange, bis der Mann mit dem schlaffen Gesicht wieder auf der Straße erschien.
Er ging schnell zu seinem Gefährt und setzte sich ans Steuer. In diesem Moment zog der Butler erneut die Haustür auf und zeigte sich dem Fahrer in seiner ganzen Würde.
Parker deutete eine höfliche Verbeugung an, als der Minicooper die Haustür passierte.
Der Fahrer zog daraufhin den Kopf ein, um nicht erkannt zu werden. Die ganze Geschichte schien ihm sehr peinlich zu sein.
*
»Die Abendzeitung, Mylady!«
Parker betrat den Salon der Stadtwohnung und präsentierte der alten energischen Dame einige Zeitungen, die auf einem Silbertablett lagen.
Agatha Simpson zog ihre ausgeprägte Adlernase kraus.
»Verschonen Sie mich mit diesem Lesefutter«, sagte sie. »Ich hoffe, Sie können mich bereits informieren, Mister Parker.«
»Sehr wohl, Mylady«, gab der Butler zurück. »Bei der jungen Malerin, auf die geschossen wurde, handelt es sich um eine gewisse Mandy Saxon, die sich als Schauspielerin bezeichnet.«
»Mandy Saxon … Mandy Saxon …?« Agatha Simpson dachte laut nach. »Haben wir diesen Namen nicht schon gehört, Mister Parker?«
Die Detektivin hatte es sich bequem gemacht. Sie trug einen mit Schmetterlingen bestickten Hausmantel, der an einen indischen Sari erinnerte. Sie sah darin jugendlich aus.
»Die bewußte junge Dame hat in der Vergangenheit schon recht häufig Schlagzeilen gemacht, Mylady.«
»Richtig! Mandy Saxon. Das ist doch diese Skandalnudel, nicht wahr?«
»In der Tat, Mylady! Miß Saxon war das, was man gemeinhin diskret eine Gespielin nennt. Sie wurde häufig in der Begleitung bekannter Männer gesehen.«
»Hat diese Saxon nicht sogar einen Minister außer Gefecht gesetzt?«
»So könnte man es ausdrücken, Mylady. In der Öffentlichkeit erschienen Fotos, die dieses Kabinettsmit-glied zusammen mit Miß Saxon zeigten. In verfänglichen Situationen, wie es wohl zu nennen sein müßte.«
»In eindeutigen Situationen, Mister Parker«, korrigierte die ältere Dame energisch. »Nennen wir das Kind doch beim Namen. Diese Saxon ist ein Flittchen.«
»Wie Mylady es auszudrücken belieben.«
»In letzter Zeit ist es ruhig um sie geworden, nicht wahr?«
»Gewiß, Mylady. Miß Saxon hat sich zurückgezogen, um einen, wie sie es nennt, Sex-Report zu schrei-ben.«
»Du lieber Himmel!« Agatha Simpson richtete sich fast erfreut auf. »Daraus ergeben sich ja herrliche Mög-lichkeiten.«
»Weniger für jene Herren, die von Miß Saxon zitiert werden sollen, Mylady.«
»Für uns, Mister Parker, für uns! Können Sie sich nicht vorstellen, daß gewisse Leute diesen Sex-Report verhindern wollen?«
»In der Tat, Mylady! Die Zeitungen sprechen ebenfalls von solchen Möglichkeiten. Sie hegen die Vermu-tung, daß der Schuß auf Miß Saxon eine Art Warnung oder Drohung darstellte.«
»Wunderbar!« Agatha Simpson erhob sich erstaunlich schnell aus ihrem Sessel. »Wird es bei dieser War-nung bleiben, Mister Parker?«
»Ich fürchte, Mylady, daß hier ein Mord geplant wird.«
»Das sage ich doch die ganze Zeit«, behauptete die alte Dame, »und diesen Mord werden wir verhindern, Mister Parker! Das ist unsere Pflicht als Staatsbürger!«
»Wie Mylady meinen«, gab der Butler zurück und unterdrückte einen leichten Seufzer. Es war also wieder mal so weit. Mylady witterte einen Kriminalfall. Und nach Lage der Dinge ließ sie sich jetzt nicht mehr ab-lenken.
»Was wissen wir bereits, Mister Parker?« Die streitbare Sechzigerin marschierte auf ihren stämmigen Bei-nen durch den Salon ihres Stadthauses. »Da war zuerst mal der Schuß, der die Straffelei traf. Dann haben wir dieses Individuum namens Pearson, das mit einem Geigenkasten und einer Faustfeuerwaffe herumlief. Und schließlich dieses Subjekt, das Sie an der Tür empfingen.«
»Eine vollständige Aufzählung, Mylady«, stellte Parker gemessen, aber auch zurückhaltend fest.
»Und