Normen zu folgen. Verstärken Sie die Bewegungen ganz nach Lust und Laune
Dr. Dietmar Pfennighaus
»MEIN VORGESETZTER KANN NICHT FÜHREN«
»Ich arbeite seit drei Jahren als kaufmännische Mitarbeiterin in einer großen Firma und bin dort einem Manager unterstellt, der meiner Ansicht nach keinerlei Führungsqualitäten besitzt und sich zudem auch überhaupt nicht durchsetzen kann. Meine Kollegen machen mit ihm, was sie wollen, und innerhalb der gesamten Abteilung herrscht ziemliches Chaos. Niemand hat Respekt vor ihm, da er zudem auch noch stark übergewichtig ist. Vor allem als Christ versuche ich, mich ihm gegenüber anders zu verhalten als die anderen, aber es fällt mir zunehmend schwerer, ihm Achtung entgegenzubringen, weil ich ihm in vielen Bereichen überlegen bin. Außerdem frustriert es mich, dass es nirgendwo vorangeht und ich nichts mit meiner Arbeit bewegen kann. Eigentlich bin ich ein positiver Mensch, aber ich merke, wie mich die schlechte Stimmung im Büro mehr und mehr runterzieht und auf mich abfärbt. Immer öfter bin ich schlecht gelaunt und auch aggressiv. Soll ich den Job wechseln?«
Wie schön wäre es, wenn jeder, dem der Titel »Manager« verliehen wird, damit automatisch auch Führungsqualitäten erhielte! Die Realität in deutschen Büros zeigt, dass das leider nicht so ist. So ist das von Ihnen geschilderte Problem leider kein Einzelfall. Im Gegenteil – es kommt sogar sehr häufig vor, dass Angestellte Dinge besser managen könn(t)en als ihre Vorgesetzten, weil sie ein höheres Führungspotenzial haben. Das alleine muss aber noch nicht heißen, dass die Zusammenarbeit nicht funktionieren kann – es kommt in solchen Fällen immer auf das gesamte Team an.
Respekt, Achtung und Ergänzung
Einem Vorgesetzten sollten die Mitarbeiter grundsätzlich mit Respekt und Achtung begegnen – unabhängig davon, ob sie ihm in manchen Bereichen überlegen sind oder nicht, denn er ist der Chef. Für den Vorgesetzten gilt das natürlich gegenüber den Mitarbeitern genauso, denn diese sind sein größtes Kapital, und nur auf dieser Grundlage kann Vertrauen wachsen und eine gute Zusammenarbeit als Team gelingen. Ein Team, das einander mit Achtung und Respekt begegnet und gelernt hat, sich gegenseitig zu ergänzen, kann so manche Führungsschwäche des Leiters ausgleichen, wenn er diese Ergänzung zulässt. Sind hingegen Achtung und Respekt erst einmal verloren gegangen oder vielleicht sogar gar nicht erst aufgebaut worden, ist eine gute Zusammenarbeit kaum möglich. Ihr Chef hat – wodurch auch immer – die Achtung und den Respekt seiner Mitarbeiter verloren, und obwohl Sie selbst bisher nicht öffentlich rebellieren und noch versuchen, irgendwie auf seiner Seite zu bleiben, sind Sie in Ihrem Inneren unzufrieden und spüren durch Ihre Aggressivität, dass Sie die Situation emotional stark belastet. Der falsche Mann am falschen Platz kann sehr viel blockieren – das ist für Menschen mit hohem Führungspotenzial nur schwer auszuhalten. Dennoch ist es gerade auch für sie immer wieder eine gute Übung, mit solchen Menschen zusammenzuarbeiten und Dinge einfach auch einmal auszuhalten.
Womit können Sie auf Dauer leben?
Johann Michael Sailer hat einmal gesagt: »Lerne zu warten – entweder ändern sich die Dinge oder dein Herz.« Als Christ könnte man diesen Satz noch um eine weitere Aussage ergänzen und sagen: »Lerne zu warten und zu beten – entweder ändern sich die Dinge oder dein Herz.« Auf jeden Fall können Sie beides gut auf Ihre persönliche Situation übertragen, denn Sie haben im Grunde wirklich nur diese beiden Möglichkeiten. Entweder Sie schaffen es, innerlich gelassener zu werden, sich trotz Ihres hohen Leitungspotenzials irgendwie unterzuordnen und in all dem fröhlich und positiv zu bleiben – dann hätte sich Ihr Herz geändert. Oder die ganze Situation spitzt sich so sehr zu, dass Sie merken, dass Sie sich auf Dauer einen anderen Job suchen müssen, um nicht die Freude an Ihrer Arbeit zu verlieren. In diesem Fall hätte sich die Situation geändert. Ich glaube, dass es in jedem Fall wichtig ist, den richtigen Zeitpunkt für eine Entscheidung zu finden. Wie realistisch ist es, dass sich an der Situation etwas verändert? Steht vielleicht eine Pensionierung oder Versetzung des Vorgesetzten an? Wie könnten Sie vielleicht besser mit der Situation zurechtkommen? Könnte man die schlechte Stimmung vielleicht einmal im Team ohne den Vorgesetzten ansprechen? Eine vorschnelle Entscheidung zu treffen, weil Sie »entnervt« sind, wäre meiner Ansicht nach genauso fatal wie ein jahrelanges Ausharren an einem Arbeitsplatz, der Ihnen keinen Spaß macht, wo Sie sich nicht wohlfühlen und der Sie letztlich krank und unzufrieden macht.
Inge Frantzen
»ICH GLAUBE, ICH SCHAFFE ES NICHT!«
»Ich bin 22 Jahre alt und Theologiestudent im sechsten Semester. Ich hatte eine tolle Kindheit mit zwei 12 und 14 Jahre älteren Brüdern. Bisher lief mein Leben gut, ich hatte alles im Griff. Doch seit Kurzem merke ich, dass langsam alles aus den Bahnen gerät. Es fällt mir schwer, meine Vorlesungen zu besuchen und für Klausuren zu lernen. Meine Eltern fordern, ich solle mich durchbeißen, meine Freunde meinen, dass ich nur noch jammere. Ich hatte mich schon so lange auf mein Studium gefreut und wollte Gott in meinem Beruf dienen, und jetzt das! Habe ich Gott falsch verstanden? Oder will er mir etwas zeigen?«
Ob Sie Gott falsch verstanden haben, kann ich leider nicht beantworten. Was er Ihnen vielleicht zeigen möchte, schon eher. Ich habe den Eindruck, dass Sie sehr behütet aufgewachsen sind. Ihre Eltern und Brüder haben Sie umsorgt, behütet und bewacht. Wenn Sie als »kleiner Bruder« Probleme hatten, wurden diese für Sie gelöst. Wirkliche Herausforderungen mussten Sie nie allein knacken, und somit wurde Ihnen das wirkliche Leben »draußen in der Welt« bis jetzt vorenthalten.
Nun aber sind Sie »draußen«, und keiner federt mehr etwas ab. Jetzt müssen Sie lernen, Probleme selbst zu erkennen und gut zu bearbeiten. Das ist noch ungewohnt für Sie, das macht Angst. Mit anderen Worten: Sie stehen mitten im Abnabelungsprozess vom Elternhaus hinein in ein selbstständiges Leben. Das ist vermutlich sogar ein Prozess, der bis zum letzten Atemzug dauert: sich selbst zu finden bzw. als Christ das zu entdecken, was Gott in Sie hineingelegt hat. Das zu entdecken, was Gott sich gedacht hatte, als er Sie im Mutterleib formte. Das ist nicht immer leicht, kaum planbar und schon gar nicht ohne Schwierigkeiten möglich.
Wie kann es gelingen? Schauen Sie nicht voller Selbstmitleid zurück, sondern schauen Sie nach vorne. Zeigen Sie Ihren Eltern, dass Sie bereit sind, sich den Herausforderungen zu stellen und am Leben lernen wollen. Bitten Sie Ihre Freunde, Sie im Studium, im Strukturgeben und im Grenzenwahrnehmen zu unterstützen und erlauben Sie ihnen ein ehrliches Feedback. Nur so können Sie etwas gegen das Jammern unternehmen. Und untermauern Sie dieses Verhalten mit Ihrem festen Glauben an Gott, dass er derjenige ist, der Sie liebt und Ihnen beim Lebenlernen zur Seite steht, damit es gut wird. Nach dem Motto: glauben und tun. Dazu wünsche ich Ihnen Gottes Segen und alles Gute.
Frank Pahnke
BEZIEHUNGEN
»IN MEINER GEMEINDE GEHT ES NUR UM FAMILIEN«
»Ich gehöre seit einigen Jahren zu einer christlichen Gemeinde. Bisher haben mich die Predigten meistens sehr angesprochen, ich empfand sie als alltagstauglich und für meine Lebenssituation passend. In den letzten Monaten ist der Gottesdienst jedoch fast nur noch auf Familien ausgerichtet, und als Single kann ich mit vielen Themen überhaupt nichts anfangen. Was mich wirklich interessiert, kommt so gut wie gar nicht mehr vor, und ich merke, wie der Gottesdienstbesuch für mich immer mehr zur Pflichtübung wird und ich nur noch aus Gewohnheit hingehe. Was kann ich tun, damit sich das wieder ändert?«
In den meisten christlichen Gemeinden stehen Ehe und Familie hoch im Kurs – und das ist auch gut so. Denn in Zeiten, in denen immer mehr Familien zerbrechen, werden Räume gebraucht, in denen Menschen ein positives Bild von Ehe vorgelebt und wo ihnen Mut zur Familie gemacht wird. Problematisch wird dieser Fokus dann, wenn Ehe und Familie als einzig wahres »christliches Lebensmodell« vermittelt werden. Denn vor allem das Neue Testament stellt den Singlestand gleichwertig neben Ehe und Familie, ja, erhebt